Silvesternacht Thüringer Ärzte zurückhaltend bei Böllerverbot

29. Dezember 2022, 15:33 Uhr

Thüringer Notfallärzte reagieren zurückhaltend auf die Forderung nach einem Böllerverbot. Sie gehen trotz angespannter Personallage von einer beherrschbaren Silvesternacht aus. Nicht die Böller bereiten den Medizinern die größte Sorge.

Nach dem zweijährigen Böllerverbot und trotz angespannter Personallage aufgrund vieler Krankheitsausfälle sehen Thüringer Krankenhäuser der Silvesternacht vergleichsweise gelassen entgegen. In den Kliniken wird zudem eher zurückhaltend auf ein Verbot von privaten Silvesterböllern reagiert.

Größeres Verletzungsrisiko zu Silvester durch Alkohol

"Wenn jemand böllern möchte, dann wird er das auch tun", schätzt Dr. Ronald Kämpf ein. "Nach zwei Jahren Corona-Einschränkungen sollten die Menschen den Jahreswechsel auch wieder so begehen, wie sie es gewöhnt sind", sagt der Chefarzt der Notfallmedizin am SRH-Waldklinikum in Gera. Falls in Deutschland Böller verboten werden sollten, könne die Zahl illegaler Böller zunehmen.

Verletzungen durch zu viel Alkohol sieht er aus medizinischer Sicht als größeres Problem an als das Böllern. Auch durch Jugendliche, die zu viel trinken. "Aber Schulabschlüsse sind zuweilen schlimmer als Silvesternächte", schränkt er auch ein.

Geraer Notaufnahme behandelt rund 100 Patienten am Tag

In den vergangenen Wochen sei aufgrund der Krankheitswelle auch die Geraer SRH-Notaufnahme nicht voll besetzt gewesen. Zu Silvester gibt es aber wieder eine reguläre Besetzung. Trotzdem stellt nach Angaben von Kämpf die Krankheitswelle weiter eine hohe Belastung für die Mitarbeiter dar, vor allem erhöhe sich weiter der Aufwand, um die Patienten zu betreuen, etwa durch die Isolierung. In der letzten Nacht des Jahres hätten wie auch sonst drei Chirurgen und drei Unfallchirurgen Dienst. "Das hat seit 25 Jahren gut funktioniert", erklärt Kämpf. Geplante Operationen fänden wie auch in den Jahren zuvor nicht zwischen den Feiertagen statt.

Rund 100 Patienten pro Tag werden in der Notaufnahme des SRH-Waldklinikums, das rund 1.000 Krankenhaus-Betten betreibt, behandelt. Zu Silvester rechnet Kämpf mit etwa zehn Prozent mehr Patienten. Zwar würden erste Verletzungen schon nach 22 Uhr in der Notaufnahme behandelt. Viele Patienten kämen aber auch erst am Neujahrstag, berichtet er aus seiner 25-jährigen Erfahrung als Notfallmediziner. Die Art oder Schwere der Verletzungen habe sich über die Zeit nicht grundsätzlich verändert, auch wenn im vergangenen Jahr ein Mensch durch Silvesterraketen tödlich verletzt wurde, wie Kämpf berichtet.

Der hohe Alkoholgenuss ist das Problem.

Thomas Breidenbach St. Georg-Klinikum Eisenach

Betten in Abteilung für Inneres in Eisenacher Klinik fast voll belegt

Thomas Breidenbach, Geschäftsführer des Eisenacher St. Georg-Klinikum, vermutet, dass Notaufnahmen durch ein Verbot von Feuerwerk zu Silvester nicht erheblich entlastet würden. Das Problem aus seiner Sicht sei eher, dass gefeiert und dabei oft reichlich getrunken werde. "Der hohe Alkoholgenuss ist das Problem", erklärt er.

Zwar müsse das Klinikum aufgrund seiner Einstufung immer auf viele Patienten vorbereitet sein, trotzdem sei das Krankenhaus vor allem auf der Station für Inneres aktuell außergewöhnlich hoch belegt. Normalerweise "ist zwischen Weihnachten und Neujahr das halbe Krankenhaus leer", sagt Breidenbach. Gegenwärtig seien jedoch mehr als 70 Prozent der rund 500 Betten belegt, die Station für Inneres sogar zu 95 Prozent. Am Mittwoch gab es noch zwei leere Betten auf der Station, in der auch Patienten mit Lungen- oder Infektionserkrankungen behandelt werden.

In den Vorjahren war das Krankenhaus durch die schwer erkrankten Corona-Patienten stark belegt. "Vor wenigen Wochen hätte ich noch prognostiziert, dass jetzt die Hälfte der Betten frei ist", beschreibt Breidenbach die aktuelle Lage nach dem Rückgang der Corona-Patientenzahl.

