Tod am Rennsteig "Haus der Toten" Patrick Orth (Kamera) und  Bernhard Conrad (Rolle: Jan  Kawig)
Patrick Orth (Kamera) und Bernhard Conrad (Rolle: Jan Kawig) Bildrechte: MDR/ARD Degeto/Oliver Feist

Fragen an Kameramann Patrick Orth

Ein Haus mit bedrohlicher Atmosphäre, etliche Szenen in der schönen historischen Altstadt Erfurts, der Thüringer Wald – wie bringen Sie die Drehorte optisch in Einklang? Welches Konzept liegt Ihrer Arbeit an „Haus der Toten“ zu Grunde?

Making Of: Tod am Rennsteig - Haus der Toten
Patrick Orth (Kamera), Kristin Suckow (Rolle: Annett Schuster), Bernhard Conrad (Rolle: Jan Kawig) und Team Bildrechte: MDR/ARD Degeto/Oliver Feist

Der visuelle Reiz des Films entsteht gerade durch die Kontraste zwischen den verschiedenen Schauplätzen und Welten des Films. Der Tatort, im Original die Villa Feodora mit ihrem Alpenstil wirkt wie ein faszinierender Fremdkörper im grünen Thüringer Wald. Während wir die historische Altstadt Erfurts u.a. mit der Krämerbrücke und Severikirche in freundlichen Bildern einfangen, arbeiten wir im Haus gezielt mit einer mystischen, bedrohlichen Atmosphäre. Diese Spannung zwischen der satten idyllischen Außenwelt und dem bedrückenden Tatort wird durch fließende erforschende Kamerabewegungen weiter verstärkt.

Es kommen bei „Haus der Toten“ viele filmische Techniken zum Einsatz, durch die sich das zentrale Motiv der Villa als Tatort so anfühlt, als sei es selbst ein Modell. Welche Rolle spielt der Blick durchs Fenster bei diesem Fokus auf das Haus?

Tod am Rennsteig - Haus der Toten  Das OFA-Team arbeitet mit einem Modell des Tatorts. V.l.: Cem Özbey (Ugur Kaya), Sabine Limmer (Berit Künnecke), Jan Kawig (Bernhard Conrad), Marion Dörner (Anne-Kathrin Gummich).
Das OFA-Team arbeitet mit einem Modell des Tatorts. V.l.: Cem Özbey (Ugur Kaya), Sabine Limmer (Berit Künnecke), Jan Kawig (Bernhard Conrad), Marion Dörner (Anne-Kathrin Gummich). Bildrechte: MDR/ARD Degeto/Oliver Feist

Neben verschiedenen Techniken fließender Kamerabewegungen, nutzen wir den Einsatz eines maßstabsgetreuen Modells des Hauses. Dies ermöglichte uns interessante Parallelschnitte: Während die Ermittler im echten Haus den Tathergang rekonstruieren, sehen wir eine ähnliche Rekonstruktion gleichzeitig im Kommissariat am Modell. Diese Technik verstärkt nicht nur das Verständnis für die räumlichen Zusammenhänge, sondern schafft auch zusätzliche visuelle Spannung.

Wie sind die Drohnen-Aufnahmen entstanden, wie haben Sie die Eingangsszene choreografiert?

Die Eröffnungssequenz ist eine komplexe, durchgehende Drohnenaufnahme, die den gesamten Tathergang von außen durch Blicke dokumentiert. Die Kamera schwebt dabei von Fenster zu Fenster und lässt die Zuschauer durch die Scheiben beobachten, wie der Täter-Schatten sich durch das Haus bewegt und die Morde begeht. Diese ungewöhnliche Perspektive verstärkt das Gefühl der Hilflosigkeit beim Zuschauer, der die Tat zwar mitverfolgen, aber nicht eingreifen kann. Aber er hat gewissermaßen einen Informationsvorsprung gegenüber den Ermittlern und kann deren Erkenntnisse im Laufe des Films mit seiner „Augenzeugenschaft“ abgleichen.

