Landtagswahl 2024 Erstwähler: Das bewegt junge Menschen in Thüringen
Hauptinhalt
30. August 2024, 15:30 Uhr
1,7 Millionen Menschen dürfen diesen Sonntag in Thüringen den neuen Landtag wählen. Unter ihnen sind auch 80.000 Erstwählerinnen und Erstwähler. MDR THÜRINGEN hat drei von ihnen getroffen und sich mit ihnen über ihre Themen und Wünsche an die Politik unterhalten.
In Arbeitshose und blauem T-Shirt läuft Jonas Schmutzler in den Kuhstall des Landwirtschaftsbetriebs, bei dem er arbeitet. Neugierig strecken die schwarz-weiß gefleckten Tiere ihre Köpfe aus den Gittern. Jonas geht in die Hocke - eine Kuh schleckt sofort seine Hand ab.
Menschen in Städten und auf dem Land berücksichtigen
Man merkt, dass der junge Landwirt sich wohl fühlt auf dem Hof in Reinstädt im Saale-Holzland-Kreis, auf dem er auch schon seine Ausbildung gemacht hat. Mit 16, direkt nach der Regelschule. Seit diesem Jahr ist er ausgelernt, jetzt bildet er sich noch weiter zum Agrarfachwirt. Er wohnt nur 500 Meter vom Hof entfernt bei seinen Großeltern.
Für die Landtagswahl in Thüringen wünscht er sich, dass links und rechts mehr miteinander sprechen und bereit sind, auch miteinander zu koalieren. Eine Koalition aus Linken und der AfD fände er ideal. Von politischen Entscheidungen fühlt er sich oft nicht berücksichtigt.
"Es gibt nicht nur Menschen auf der Stadt und nicht nur Menschen auf dem Land. Es gibt beides. Und man muss bei jedem Gesetz beides beachten. Und nicht nur sagen: Ja, jetzt müssen die paar [Menschen], die auf dem Land leben, zurücktreten, weil die vielen in der Stadt sind uns wichtiger." Der junge Landwirt fühlt sich von der Politik nicht genug gesehen und das, obwohl ein großer Teil der Menschen in Thüringen auf dem Land leben.
Zu Fuß statt mit dem Auto
Die 19-jährige Matilda Eger wirkt wie das komplette Gegenteil von Jonas. Geboren in Würzburg und aufgewachsen in Erfurt, ist sie Stadtkind durch und durch: geht mit Freunden gern in Cafés, besucht Museen, genießt den Trubel und die Anonymität, die es auf dem so Land nicht gibt. Eigentlich ist ihr Erfurt dafür schon zu klein. Für ihr Studium wird sie bald nach Frankfurt am Main ziehen. An ihrem Beutel, den sie an diesem Tag dabei hat, klemmt ein Regenbogen-Button als Zeichen ihrer Solidarität mit Trans-Personen und queeren Menschen.
Dass sie wählen wird, steht fest. Die Frage nach dem "Wen?" fällt ihr schwerer. Ein Thema, auf das sie bei ihrer Wahlentscheidung besonders schaut, ist der Umwelt- und Klimaschutz. "Ich finde, dass jetzt was gemacht werden muss, schon länger - meiner Meinung nach. Das sollte schon Priorität Nummer eins sein, weil es unsere Erde ist und wenn wir sie jetzt zerstören, was haben wir davon?" Selbst isst sie selten Fleisch und verzichtet meistens auf das Auto. Auch heute ist sie zu Fuß unterwegs.
Mehr Freizeit dank Führerschein
In der Stadt ist das auch weniger das Problem. Sobald die Strecke größer ist, wird das schon schwieriger. Louisa Franke ist erst vor wenigen Wochen 18 geworden, aufs Auto würde sie aber nicht mehr verzichten. "Seitdem ich meinen Führerschein habe, bin ich schneller zu Hause, habe mehr Freizeit und dadurch auch mehr Zeit zum Lernen."
