70. Jahrestag der Befreiung Begegnung mit Überlebenden aus Buchenwald
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11. April 2015, 17:33 Uhr
Zum 70. Jahrestag der Befreiung von Buchenwald sind Überlebende nach Weimar zurückgekehrt. Sie wollen sich gemeinsam erinnern und von ihren Erfahrungen erzählen.
Im Foyer des Hotels Elephant in Weimar herrscht lautes Treiben. Lachen, Nervosität, aber auch bedächtige Gesichter. In verschiedenen Ecken des Saales unterhalten sich viele ältere Menschen. Diskussionen schallen durch den Raum in Englisch, Polnisch, Russisch, Italienisch und Hebräisch. Wiedersehensfreude ist zu spüren, auch wenn viele der Menschen sich kaum kennen und nicht die gleiche Sprache sprechen. Auf einem Sessel sitzt ein Herr in KZ-Häftlingskleidung, andere tragen Baskenmützen, viele halten Blumen in den Händen.
Anlässlich des 70. Jahrestages der Befreiung Buchwalds haben das Land Thüringen und die Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora nach Weimar geladen. Rund 80 Überlebende und Veteranen sind gekommen, so viele werden es nie wieder sein. Umso wichtiger ist es, dass die Anwesenden ihre Erfahrungen weitereichen. Gemeinsam wollen sie erinnern und gedenken.
Julius Maslovat: "Hier gibt es eine Brüderschaft"
Julius Maslovat ist mit seiner Frau aus Kanada angereist. Er war drei Jahre alt, als er nach Buchenwald kam. An die Zeit, kann er sich kaum erinnern. Doch er weiß noch genau, als er in einem offenen Viehwaggon saß und bei der Ankunft in Buchenwald von seinem Vater getrennt wurde, der außer sich vor Angst war. Die Emotionen des Vaters haben sich in sein Gedächtnis eingebrannt, es ist seine einzige Erinnerung, die Julius Maslovat an seine Gefangenschaft hat und das letzte Mal, dass er seinen Vater und damit einen Teil seiner Familie gesehen hat.
Er wurde im Kinderblock untergebracht, bevor dieser Richtung Bergen-Belsen transportiert wurde. Am 15. April 1945 wurde Bergen-Belsen befreit, Julius Maslovat kam in ein Kinderheim, wurde für ein Jahr nach Schweden geschickt, wo ihn schließlich mit vier Jahren ein jüdisch-finnisches Paar adoptierte. Er verbrachte eine friedliche Kindheit in Finnland und England und ging mit 24 nach Kanada, wo er seine Frau kennenlernte. Die Rückkehr nach Buchenwald ist für ihn wichtig: "Ich habe mich nie zuhause gefühlt, aber hier unter den anderen Ehemaligen gibt es eine Brüderschaft, obwohl wir aus verschiedenen Ländern kommen. Es ist komisch, dass der Ort, an dem so viel Horror und schlechte Erfahrungen geschehen sind das ist, wo ich eine Heimat finde."
Vor dem Hotel steigen weitere Gäste aus einer Kutsche. Viele haben ihre Familien mitgebracht und genießen die Zeit. Im Foyer entstehen immer neue Gespräche, dazwischen laufen Enkelkinder und Kamerateams umher. Für viele der älteren Gäste ist die Reise auch körperlich anstrengend, keiner ist jünger als 70, einige über 90 Jahre alt. Begleitet werden sie von Mitarbeitern und Helfern der Gedenkstätte Buchenwald. Sie unterstützen beim Übersetzen, zeigen den Weg und koordinieren die zahlreichen Termine an diesem Wochenende. Der Umgang wirkt liebevoll.
Hanna Gajkowska: "Ich hatte lange schlechte Träume"
In einem Raum tagt das Internationale Komitee Buchenwald-Dora und Kommandos. Nebenan sitzt Hanna Gajkowska aus Polen. Nach Ausschwitz und Ravensbrück kam sie in das Buchenwald-Außenlager Meuselwitz. Sie war erst 14 Jahre alt und musste in Zwölf-Stunden-Schichten an schweren Maschinen Panzerwaffen fertigen. Von ihren Vorarbeitern wurde sie auch geschlagen. Während des Marsches nach Falkenau flüchtete sie und schaffte es nach Tschechien. Sie schlief in den Wäldern, hatte großen Hunger und bekam Hilfe von Tschechen. Als sie vor wenigen Jahren das erste Mal in Deutschland war, konnte sie die deutsche Sprache nicht hören, die sie an die SS-Männer erinnerte. "Ich hatte lange schlechte Träume. Bis heute kann ich nicht glauben, dass ich überlebt habe."
Heinrich Bukszpan: Nachkriegs-Flucht nach Deutschland
Die Biographien der Menschen, denen man an diesem Wochenende in Weimar begegnen kann, sind bewegend und beeindruckend zugleich. Heinrich Bukszpan zum Beispiel wuchs in Krakau auf und wurde nach Skarżysko-Kamienna in Zentralpolen und später nach Buchenwald und Tröglitz im heutigen Sachsen-Anhalt deportiert. Nach seiner Befreiung erlebte er in Polen die wenig bekannten Pogrome in den Nachkriegsjahren und ging nach Israel.
Heinrich Bukszpan hat an diesem Wochenende auch seine Familie dabei. Erst vor wenigen Jahren habe er angefangen, von seinen Erlebnissen zu berichten, erzählt die Tochter. In einer kleinen Tüte hat der 91-Jährige Dokumente und historische Zeugnisse mitgebracht. In seinen Händen hält er seinen israelischen Pass. Die Passnummer 252 zeigt, dass er einer der ersten israelischen Staatsbürger ist. Mit diesem Pass durfte er in jedes Land reisen, außer nach Deutschland. Doch da er in Israel gleich zum Militär musste, flüchtete er nach ein paar Jahren erneut, diesmal nach Deutschland, ohne Einreisegenehmigung. Sein Weg führte ihn weiter nach Österreich, Brasilien und Amerika, bis er bei München ein neues Zuhause fand. Auch seine Enkelin Shoshanna schaut erstaunt und stimmt zu, ihr Opa habe ihr nie davon erzählt.