Der Redakteur | 15.05.2023 Welche exotischen Tiere darf man in Thüringen privat halten?

15. Mai 2023, 17:00 Uhr

Nach dem Tod von Horst, dem ausgerissenen Känguru aus Erfurt, entbrannte eine Diskussion darüber, was eigentlich erlaubt ist in Sachen exotischer Tierhaltung. Welche Tiere darf man denn eigentlich halten? Um es vorwegzunehmen - Horst gehörte nicht zu den gefährlichen oder gefährdeten Tieren. James Brückner vom Deutschen Tierschutzbund fordert trotzdem ein Umdenken und einheitliche Regeln.

Thomas Becker
Bildrechte: MDR/Christoph Falkenhahn

Nach dem Tod von Känguru Horst ist auf der MDR THÜRINGEN-Facebookseite eine wilde Diskussion darüber entbrannt, welche exotischen Tiere man in Thüringen halten darf, wenn man z.B. keinen Zoo betreibt.

In Thüringen sind die Regeln bezüglich des Haltens "exotischer Tiere" durchaus etwas strenger als in einigen anderen Bundesländern. Im "Gesetz zum Schutz der Bevölkerung vor Tiergefahren" sind zum Beispiel die Tierarten genannt, die als gefährlich eingestuft wurden. Wer ein solches Tier halten will, braucht eine Erlaubnis und das nun schon seit 2011.

Gifttiergesetz gegen überforderte Halter

Erst Anfang 2021 hat das Land Nordrhein-Westfalen ein vergleichbares Gifttiergesetz erlassen. Man hat sich viel Mühe gegeben bei dem Gesetz und - wie es eigentlich auch üblich sein sollte - auch Einrichtungen um Stellungnahmen gebeten, die sich am Ende mit den Tieren beschäftigen müssen, die von ihren Haltern nicht mehr zu halten waren.

Auch die Reptilien-Auffangstation im hessischen Sontra, zuständig für Hessen und Thüringen, wurde um eine solche Stellungnahme gebeten, weil sie eine Außenstelle in NRW unterhält. Die Fachleute waren auch schon im Vorfeld des Thüringer Gesetzes beratend tätig. Die erste Empfehlung an die Gesetzgeber in NRW: Lasst die Fachleute ran!

"Nach den bisherigen Erfahrungen raten wir dringend zur Schaffung einer zentralen Koordinierungsstelle, da die anderweitigen Behörden (Artenschutzbehörden/Veterinärbehörden) mit der Abwicklung derartiger Tiere regelmäßig aufgrund mangelnder Ausbildung im Umgang mit derartigen Tieren überfordert sind." Stellungnahme der RAS-Zoo gGmbH zum NRW-Gifttiergesetz

Denn es gibt nach wie vor Bundesländer wie Sachsen, die das Problem an die Kommunen weiterreichen. "Das werde auf kommunaler Ebene geregelt", hieß es auf eine MDR THÜRINGEN-Anfrage seitens der Landesdirektion Sachsen. Den kontrollierenden Behörden würde die Arbeit auch deutlich erleichtert werden, wenn sie nicht bei jedem auffällig gewordenen Tierchen schauen müssen, ob es denn unter ein Verbot fallen könnte. Man müsse die Angelegenheit umdrehen, so James Brückner vom Deutschen Tierschutzbund: Erlaubt sein darf nur noch, was ausdrücklich erlaubt ist.  

Ein "Haariger Dickschwanzskorpion"
Ein "Haariger Dickschwanzskorpion" ist zum Beispiel in Namibia heimisch. Bildrechte: imago/blickwinkel

Positivliste: Diese Tiere sind in Thüringen erlaubt

Es ist nun müßig, darüber zu diskutieren, was man höher gewichtet: Das Tierwohl oder die Gefahr, die von einigen exotischen Tieren ausgeht. Was die Gefahr angeht, gibt es in Thüringen quasi eine Negativliste. Das heißt: Für die Tiere, die im Thüringer Gesetz zum Schutz der Bevölkerung vor Tiergefahren verzeichnet sind, gelten besondere Regeln bis zu einer Erlaubnis, sie überhaupt halten zu dürfen. Kängurus sind - wie gesagt - nicht darunter.

Hier sind aber zum Beispiel Bären, Ameisenbären, Mardern, Hyänen, Großkatzen, Ohren- und Rüsselrobben, Elefanten, Nashörnern, Flusspferden, Affen, Nattern, Seeschlangen, Ottern und verschiedene Echsen, Waranen und Schildkröten aufgelistet.

Hyäne im Zoo Leipzig
Hyäne im Zoo in Leipzig. Hier geht das. Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Besitzer häufig überfordert

Das bedeutet auch: Der Hai im Pool, der Alligator im Garten, die Giftspinne im Terrarium landen eben häufig in den Auffangstationen oder Tierheimen, weil ihre Besitzer überfordert sind, die Tiere ausgebrochen waren oder ausgesetzt bzw. behördlich beschlagnahmt wurden.

Sachkundenachweis und Führungszeugnis

Die Zuständigkeit der Bundesländer ist unterm Strich hier nicht sonderlich hilfreich, weil exotische Tiere in Thüringen bekanntlich genauso wenig heimisch sind wie bei unseren Nachbarn in Sachsen oder auch in Brandenburg. Dort fehlt eine vergleichbare Regelung, während die Halter im benachbarten Berlin einen Sachkundenachweis benötigen, alternativ einen entsprechenden Ausbildungsabschluss und dazu noch ein Führungszeugnis, gelten in Brandenburg nur die ganz allgemeinen Tierschutz- und Meldeverordnungen, schreibt der rbb.

