"Aus dem Leben" Sabine kommt auf eigenen Beinen am Gipfel an
Bildrechte: MDR/ORF/Warner Bros./Guido Engels

Aus dem Leben Fragen an Ann-Kathrin Kramer und Harald Krassnitzer:

12. August 2024, 14:09 Uhr

Was hat Sie dazu inspiriert, an diesem Filmprojekt mitzuwirken?

Ann-Kathrin Kramer: Wir haben diesen Film mit unserem Produzenten zusammen entwickelt. Das Thema dieser Krankheit die so plötzlich, aus dem Nichts heraus zuschlägt, hat uns sehr interessiert. Es war ein gemeinsamer Weg von der Idee bis zu Realisation, der uns auf eine besondere Art in die Entstehung mit eingebunden hat.

Welche Aspekte des Drehbuchs haben Sie besonders berührt oder inspiriert?

Ann-Kathrin Kramer: Schlaganfälle erleiden immer mehr Menschen. Auch Jüngere, bis hin zu Kindern. Es ist also ein gesellschaftliches Thema, das einen starken Impact hat, nicht nur für die Betroffenen selbst, sondern auch für die nahestehenden Personen. Man sagt, circa 80 Prozent der Frauen bleiben in einem solchen Fall bei ihren betroffenen Männern. Umgekehrt sind es nur etwa 20 Prozent der Männer, die bleiben und bereit sind, den Weg miteinander zu gehen. Es ist also auch eine Geschichte über Liebe. 

Harald Krassnitzer: Am meisten hat mich an diesem Buch berührt, dass es einer selten wahrgenommenen und ausgesprochenen Realität sehr nahekommt. Nämlich, dass Frauen immer öfter von Schlaganfällen betroffen sind. und dass diese Geschichte es schafft, uns auf eine sehr emotionale Achterbahnfahrt der Gefühle des betroffenen Ehepaars mitzunehmen.

Inwieweit haben sie im Vorfeld des Projekts recherchiert, um das Thema Schlaganfall authentisch darzustellen? Wie sind Sie mit den körperlichen Einschränkungen umgegangen, die durch den Schlaganfall verursacht werden?

Ann-Kathrin Kramer: Natürlich waren die Vorbereitungen hier umfassend. Eine halbseitige Lähmung braucht viel Übung und beeinflusst jede, noch so normale Bewegung. Ich hatte tolle Unterstützung von der Schlaganfallhilfe, von Betroffenen und auch eine großartige medizinische Betreuung am Set, die immer aufgepasst hat, dass sich nicht etwas bewegt, was sich nicht bewegen darf. 

Harald Krassnitzer: Für meine Frau, also Ann-Kathrin, war die Recherche ein ganz wesentlicher Teil, speziell was die Körperlichkeit und die Ausdrucksmöglichkeiten betrifft. Für mich war der Aspekt wichtig, warum betroffene Ehemänner (viel öfter als betroffen Ehefrauen) bereits nach einem Jahr aus der Pflege aussteigen und sich auch von Ihren Frauen trennen.

Wie haben Sie sich auf Ihre Rollen vorbereitet, insbesondere auf die emotionalen und physischen Herausforderungen nach einem Schlaganfall?

Ann-Kathrin Kramer: Da dieses Projekt über einen längeren Zeitraum gewachsen ist, hatte ich natürlich auch mehr Zeit, mich auf diese Rolle vorzubereiten. Dinge auszuprobieren und wieder zu verwerfen. Wir erzählen ja eine Entwicklung nach dem Schlag. Ich hatte im Vorfeld schon einen Rollstuhl und verschiedene Gehilfen zuhause, um zu probieren. Aber es ist natürlich nicht nur das Physische interessant. Die Psyche ist das eigentlich Spannende. Der Kontakt mit Betroffenen hat mir da sehr geholfen und ich bin dankbar für die große Offenheit, mit der man mir da begegnet ist. Denn natürlich war ein großer Teil meiner Fragen sehr intim.

Harald Krassnitzer: Der wichtigste Punkt während der Vorbereitung war, sich mit dem Umstand auseinanderzusetzen, dass bei so einem Impact auf das Leben einer Familie kein Stein auf dem anderen bleibt. Nichts mehr hat seine Gültigkeit. Für die betroffene Person ist es am schwierigsten. Sie hat den längsten Weg zurück in die Annäherung einer Normalität und auch die Angehörigen, also der Ehemann und das gemeinsame Kind, beginnen ein neues Leben oder um es vereinfacht zu sagen: Man ist nicht auf so eine Situation vorbereitet. 

Gab es besondere Techniken oder Methoden, die Ihnen geholfen haben, die emotionale Tiefe der Charaktere zu erreichen?

