Nach Bundestags-Rede Wagenknecht stellt Bedingung für Koalition - Thüringer CDU soll sich von Friedrich Merz distanzieren

21. Oktober 2024, 15:07 Uhr

Die Bundesvorsitzende des BSW Sahra Wagenknecht fordert vom möglichen Koalitionspartner CDU in Thüringen, sich vom eigenen Bundesvorsitzenden zu distanzieren. Das sei Bedingung für eine Zusammenarbeit. Sie reagierte auf eine Bundestagsrede von Unions-Chef Friedrich Merz zum Krieg in der Ukraine.

BSW-Bundeschefin Sahra Wagenknecht hat die Thüringer CDU aufgefordert, sich vom Bundesvorsitzenden der CDU, Friedrich Merz, zu distanzieren. Hintergrund ist eine Rede von Merz im Bundestag. Darin soll er laut Wagenknecht faktisch einen Kriegseintritt Deutschlands gegen Russland gefordert haben. Merz hatte gesagt, dass Deutschland auch Taurus-Marschflugkörper liefern müsse, wenn Russlands Präsident Putin nicht aufhöre, die Zivilbevölkerung zu bombardieren.

Friedrich Merz, CDU Bundesvorsitzender und CDU/CSU Fraktionsvorsitzender im Bundestag
Wagenknecht wirft Merz vor, mit seiner Rede "faktisch einen Kriegseintritt Deutschlands" gefordert zu haben. Bildrechte: picture alliance/dpa | Rabea Gruber

Wagenknecht sagte der ARD, die Landesregierungen müssten sich von einem solchen Kurs deutlich absetzen. Dies sei eine Bedingung für Koalitionen mit der Merz-geführten Union. Zuvor hatte die Politikerin bereits vor der Aufnahme von Koalitionsgesprächen ein Friedens-Vorwort zum Koalitionsvertrag verlangt.

Thüringer CDU sieht "unnötige Wortmeldungen aus Berlin"

Der stellvertretende Parteivorsitzende der CDU Thüringen, Christian Hirte, sagte dem MDR, offensichtlich störe Sahra Wagenknecht die pragmatische Politik in Thüringen. Ihre Forderungen würden immer abenteuerlicher. Friedrich Merz sei der Kanzlerkandidat der Partei und auf dem richtigen Kurs für Deutschland. Die CDU rede mit den Vertretern des BSW in Thüringen und sei dabei auf einem guten Weg. Dieser werde in den kommenden Tagen im Interesse Thüringens fortgesetzt - "am besten ohne weitere unnötige Wortmeldungen aus Berlin", ergänzte Hirte.

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Wagenknecht: Im Osten von großer Mehrheit unterstützte Position

Das BSW habe immer deutlich gemacht, dass es in einer möglichen Präambel zu einem Koalitionsvertrag die Forderung nach diplomatischen Bemühungen anstelle "endloser Waffenlieferungen" in die Ukraine verankern wolle. Auch eine Absage an die Stationierung von US-Mittelstreckenraketen in Deutschland müsse in das Papier.

Das, so Wagenknecht, seien Positionen, die im Osten von der großen Mehrheit der Menschen unterstützt würden. In Thüringen laufen derzeit ebenso wie in Sachsen Gespräche zwischen CDU, SPD und BSW über die Frage, ob die Parteien eine gemeinsame Landesregierung bilden können.

Sahra Wagenknecht
BSW-Chefin Sahra Wagenknecht möchte bei möglichen Koalitionen auf Landesebene mehr Bemühungen um friedliche Lösungen im Krieg zwischen Russland und der Ukraine. Bildrechte: picture alliance / Geisler-Fotopress | Bernd Elmenthaler/Geisler-Fotopr

Thüringer BSW will Vorschlag zum Friedens-Passus machen

Thüringens BSW-Chefin Katja Wolf geht davon aus, dass sich ihre Partei mit CDU und SPD auf ein Friedens-Bekenntnis noch in dieser Woche einigen kann. Wolf sagte dem MDR, Forderungen nach stärkeren Friedensbemühungen im Ukraine-Krieg müssten in den Koalitionsvertrag. Alle Beteiligten wüssten, dass dieses Thema dem BSW wichtig sei. Deshalb wolle man darüber als Erstes sprechen.

Auch der Co-Landesvorsitzende des BSW, Steffen Schütz, zeigte sich zuversichtlich und erklärte, dass seine Partei einen Formulierungsvorschlag für einen Passus zur Friedensfrage in der Präambel eines möglichen Koalitionsvertrags vorlegen wolle. Er verwies dabei auf die Landesverfassung, nach der Thüringen zum inneren und äußeren Frieden beitragen solle.

Sondierungsgespräche in Thüringen "vielversprechend"

Aus Kreisen der SPD und der CDU hieß es vergangene Woche, die Gespräche verliefen eigentlich vielversprechend, weil man sich vor allem auf Themen konzentriert habe, die die Landespolitik betreffen.