Keine Wildtiere in Privathaushalten

Wegen dieses Flickenteppichs fordert der Tierschutzbund schon lange, die Regelungen zu vereinheitlichen und Wildtiere in Privathaushalten grundsätzlich einzuschränken und zu untersagen. In einem nächsten Schritt könne man dann schauen, unter welchen Umständen Ausnahmen zulässig sind mit Blick auf Sachkunde und Artenschutz. Das wäre eben die Positivliste, die viel einfacher handhabbar wäre als die aktuelle Regelung mit den Verboten/Einschränkungen bei diversen Tierarten.

Beispielsweise müssen die Halter solche Tiere sachkundig sein oder an speziellen Artenschutzprogrammen teilnehmen.

James Brückner, Leiter des Referats für Artenschutz beim Deutschen Tierschutzbund

Was das grundsätzliche Tierwohl betrifft, hat das für den Tierschutz zuständige Thüringer Gesundheitsministerium schriftlich mitgeteilt, dass im einschlägigen Tierschutzrecht grundsätzlich keine Haltungsverbote für bestimmte Tierarten enthalten sind. Daher besteht für den Vollzug keine Möglichkeit, ein grundsätzliches Haltungsverbot für einzelne Tierarten (im Sinne einer Positiv- oder Negativliste) auszusprechen. Abgesehen davon seien aber gemäß Tierschutzgesetz gehaltene Tiere angemessen zu ernähren, zu pflegen und verhaltensgerecht unterzubringen.

Alleine das erfordere bei einigen exotischen Wildtierarten außerordentlich viele Ressourcen, was eine Haltung im Normalfall für Privatpersonen nicht möglich mache. Und es ist auch nicht so, dass jeder politische Vorstoß am Ende auch zum Ergebnis führt. Es gab 2021 einen Entwurf für eine verbesserte Tierhaltung in Zirkusbetrieben. Ziel war es, die Zurschaustellung einzelner Tierarten langfristig zu unterbinden, die in Bezug auf eine artgerechte Haltung anspruchsvoll sind. Auch wären die Anforderungen an die Haltungsbedingungen von Tieren in Zirkusbetrieben konkretisiert worden.

Thüringen hat 2021 im Bundesrat einem Entwurf für eine Tierschutz-Zirkusverordnung des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft nach Maßgabe von Änderungen zugestimmt. Leider hatte sich die erforderliche absolute Mehrheit nicht gefunden, sodass das Rechtsetzungsverfahren nicht fortgeführt wurde.

Stellungsnahme Thüringer Ministerium für Gesundheit

Artenschutz und Ausweis

Das Washingtoner Artenschutzabkommen (CITES) regelt den Handel mit gefährdeten Arten freilebender Tiere und Pflanzen. Verstöße werden in der Regel öffentlichkeitswirksam vom Zoll entdeckt, wenn in irgendwelchen Behältnissen Tiere auftauchen, die aus verschiedenen Beweggründen eingeführt werden sollten. Das Bundesamt für Naturschutz klärt über die recht bürokratischen Abläufe auf, die letztlich bis zu den CITES-Papieren führen, die ein Tier haben muss, wenn es Teil des Artenschutzabkommens ist.

Nur der Ausweis alleine ist noch keine Garantie, dass es dem Tier am Ende auch gut gehen wird. Nicht überall in Deutschland muss eben nachgewiesen werden, dass man sachkundig ist und die Bedingungen erfüllt, bei denen man von einer artgerechten Haltung sprechen kann. Wobei das bei Wildtieren ohnehin immer die Frage ist, wie "artgerecht" definiert ist. Auch bei aus Menschen-Sicht bester Haltung sind die Tiere schließlich nicht freiwillig ins Gehege gekommen oder nach Europa eingereist.

Känguru Horst und seine Freunde

Nun kann man unterstellen, dass ein Wildtier in der Wildnis am besten aufgehoben ist, auch wenn es Beispiele gibt, die zeigen, dass auch Tiere in Gefangenschaft lange und artgerecht leben können. Mitunter länger als in freier Wildbahn, weil die Todfeinde fehlen. Wie Raubtiere, Autos oder eben Züge. Horst, das Känguru aus Erfurt, hatte Pech.

In Mecklenburg-Vorpommern dürften nach wie vor Artgenossen von Horst heimisch sein. Vor rund 20 Jahren hatten Unbekannte im Zoo von Burg Stargard die Türen eines Streichelgeheges geöffnet und die Bennett-Kängurus förmlich rausgeprügelt. Die Tiere haben sich dann in freier Wildbahn vermehrt.

Papagei
Papageien sind seit den 1970er-Jahren durch eine unfreiwillige Befreiungsaktion im Rhein-Main-Gebiet "heimisch". Bildrechte: colourbox

Ähnlich ist es auch im Rhein-Main-Gebiet. Dort sind es allerdings verschiedene Papageien, die frei leben. Deren Vorfahren sind wohl in den 1970er-Jahren ausgerissen. Für Menschen gehen von beiden Tierarten keine akuten Gefahren aus. Aber invasive Arten - seien es Pflanzen oder Tiere - haben häufig Auswirkungen auf unsere heimische Tier- und Pflanzenwelt. Und auch das ist ein Problem, das viele nicht auf dem Zettel haben, wenn sie sich Tiere zulegen, die ihnen dann im wahrsten Sinne des Wortes oder im übertragenen Sinne über den Kopf wachsen. 

MDR (ifl)

Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Ramm am Nachmittag | 15. Mai 2023 | 16:40 Uhr

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