Trotz der vielen Patienten sind nicht mehr Ärzte zu Silvester im Eisenacher St. Georg Klinikum im Einsatz. Denn wenn diese danach frei hätten, würden die anderen Mitarbeiter umso mehr belastet, begründet Breidenbach. Stattdessen werden planbare Operationen üblicherweise ins neue Jahr verschoben, um die Ärzte, Pfleger und Krankenschwestern nicht noch zusätzlich zu belasten. Und noch etwas kommt dem Krankenhaus aktuell zugute - die Temperaturen: "Wir haben gerade keine Minustemperaturen, kein Glatteis - und damit keine Unfälle, die wir behandeln müssen", sagt Breidenbach.

Infektionswelle bei Mitarbeitern in Erfurter Klinik geht zurück

Rein aus medizinischer Sicht erwartet Dr. Tobias Ulonska, Leitender Arzt in der Notaufnahme am Katholischen Krankenhaus in Erfurt, bei einem deutschlandweiten Böllerverbot zwar etwas weniger Verletzungen. Trotzdem hat auch er über die Jahre die Erfahrung gemacht, dass es zu Silvester im Unterschied zur Zahl der Verbrennungen mehr Verletzte aufgrund von zu viel Alkohol bei jüngeren Menschen gibt. Bei schwereren Verletzungen, etwa bei Knalltraumata, am Auge oder bei Verbrennungen arbeitet das Katholische Krankenhaus mit dem Erfurter Helios-Krankenhaus zusammen.

Vor drei bis vier Wochen war die Situation bei den Krankheitsfällen angespannter.

Tobias Ulonska Leiter der Notaufnahme am Katholischen Krankenhaus in Erfurt

Im Katholischen Krankenhaus, das rund 400 Betten vorhält, sind zu Silvester ebenfalls nicht mehr Ärzte oder Krankenschwestern im Einsatz als sonst. Ulonska rechnet in der Silvesternacht mit zehn bis 20 Prozent mehr Patienten, vor allem zwischen 22 und 2 Uhr. "Das können wir gerade noch abfedern", erklärt er. Die Belastung durch Krankheitsfälle bei den Mitarbeitern aufgrund der Infektionskrankheiten gehe gegenwärtig wieder etwas zurück: "Vor drei bis vier Wochen war die Situation bei den Krankheitsfällen angespannter." Aktuell würden zudem deutlich weniger Covid-Patienten aufgenommen - dafür aber weiter mehr Grippe-Fälle.

Privates Böllerverbot wegen Müll und Gesundheitsschäden gefordert

In den vergangenen beiden Jahren war das Böllern aufgrund der Einschränkungen durch die Corona-Pandemie verboten, um die Krankenhäuser nicht zu überlasten. Dies ist nicht mehr der Fall. Die Deutsche Umwelthilfe fordert zusammen mit mehreren Tierschutzverbänden ein Verbot von privatem Silvesterfeuerwerk, um die Umwelt, die Gesundheit von Tieren und Menschen zu schützen. Sie verweist dabei unter anderem auf die hohe Feinstaubbelastung, Tausende Tonnen unnötigen Müll, Verletzungen und den Lärm, dem Haustiere, aber auch Kühe, Pferde oder Vögel ausgesetzt sind.

Auch die Bundesärztekammer und die Gewerkschaft der Polizei sprechen sich für eine starke Einschränkung der Silvesterknallerei. Ärztekammer-Präsident Klaus Reinhardt spricht etwa von etwa 8.000 Verletzungen des Innenohres, die jedes Jahr zu beklagen seien, manche mit Dauerschädigung. Bis einschließlich 31. Dezember können Böller und Raketen gekauft werden.

Sorge bei Feuerwehren vor Jahreswechsel Thüringens Feuerwehren blicken mit Sorge auf den Jahreswechsel: Der Feuerwehrverband geht nach zwei Pandemie-Silvestern mit Feuerwerksverboten von einem Nachholeffekt beim Abbrennen von Silvesterraketen aus, wie Vorstandsmitglied Michael Schwabe am Donnerstag auf Anfrage sagte. "Der eine oder andere wird wohl mehr in die Böllerei investieren." Zudem sei das angekündigte stürmische Wetter ein Risiko beim Feuerwerk. "Das kann gefährlich werden, wenn die Raketen durch starken Wind abgetrieben werden." Schwabe rechnet über den Jahreswechsel mit mehr Feuerwehreinsätzen als in den beiden Vorjahren.

Die Feuerwehren organisierten für die Silvesternacht einen Ruf-Bereitschaftsdienst oder stellten Bereitschaftsgruppen auf, sagte Schwabe. Angesichts der Brandgefahr für Denkmäler oder historische Innenstädte durch Silvesterraketen haben mehrere Städte in Thüringen Feuerwerksverbote in gefährdeten Gebieten erlassen. Im Freistaat liegt die Brandbekämpfung überwiegend in den Händen freiwilliger Einsatzkräfte - nur größere Städte wie etwa Erfurt oder Jena verfügen über Berufsfeuerwehren.

MDR (rom)/dpa

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Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Johannes und der Morgenhahn | 29. Dezember 2022 | 08:50 Uhr

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