Welche Themen und Maßnahmen im Sondierungspapier stehen (zum Ausklappen):

Bildungspolitik: Verpflichtende Deutschtests vor Einschulung, Handyeinschränkungen

Das Papier nennt mehrere Themenbereiche, über die in Koalitionsverhandlungen gesprochen werden soll. Darunter sind etwa Bildung und Familie, Wirtschaft, Gesundheit und Pflege, Migration, Sicherheit und Justiz. Landwirtschaft, Finanzen und politische Kultur. In der Bildungspolitik soll es unter anderem um verpflichtende Deutsch-Tests vor der Einschulung, Nutzungseinschränkungen für Handys in der Kern-Schulzeit und die Vermittlung von Medienkompetenz sowie Demokratiebildung im Unterricht geben. Familien sollen unter anderem durch die Abschaffung von Hortgebühren und den Ausbau von Ganztagsangeboten für Schülerinnen und Schüler entlastet werden.

Wirtschaftspolitik: Transformationsfonds, Anwerbeoffensive für Ausländer, Energiemix

In der Wirtschaftspolitik werden unter anderem die Einrichtung eines Transformations-, Technologie- und Innovationsfonds für Mittelstand und Industrie und eine "konzentrierte Gründer- und Nachfolgeförderung" in Zusammenarbeit mit der Thüringer Aufbaubank, Sparkassen und Genossenschaftsbanken genannt. Die Meisterausbildung soll nach dem Willen der drei Parteien kostenfrei werden. Außerdem wollen die drei Partner eine Anwerbeoffensive für ausländische Fachkräfte und Auszubildende. In der Energiepolitik setzen CDU, BSW und SPD auf einen Energiemix aus Geo-, Bio-, Solar-, Wasser- und Windenergie und die Nutzung von Wasserstoff.

Gesundheitspolitik: Erhalt aller Krankenhaus-Standorte

In der Gesundheitspolitik wollen sich die drei Parteien unter anderem für den Erhalt aller Krankenhaus-Standorte einsetzen sowie für eine Übernahme der Investitionskosten für Pflegeeinrichtungen. In der Migrationspolitik wollen die drei Parteien einen "Richtungswechsel" herbeiführen und etwa die Kommunen durch eine Erhöhung der Aufnahmekapazität von Einrichtungen des Landes entlasten. Es soll eine zentrale Landesausländerbehörde geben, "die Aufnahme, Anerkennung, Integration und Rückführung bündelt".

Sicherheitspolitik: 1.800 neue Polizisten und Cyber-Sicherheitsagentur

In der Sicherheitspolitik wird etwa die Einstellung von 1.800 neuen Polizisten genannt. Die Polizei-Ausrüstung soll "auf den modernsten Stand" gebracht werden. Justiz und Justizvollzug sollen besser personell ausgestattet werden. Auch soll es eine Cyber-Sicherheitsagentur und eine Schwerpunktstaatsanwaltschaft für Cybercrime geben.

Auch BSW-Vertreter Tilo Kummer sprach von einem "fairen Umgang" miteinander. Ein wichtiger Streitpunkt wurde bislang indes ausgeklammert: die Forderungen Wagenknechts zu Waffenlieferungen und -stationierung. In einer gemeinsamen Erklärung hieß es: "Dem Thema Frieden in Europa werden wir in den kommenden Verhandlungen Raum verschaffen und mit einer Standortbestimmung im Rahmen einer möglichen Präambel gemeinsam begegnen".

Die CDU- und SPD-Spitzen im Bund geben ihren Landesverbänden zwar freie Hand bei der Regierungsbildung. Sie haben aber betont, dass die Westbindung Deutschlands, die Nato-Mitgliedschaft und die Ukraine-Hilfe nicht in den Bundesländern entschieden und infrage gestellt werden könnten.

AfD kritisiert Sondierungspapier

Auf Kritik stießen die Sondierungsergebnisse bei der Thüringer AfD. Der parlamentarische Geschäftsführer der AfD-Fraktion und Vize-Parteichef, Torben Braga, sagte MDR THÜRINGEN, die drei Parteien seien offenbar nur durch den unbedingten Willen ihrer Landesvorsitzenden zur Regierungsmacht verbunden.

Das BSW entpuppe sich endgültig als Mogelpackung und gehe gegen den Willen ihrer Bundesvorsitzenden in die Verhandlungen. Laut Braga fordern in der SPD zahlreiche Stimmen den Gang in die Opposition. Das scheine Landesparteichef Georg Maier nicht zu interessieren. Die CDU dürfte Braga zufolge viele ihrer Wähler und Mitglieder mit dieser erneuten Hinwendung nach Linksaußen enttäuschen.

In Thüringen hatten die Parteispitzen von CDU, BSW und SPD am Wochenende einem Sondierungspapier zugestimmt, das Voraussetzung für die Koalitionsgespräche ist. Danach könnte eine neue Thüringer Landesregierung gebildet werden.

MDR (ls/cfr)/Reuters

Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Nachrichten | 20. Oktober 2024 | 19:00 Uhr

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