Louisa wohnt in Triptis, ihre Ausbildung zur Gesundheitsfachfrau absolviert sie aber im 25 Kilometer entfernten Gera. In den ersten Monaten ihrer Ausbildung ist sie mit Bus und Bahn zur Schule gependelt, während der Praxisphasen im Krankenhaus hat sie in einer WG gelebt. Wohl gefühlt hat sie sich dort aber nie. Das Problem mit der Bahn: Man könne sich nicht darauf verlassen.
Auf dem Land fehlt oft zuverlässiger ÖPNV
Den nicht ausreichenden ÖPNV kritisiert auch Landwirt Jonas Schmutzler. "Bei mir im Heimatdorf fährt donnerstags ein Bus. Wenn ich da höre, wie sich manche aufregen, bei denen dreimal am Tag ein Bus fährt. Das ist schon mehr als wir haben. Bei uns fährt nicht mal jeden Tag ein Bus."
Sein Heimatdorf ist Keßlar, ein Ortsteil von Blankenhain im Landkreis Weimarer Land, nur sechs Kilometer von Reinstädt entfernt. Keßlar ist ein Dorf, das etwa 100 Einwohner zählt. Hier engagiert Jonas sich auch weiterhin stark im Dorfverein, auch wenn er nicht mehr dort wohnt. Er helfe zum Beispiel beim Dorfputz, erzählt er. Überhaupt wirkt er wie jemand, der anpackt.
Windräder stehen still, obwohl der Wind perfekt weht, einfach nur, weil man den Strom nicht speichern kann.
Emotional wird er beim Thema Windräder: "Bei uns genau in der Region, in einem Milan-Schutzgebiet, wo auch Schwarzstörche und der Uhu beheimatet sind, sollen jetzt Windräder in den Wald gebaut werden." Er möchte, dass man erstmal Speichermöglichkeiten der Windenergie fördert, bevor man neue Windräder baut. "Windräder stehen still, obwohl der Wind perfekt weht, einfach nur, weil man den Strom nicht speichern kann. Aber wir müssen mehr Windräder bauen, die sich dann wieder nicht drehen, das macht für mich keinen Sinn."
Mehr gegen Mobbing an Schulen tun
Louisa Franke aus Triptis liegt vor allem das Thema Bildung am Herzen. Sie erinnert sich an ihre eigene Grundschulzeit und hat es auch zuletzt bei ihrem kleinen Bruder gesehen. Unterschiedliche Ansätze beim Schreibenlernen hätten sie zum Beispiel mehr verwirrt, als geholfen.
Und auch das Thema Mobbing müsste viel Aufmerksamkeit bekommen. Louisa findet, dass das viel zu oft mit dem Argument "das ist doch nur Kindergarten" unter den Teppich gekehrt würde. An dieser Stelle spricht sie auch aus Erfahrung. "Menschen geht es deshalb schlecht, sie tun sich weh und haben Angst davor, auf die Arbeit oder zu Schule zu gehen und können körperlich und psychisch krank werden."
Dazu gehört für die Pflegefachfrau in Ausbildung auch, dass Lehrerinnen und Lehrer geschult werden, damit sie wissen, wie sie mit solchen Situationen umgehen müssen.
Wir Kinder haben auch eine Stimme. Wir sind die Zukunft und die sollte man auch unterstützen und mit ihnen zusammenarbeiten.
Zudem findet sie, dass Kindern und Jugendlichen mehr zugehört werden müsste. "Wir Kinder haben auch eine Stimme. Wir sind die Zukunft und die sollte man auch unterstützen und mit ihnen zusammenarbeiten." Aus dem Wahlkampf präsent ist ihr eine Veranstaltung von Björn Höcke (AfD) in der unmittelbaren Nähe der Grundschule ihres kleinen Bruders. "Er sagt, wir Kinder brauchen keine extra Rechte, das ist ja alles im Grundgesetz geregelt. Das direkt neben einer Grundschule zu machen, finde ich schwierig."