Ann-Kathrin Kramer: In erster Linie war das eine Rolle, wie man sie nur selten zu spielen bekommt und in der man auf sein ganzes Handwerkszeug als Schauspielerin zurückgreifen darf. Es war ein Suchen und Finden, harte Arbeit und ein großes Glück. 

Welche Erfahrungen oder Erkenntnisse haben Sie persönlich aus diesem Filmprojekt mitgenommen? Hat das Arbeiten an diesem Film Ihre Sichtweise auf Schlaganfälle und deren Auswirkungen auf Beziehungen und Familien verändert?

Ann-Kathrin Kramer: Natürlich macht es etwas mit einem, wenn man sich so intensiv mit einer Sache befasst. Das Verstehen und das Verständnis wächst. Es gibt doch dieses indianische Sprichwort: „Gehe hundert Schritte in den Schuhen eines anderen, wenn Du ihn verstehen willst“, das ist das Schöne an meinem Beruf, diese Möglichkeit zu haben.  

Harald Krassnitzer: Die spannendste Erfahrung war: Wann immer wir mit Menschen gesprochen haben, die als Angehörige oder selbst, als Patient, mit dieser Krankheit zu tun hatten, gab es zwei wesentliche Punkte, die immer wieder auftauchten: 1. Die Mühen, sich ins Leben zurück zu kämpfen, die Dimension, wie viele Menschen an so einem Prozess beteiligt sind, wieviel Angst, wieviel Trauer aber auch wieviel Kraft benötigt wird. 2. Alle die diesen Prozess durchgemacht haben und ihn positiv zu Ende gebracht haben (denn nicht jeder Schlaganfall wird geheilt, leider sterben viele daran, wenn nicht beim Ersten dann oft beim Zweiten), also alle, die ihn überwunden und sich ins Leben zurück gekämpft haben, strahlen etwas ganz Besonderes aus: Demut und ein bestimmtes Bewusstsein um jeden Atemzug hat man den Eindruck. Man hat das Gefühl als ob diese Menschen gelernt haben, mehr auf das Wesentliche zu schauen - und das sieht man bekannter Weise nur mit dem Herzen.

Wie haben Sie die Zusammenarbeit als Schauspielerpaar bei diesem Projekt erlebt? Gab es besondere Herausforderungen oder Vorteile, die sich aus Ihrer persönlichen Beziehung ergaben?

Ann-Kathrin Kramer: Wir haben diese Projekt sehr genossen und intensiv daran gearbeitet. Es war manchmal durchaus von Vorteil, dass wir uns gut kennen und bestimmte Wege in der Kommunikation einfach abkürzen können. In den Wochen dieser Dreharbeiten haben wir gefühlt ausschließlich darüber geredet und kein Privatleben gehabt.

Harald Krassnitzer: Wenn wir zusammen arbeiten sind wir kein Ehepaar. Wir sind Schauspieler, alles andere hat in der Arbeit nichts zu suchen. Unser Interesse liegt dann darin, eine gute Geschichte zu erzählen. 

Gab es spezielle Berater oder Experten, die Ihnen geholfen haben, die Rolle besser zu verstehen?

Ann-Kathrin Kramer: Ja natürlich. Es gab am Set eine medizinische Betreuerin, die ausschließlich auf mein Krankheitsbild und die verschiedenen Stadien geachtet hat. Sie war für mich wichtige Anlaufstelle und ein ganz klarer Fixstern. Aber auch viele andere Fachleute haben uns da begleitet. Nicht nur mich, sondern natürlich auch alle Anderen. 

Welche Szene war für Sie besonders herausfordernd und warum? Gibt es bestimmte Szenen oder Momente im Film, die Sie besonders bewegt haben?

Ann-Kathrin Kramer: Das sind in diesem Film einige Szenen. Genau genommen ist es der Film als Ganzes. Vor allem, weil wir ein so unfassbar tolles Ensemble hatten. Alle Kolleginnen und Kollegen sind mit ganzer Energie in dieses Thema eingestiegen und jede/r hat sich als Teil der Geschichte über Liebe, Freundschaft und ja, auch über Krankheit, verstanden.

Harald Krassnitzer: Es gibt eine Szene nach dem zweiten Schlaganfall. Die Beiden sitzen in einem Park der zur Reha-Klinik gehört und die Frau bittet ihren Mann darum, dass er ihr behilflich ist, zuerst versteht er nicht ganz was sie meint, dann wird ihm klar, dass es sich bei dieser Bitte um den Beistand zur Sterbehilfe handelt. Ich glaube, diese Szene war für uns die schrecklichste weil wir bis zu diesem Zeitpunkt noch nie darüber nachgedacht haben, dass wir endlich sind und darüber hinaus auch gar nicht so weit weg von dieser Endlichkeit. Das ist mir sehr nahegegangen und ich habe bis jetzt keine wirklich entschlossene Antwort auf diese Bitte.