Tod am Rennsteig "Haus der Toten"
Drehort Villa Feodora Bildrechte: MDR/ARD Degeto/Oliver Feist

Wir haben die Choreografie des Tathergangs anhand der Architektur der Villa und der Beschreibungen des Drehbuches entwickelt. Die Kamera zeigt zunächst die beeindruckende Fassade mit ihren historischen Lüftlmalereien und Holzskulpturen, folgt dann dem Täter von Raum zu Raum durch die Fenster und begleitet schließlich seine Flucht auf dem Motorrad in den nebligen Thüringer Wald. Diese gesamte Sequenz wurde in einem einzigen, fließenden Drohnenflug choreografiert, was die Unmittelbarkeit und Brutalität des Geschehens unterstreicht. 

Welche Anforderungen bringt die filmische Arbeit mit einem so außergewöhnlichen Motiv wie der Villa Feodora mit sich?

Die Villa Feodora war sowohl eine besondere Herausforderung als auch eine einmalige Chance für unsere Bildgestaltung. Der unrenovierte Zustand des Inneren erwies sich als aufwendiger aber ebenfalls kreativer Glücksfall: Das Szenenbild-Department hatte die Freiheit, viele Räume neu zu gestalten und den Anforderungen unserer Geschichte anzupassen. So entstand im Erdgeschoss das italienische Restaurant der Familie Sardini, das durch seine romantische bis kitschige Einrichtung eine widersprüchliche Atmosphäre vermittelt. Die oberen Etagen wurden zu den privaten Wohnräumen der Figuren umgebaut, wobei jeder Raum die Persönlichkeit seiner Bewohner widerspiegelt. Besonders der geheime Schutzraum in dem sich die junge Rebecca versteckt, wurde so gestaltet, dass es die psychologische Dimension der Geschichte unterstreicht.

Die original erhaltenen historischen Elemente der Villa Feodora – die romantischen Lüftlmalereien und Holzskulpturen aus dem Jahr 1860 – boten dabei einen spannenden Kontrast zur düsteren Handlung im Inneren. Diese Kombination aus historischer Außenfassade im Schweizer Bauernhaus-Stil und Innenräumen stellte besondere Anforderungen an die Kameraarbeit: Wir wollten diese Aspekte des Hauses authentisch einfangen und gleichzeitig die bedrohliche Grundstimmung der Geschichte visuell transportieren.

Welche Seiten von Erfurt wollten Sie in dieser Folge visuell abbilden? Wie verstehen Sie die Umgebung von Thüringen als ausschlaggebend für die des Falls?

Tod am Rennsteig "Haus der Toten" Das Drehteam vor dem Dom.
Das Drehteam u.a. mit Patrick Orth (Kamera) vor dem Dom Bildrechte: MDR/ARD Degeto/Oliver Feist

Die verschiedenen Gesichter Thüringens spielen eine zentrale Rolle in unserer Bildsprache: Die historische Erfurter Altstadt mit Krämerbrücke und Severikirche zeigen wir in einladenden Bildern – sie repräsentieren die „heile Welt", die durch die Verbrechen erschüttert wird. Der Thüringer Wald hingegen, mit seinem dichten Grün und der mysteriösen Atmosphäre, wird zum Schauplatz für die dramatische Flucht des Täters. Die historische Ortschaft Witterda fügt eine weitere Ebene hinzu, deren Idylle im starken Gegensatz zu den Ereignissen am Tatort steht. Diese Orte werden abgerundet von einem modernen, nahezu futuristische Kommissariat, dass wir im Erfurter Stadtkern realisieren konnten. Diese Kontraste – zwischen urbaner Kultur und wilder Natur, zwischen touristischer Idylle und bedrohlicher Abgeschiedenheit – machen die Region für uns zum idealen Schauplatz für diesen Fall und zu einem aktiven Element der filmischen Krimi-Erzählung.

Tod am Rennsteig - Haus der Toten  Die Hauptermittler des OFA (V.l.: Bernhard Conrad, Kristin Suckow, Anne-Kathrin Gummich).
Die Hauptermittler des OFA (V.l.: Bernhard Conrad, Kristin Suckow, Anne-Kathrin Gummich). Bildrechte: MDR/ARD Degeto/Oliver Feist