Sorge vor AfD-Wahlsieg
Matilda Eger aus Erfurt macht am meisten Sorgen, dass die AfD bei der Wahl am Sonntag stärkste Kraft werden könnte, deren Politik sie für rassistisch hält. Aus ihrem Beutel kramt sie einen Stapel Aufkleber heraus, die mit einem Gummiband zusammengehalten werden. Auf dem obersten ist zu lesen: "Anti-Nazi-Aufkleber: Stickern gegen Rassismus". Das ist das zweite Thema, das sie beschäftigt: Rassismus und Rechtsextremismus, die sich ihrer Ansicht nach in den vergangenen Jahren stark in Thüringen verbreitet haben.
Auf ihrem Heimweg will sie den ein oder anderen Aufkleber anbringen. Für sie sei das ihr kleiner Beitrag gegen Rassismus, auch wenn sich dadurch nicht wirklich etwas ändern lasse. Im Umgang mit der AfD sieht sie die Verantwortung auch bei der Politik: "Da würde ich mir wünschen, dass andere Parteien das Wahlprogramm der AfD für Menschen, die sich nicht so viel damit auseinandersetzen, enthüllen." Denn auf den Wahlplakaten locke die AfD mit einfachen Forderungen, die ihre wahren Absichten verschleierten.
So stehen die Erstwähler zu Thesen aus dem Wahl-O-Mat
Ihre Positionen klar angeben, das müssen die Parteien zu den Thesen im Wahl-O-Mat, der Wählerinnen und Wählern bei ihrer Wahlentscheidung helfen soll. Jonas Schmutzler, Matilda Eger und Louisa Franke haben ebenfalls ihre Meinung zu einigen Thesen gesagt.
Zum Beispiel, ob Thüringen sich für die Erhöhung der Mindestvergütung für Auszubildende einsetzen soll. Matilda Eger sagt dazu ganz klar "Ja". Wenn die Lebenshaltungskosten steigen, müsse auch der Lohn erhöht werden, meint sie. Louisa Franke sieht das ähnlich: "Weil es weiter Ausbildungen gibt, die unterbezahlt werden. Da kann man dann nur noch BAföG anfordern, was man auch nicht immer bekommt, weil die Eltern ein bisschen zu viel verdienen."
Jonas Schmutzler schätzt die Lage anders ein. Das Unternehmen solle selbst über das Gehalt entscheiden, er sei immer gut damit zurechtgekommen.
Stimme zu | neutral | stimme nicht zu | |
---|---|---|---|
Thema Mobilität: Der Flughafen Erfurt-Weimar soll in Betrieb bleiben. |
Louisa Matilda Jonas |
||
Thema Soziales: Empfängerinnen und Empfängern von Bürgergeld, die Jobangebote ablehnen, sollen weiterhin Leistungen gekürzt werden können. |
Louisa Jonas |
Matilda | |
Thema Migration: Thüringen soll ausreisepflichtige Ausländerinnen und Ausländer konsequent abschieben. |
Louisa Jonas |
Matilda | |
Thema Bildung: Thüringen soll sich für die Erhöhung der Mindestvergütung für Auszubildende einsetzen. |
Louisa Matilda |
Jonas | |
Thema Gesundheit: Mehr Krankenhäuser sollen in öffentlicher Hand sein. |
Louisa Jonas |
Matilda | |
Thema Landwirtschaft und Nachhaltigkeit: In Thüringen sollen keine weiteren Flächen für Windkraftanlagen ausgewiesen werden. |
Louisa Jonas |
Matilda |
Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | Erst mal zur Wahl | 19. August 2024 | 20:15 Uhr
Not Found
The requested URL /api/v1/talk/includes/html/0aceecd7-4a8d-4425-9483-15f8a1aa4425 was not found on this server.