Abgeordnete sitzen im Plenarsaal des Landtages beim Sonderplenum mit Beschluss des Landeshaushalts für 2023.
Im Thüringer Landtag findet der Mafia-Untersuchungssausschuss statt. (Archivbild) Bildrechte: picture alliance/dpa | Bodo Schackow

Mafia-Untersuchungsausschuss Abgehörtes Telefonat sorgt für Wirbel im Landtag

01. März 2023, 00:41 Uhr

Ein Telefonat aus dem Jahr 2001 hat am Dienstag die Thüringer Landespolitik beschäftigt. Damals hatte ein Amtsrichter mit einem Anwalt aus Erfurt gesprochen – es soll auch um die Überwachung mutmaßlicher Mafia-Mitglieder gegangen sein. Der Richter war offenbar mit einem Gastronom befreundet, der dem 'Ndrangheta-Umfeld zugerechnet wurde. Im Landtag ging es nun um die Frage, was aus dem Telefonat bekannt werden sollte.

Im Mafia-Untersuchungsausschuss des Thüringer Landtages hat es einen scharfen juristischen Schlagabtausch zwischen einigen Ausschuss-Mitgliedern und der Thüringer Landesregierung gegeben. In dem Streit ging es um das Verlesen eines abgehörten Telefongespräches zwischen einem ehemaligen Richter des Amtsgerichts Erfurt und einem Erfurter Anwalt.

Landtagssitzung wird unterbrochen

Das Thüringer Justizministerium versuchte, die Verlesung des Protokolls zu verhindern, und begründete dies damit, dass es sich um ein Mandanten-Gespräch gehandelt habe. Dieses unterliege einem besonderen Schutz des Vertrauensverhältnisses zwischen Mandant und Anwalt.

Die Obfrau der Linken im Ausschuss, Katharina König-Preuss (Linke), argumentierte, dass es sich nicht um ein direktes Mandantengespräch gehandelt habe. Der fragliche Richter habe bei dem Anwalt angerufen, weil ein italienischer Gastronom ihn um Hilfe gebeten hatte. Damit sei das Gespräch, so König-Preuss, kein direktes Mandantengespräch gewesen.

Nach einer hitzigen Auseinandersetzung wurde die öffentliche Sitzung unterbrochen und hinter verschlossenen Türen weiter debattiert. Nach MDR THÜRINGEN-Informationen gab es dann eine interne Abstimmung im Ausschuss, bei der sich die Vertreter von Rot-Rot-Grün gegen das Votum der CDU durchsetzten. Die Vertreter der AfD-Fraktion hatten sich bei der Abstimmung enthalten.

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Gastwirt bittet Richter um Hilfe

In dem fraglichen Überwachungsprotokoll hatte der Amtsrichter am 12. Juni 2001 einen inzwischen verstorbene Erfurter Anwalt kontaktiert. Zuvor hatte sich der italienische Gastwirt an den Richter gewandt und ihn um Hilfe gebeten. Gegen den Italiener, der von den Ermittlungsbehörden dem Umfeld der kalabrischen Mafia-Organisation 'Ndrangheta zugerechnet wurde, gab es damals in Thüringen ein Ermittlungsverfahren wegen Drogenhandels und Drogenbesitzes. Aus dem Protokoll geht hervor, dass der Richter und der ebenfalls inzwischen verstorbene Gastronom sich offensichtlich näher kannten und befreundet waren.

In dem Telefonat sprachen der Anwalt und der Richter auch über Überwachungen von mutmaßlichen Mafia-Mitgliedern in Erfurt. In einer Äußerung des Richters besteht der Verdacht, dass er möglicherweise ein Dienstgeheimnis an den Rechtsanwalt verraten haben könnte. Mitgeschnitten wurde dieses Telefonat im Rahmen der Mafia-Operation Fido, in der die Staatsanwaltschaft Gera, das Bundeskriminalamt und das Thüringer Landeskriminalamt zwischen 2000 und 2006 gegen eine Mafia-Zelle der 'Ndrangheta in Erfurt ermittelten.

Was geschah mit dem Telefonmitschnitt?

An den Ermittlungen damals beteiligt war unter anderem eine BKA-Beamtin, die am Dienstag im Mafia-Untersuchungsausschuss befragt wurde. Sie hatte damals das fragliche Telefonat zwischen dem Richter und dem Anwalt an die Staatsanwaltschaft Gera weitergeleitet. Damit die Umstände dieser Übermittlung geklärt werden konnten, wurde das fragliche Telefonprotokoll in öffentlicher Sitzung verlesen. Die Beamtin erklärte, dass sie nicht wisse, was die Staatsanwaltschaft mit den Informationen gemacht habe. Es bleibt daher weiter unklar, ob damals gegen den Amtsrichter ein Verfahren unter anderem wegen Geheimnisverrats eingeleitet wurde.

Die Beamtin klärte den Ausschuss auch über die Entstehung des Operationsnamen Fido auf. Demnach habe sie mit einer Kollegin zu Beginn des Verfahrens in einem italienischen Wörterbuch nach dem erstbesten Wort gesucht. Das erste sei zu kompliziert gewesen, dann hätten sie als zweites das Wort Fido entdeckt und das habe gepasst. Auf Deutsch bedeutet Fido "Vertrauter".

Keine Festnahme, kein Gerichtsverfahren

Der Mafia-Untersuchungsausschuss prüft mutmaßliche Verbindungen von Politik, Justiz oder Verwaltung in Thüringen zur italienischen Mafia, die unter anderem in Erfurt, Eisenach, Weimar oder Arnstadt aktiv sein soll. Zudem geht es im Ausschuss um die Frage, warum sämtliche operative Aktionen der Polizei im Fido-Verfahren 2002 beendet wurden.

MDR THÜRINGEN und die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" hatten im Februar 2021 berichtet, dass offenbar ein Behördengerangel um den Einsatz eines verdeckten Ermittlers zum Ende der Operationen geführt haben könnte. Das Verfahren wurde schlussendlich offiziell 2006 von der Staatsanwaltschaft Gera eingestellt, ohne eine einzige Festnahme oder ein Gerichtsverfahren.

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Zwei Jahre lang spürten Ludwig Kendzia und Axel Hemmerling der 'Ndrangheta nach; Sie trafen Ermittler und reisten nach Italien. Wie man gegen die Mafia recherchiert, erzählen sie im Interview mit Andreas Kehrer.

Das Erste Mo 22.02.2021 22:50Uhr 38:44 min

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Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Nachrichten | 24. November 2022 | 22:00 Uhr

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