"Colonia Dignidad" Kritik an Bundesregierung: Ramelow pocht auf Opfer-Gedenken in Chile

07. Januar 2023, 16:10 Uhr

Thüringens Ministerpräsident Ramelow hat die Bundesregierung für den Umgang mit Opfern der deutschen Sekte "Colonia Dignidad" in Chile gerügt. Er kritisierte unter anderem, dass sich die geplante Gedenkstätte verzögere. Ramelow hatte als Bundesratspräsident erst im Herbst das Sektengelände besucht.

Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linker) kritisiert die Bundesregierung für ihren Umgang mit dem Gedenken an die Opfer der deutschen Sekte "Colonia Dignidad" in Chile. In einem Brief an das Auswärtige Amt beschwert sich Ramelow darüber, dass sich die geplante Gedenkstätte weiter verzögere. Zu seinem "Bedauern" und "Unverständnis" habe die vom Bundestag eingesetzte Kommission ihre Arbeit beendet. Ramelow schreibt in dem MDR THÜRINGEN vorliegenden Brief, er werbe nachdrücklich dafür, "die offenbar bereits getroffene politische Entscheidung noch einmal zu überdenken". Eine Anfrage unserer Redaktion zum Ende der Arbeit der Expertengruppe an das Auswärtige Amt blieb am Samstag zunächst unbeantwortet.

Ramelow sagte MDR THÜRINGEN auf Nachfrage am Samstag, ein Grund für das mögliche Aus seien unterschiedliche Interessen verschiedener Opfergruppen in Chile. Doch daran dürfe das Vorhaben nicht scheitern, vielmehr müssten alle an einen Tisch gebracht werden. Deutschland müsse sich seiner Verantwortung gegenüber den Opfern und den dort lebenden deutschen Staatsbürgern stellen.

"Colonia Dignidad": Konzept für Gedenkort erarbeitet

Zu dem Expertengremium gehörte auch der Leiter der Thüringer KZ-Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora, Jens-Christian Wagner. Wagner sagte MDR THÜRINGEN am Samstag, er habe Mitte November nur indirekt über Chile von der Auflösung der Kommission erfahren. Das Auswärtige Amt habe ihm nichts offiziell mitgeteilt. Mit einer deutschen Kollegin und zwei chilenischen Wissenschaftlern habe er seit 2016 ein Konzept für ein Dokumentationszentrum sowie einen Gedenkort erarbeitet und schließlich offiziell vorgestellt. Alle Opferverbände hätten den Plänen zugestimmt.

Somit müssten nun im zweiten Schritt die fertigen Pläne umgesetzt und eine gemeinsame deutsch-chilenische Trägerschaft gefunden werden. Nach einem Bericht des "Spiegel" könnte sich dies nun über Jahre hinziehen. "Es wäre sehr schade und unnötig, wenn jetzt komplett von vorn begonnen würde", so Wagner. Ein Auslöser für das Ende der Kommission sieht Wagner im Regierungswechsel auf chilenischer Seite, bei dem die in das Thema eingearbeiteten Regierungsbeamten ausgetauscht worden seien.

Der Linke-Politiker war im Oktober als Bundesratspräsident nach Chile gereist. Dort hatte er trotz Abratens des Auswärtigen Amtes das Gelände der "Colonia Dignidad" besucht und mit Opfervertretern gesprochen.

Ramelow beschwert sich über Beamte des Auswärtigen Amtes

Laut Ramelow soll sich ein Referatsleiter des Auswärtigen Amtes im Gespräch mit Siedlern über ihn und den Besuch abfällig und in ehrrühriger Weise geäußert haben. In seinem Brief schreibt Ramelow, der Beamte habe ihn demnach als "aufgeblasenen Pfau" und seinen Besuch als "Wahlkampf und Selbstdarstellung" bezeichnet. Zuvor hatten das Magazin "Der Spiegel" und die "Thüringer Allgemeine" über die Auseinandersetzung berichtet.

Ramelow wirft dem Auswärtigen Amt zudem Kommunikationsdefizite vor. Nur über seine direkten Kontakte mit Opfergruppen und Bewohnern in Chile habe er überhaupt davon erfahren, dass die Arbeit an dem Gedenkkonzept infrage stehe. Vom Außenministerium habe er dann nur "unbefriedigende Antworten" erhalten. Ramelow sagte, alles sei für ihn derzeit "schwer fassbar". Er habe das Gefühl, die Verantwortlichen wollten sich der Situation nicht stellen. Vor Ort hätte ein Vertreter des Auswärtigen Amtes Opfervertretern gesagt, Mitglieder der eingesetzten Gedenkkonzept-Kommission seien "geschasst worden".

Was war die "Colonia Dignidad"?

Die "Colonia Dignidad" hatte der Deutsche Paul Schäfer zusammen mit weiteren geflohenen Auswanderern 1967 in Chile gegründet. In der Folge lockten sie Minderjährige in die Sektenkolonie, hielten sie gegen den Willen der Eltern dort fest und misshandelten sie sexuell.

Der chilenische Geheimdienst folterte und ermordete auf dem Gelände politische Gegner. Paul Schäfer wurde erst im Jahr 2005 verhaftet und wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern und Körperverletzung verurteilt. Im Alter von 88 Jahren starb er 2010 in Haft.

MDR (kah/dst)

Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Nachrichten | 07. Januar 2023 | 14:00 Uhr

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