Immaterielles Kulturerbe Mundgeblasener Christbaumschmuck aus Lauscha boomt in Krisenzeiten
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23. Dezember 2022, 05:00 Uhr
Sind die Zeiten hart, wollen es sich die Menschen schön machen. Nach zwei Weihnachten unter Corona-Bedingungen ist die Lust auf Weihnachten besonders groß. Auch wenn der traditionelle Christbaumschmuck aus Lauscha durch die Energiekrise teurer geworden ist, wird er fleißig gekauft.
Günther Horn ist in sechster Generation Glasbläser. Der lustige Mann unterrichtet an der Berufsfachschule Glas in Lauscha den Glasbläsernachwuchs. Christbaumschmuck ist für ihn das ganze Jahr ein Thema. Jetzt freut er sich auf Weihnachten - er "liebt es", wie er erzählt. Sein Baum ist Zuhause natürlich schon längst geschmückt.
Dass dieses Jahr ein gutes Jahr für die Glasbläser werden würde, wer konnte das ahnen? Krieg in der Ukraine, Explosion der Energiekosten, Inflation und Nachwirkungen von Corona. Es hätte einige Gründe gegeben, die dagegen sprechen.
In Krisenzeiten weiß man ja nie. Brechen die Verkaufszahlen ein? Stirbt das schöne Handwerk aus, weil die Leute kein Geld mehr haben? Das Gegenteil ist der Fall. Die Leute gönnen sich in diesen Zeiten unseren Christbaumschmuck.
Ganz leise im Hinterkopf hört Günther Horn gerade die Stimme seiner Großeltern. Sie hätten schon immer gesagt, dass sich der Christbaumschmuck in Krisenzeiten besonders gut verkaufe. Das habe sich nun wieder bewahrheitet.
Wir haben damals schon gesagt, wenn's sonst schlecht läuft und den Leuten nicht gut geht, dann wollen sie wenigstens ein schönes Fest haben.
Die Glasrohlinge, die die Schule in Größenordnungen braucht, haben sich vom vergangenen zu diesem Jahr im Preis verdoppelt. Horn schätzt, dass das pro Kugel locker vier, fünf Euro mehr ausmacht. Doch vielen mache der höhere Preis nichts aus, so der Anschein.
Farbglashütte Lauscha verzeichnet keine Umsatzeinbrüche
Bei Ines Zetzmann in der Farbglashütte sind schon am Mittag einige Kunden in der Weihnachtswelt unterwegs. Zwei unterhalten sich gerade auf Englisch. Zetzmann ist im Stress - aber voller Vorfreude auf Weihnachten. Da geht es ihr, wie ihren Kunden. Im Vergleich zu den Vorjahren (mit Corona) hat die Farbglashütte "jetzt wieder mehr Gäste", erzählt sie. "Natürlich vermissten alle Weihnachten und die Weihnachtsstimmung. Und eigentlich sehnt man sich wieder nach einem gemütlichen Zuhause." Die Kunden kämen gezielt, viele sammelten den Christbaumschmuck.
Die Kunden suchen gezielt die handgearbeiteten Sachen. Das hat sich an den Umsätzen nicht geändert. Wir haben keine Einbrüche, was ja schon mal gut ist, in dieser Zeit. Wir haben weniger Gäste, aber es wird mehr gekauft.
Zetzmann schätzt, dass die Preise insgesamt um etwa zehn Prozent gestiegen sind. Das liege an höheren Energie-, Material- und Personalkosten.
Anderthalb Jahre "Immaterielles Kulturerbe"
Dass der Christbaumschmuck so beliebt ist, liegt sicher auch am Einsatz von Lothar R. Richter und seinem kleinen Team. Dieses hat sich rund zwei Jahre lang darum gekümmert, dass die Unesco den mundgeblasenen Christbaumschmuck ins Verzeichnis des "Immateriellen Kulturerbes" aufnimmt. Der Titel brachte viele Berichte und viele Besucher. Zahlen gibt es nicht, aber jeder Artikel und jeder Beitrag schafft Aufmerksamkeit.
Zu Anja Fölsche ins Museum für Glaskunst in Lauscha kommen viele Besucher, die sich für die Herstellung und den Titel interessieren - auch beim "Kugelmarkt" sei die Nachfrage in diesem Jahr groß gewesen. "Wir erzählen dann über das Erbe - die alten Techniken, die überliefert worden sind und auch die Glasbläsereien und Betriebe haben an ihren Geschäften und Häusern Hinweisschilder, dass sie hier den mundgeblasenen Christbaumschmuck herstellen.
So haben es vor vielen Jahren auch die Großeltern von Lothar R. Richter gemacht - damals noch ohne Hinweis am Haus. Richter, der in der "Arbeitsstube" seiner Großeltern "aufgewachsen ist", in der sie "manchmal unter unsäglichen Bedingungen und mit wie viel Liebe Christbaumschmuck hergestellt haben", wollte mit dem Titel seinen Großeltern und allen, die Christbaumschmuck hergestellt haben und noch herstellen, ein "Denkmal setzen".
Meinen Großeltern und natürlich den vielen, vielen Christbaumschmuck-Herstellern, die über die vielen, vielen Jahre Baumschmuck hergestellt haben, ein Denkmal zu setzen - das war unser Anliegen. Der Christbaumschmuck aus Lauscha ist unsterblich.
Damit das so bleibt, braucht es nicht nur Kunden, die ihn kaufen - sondern auch Menschen, die ihn herstellen.
Gute Nachfrage bei Ausbildung
Mit insgesamt 14 Schülern ist das erste Lehrjahr an der Berufsfachschule Glas in Lauscha ein "starker Jahrgang". Vom Westerwald in den Thüringer Wald hat es dabei Donna Urd Appel verschlagen. Die 16-Jährige wusste nur, dass sie mit Glas arbeiten will. Bei der Recherche im Internet stieß sie schließlich auf Lauscha. "Ich musste erstmal auf Google Maps gehen und gucken, wo Lauscha ist. Ich wusste nicht, dass es in Thüringen liegt", erinnert sie sich. Hier angekommen, habe sie sofort gewusst - das ist es und hier will sie lernen.
Auch Fritzi Daub ist Schülerin im ersten Ausbildungsjahr. In einer Zeit, in der es üblich sei, "sich auch mal etwas Billiges zu holen, das in Massen hergestellt" wurde, sei es wichtig, dass das Glasbläser-Handwerk weitergegeben werde. Der Titel "Immaterielles Kulturerbe" helfe, aufmerksam zu machen.
Dass da Leute sind, die sich hinsetzen und das in mühsamer Handarbeit einzeln herstellen. Da können gerade solche Titel, solche Ehrungen helfen, Zuspruch zu geben. Das bedeutet uns hier auch viel zu wissen, dass das in dieser Weise geachtet wird.
Die Schüler und Lehrer der Glasfachschule sind nun in den Ferien. Die Glasbläser im Ort erledigen noch letzte Arbeiten und freuen sich dann selbst auch auf Weihnachten. Die letzten Kunden kaufen noch einige neue Kugeln für sich selbst oder suchen Geschenke. Wenn sonst überall Krise ist, soll wenigstens Weihnachten glänzend werden.
MDR (ifl)
Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Johannes und der Morgenhahn | 22. Dezember 2022 | 08:10 Uhr
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