75 Jahre Kriegsende in Thüringen Der deutsche Gegenangriff bei Struth und Dörna

Die schwersten Kämpfe auf Thüringischen Boden

Die Kämpfe am 7. April bei Struth waren eine unverhoffte Kriegstragödie. Die schwersten Kampfhandlungen des Zweiten Weltkrieges in Thüringen forderten zahlreiche Todesopfer. Die deutsche Niederlage rückte näher.

Am 4. April waren amerikanischen Truppen im Raum Mühlhausen kampflos eingerückt. Nach kurzer Angst atmeten die Bewohner von Struth und Dörna wieder auf. Sie dachten, der Krieg sei nun vorbei. Elfriede Hechler aus Struth war damals 18 Jahre alt: "Das war das erste Mal, dass ich Amerikaner gesehen habe. Die haben uns aber nichts getan."

Doch zur gleichen Zeit bereitete Oberst Worgitzki vom benachbarten Küllstett aus den bis dahin größten deutschen Gegenangriff in Thüringen vor. Mit gepanzerten Kampftruppen sollte er den Vormarsch der Amerikaner nördlich an der Flanke treffen. Damit wollte er das weitere Vordringen der US-Soldaten nach Osten stören und starke deutsche Kräfte im Norden vortäuschen. Dazu versammelte Worgitzki in Küllstett zahlreiche Fallschirmjäger, Pionierbrigaden und Panzer - das Dorf glich einem Heerlager.

Am frühen Morgen des 7. April 1945 um 2:30 Uhr begann der deutsche Vorstoß auf Struth. Der nächtliche Angriff überraschte die Amerikaner wie auch die Struther, man hatte keine genaue Kenntnis über die aktuelle Lage. Die deutschen Soldaten kämpften sich von Haus zu Haus vor. Für die Bewohner von Struth war es eine unheilvolle Situation, denn viele hatten ihren Wohnraum geräumt oder mit den Besatzern geteilt.

Plötzlich kämpften Soldaten vor ihrem Zuhause. Auch Elfriede Hechler und ihre Familie erlebte eine unruhige Nacht: "Als wir schliefen, hörten wir draußen die Schüsse, dass es laut und unruhig war. Als wir aufstanden, haben wir mitgekriegt, dass im Unterdorf Häuserkämpfe waren und auch schon Häuser brannten. Die wurden angesteckt."

Erst bei Tagesanbruch wurde der amerikanische Widerstand stärker. Doch um 6:30 Uhr begann der Hauptangriff der Deutschen vom östlichen Wilhelmswald her, der unter großen Verlusten für die Angreifer geführt wurde. Viele der Bewohner flüchteten aus dem Ort in die nahen Wälder: "Wir hatten Angst und mussten fort ins Holz, drei Tage haben wir im Wald geschlafen. Auf einem kleinen Handwagen hatte mein Vater Federbetten mitgenommen", berichtet Elfriede Hechler, "da waren mehrere Leute, viele kleine Kinder, die haben geweint, weil sie Hunger hatten."

Aussichtslosigkeit für die deutschen Truppen

Gegen 8 Uhr war ein Drittel von Struth von deutschen Soldaten erobert, doch der Widerstand der Amerikaner blieb hartnäckig. Gegen 9 Uhr erreichte alliierte Luftunterstützung den Kampfplatz, die die deutschen Truppen nordwestlich mit Bomben und Bordwaffen beschoss. Die deckungslose deutsche Infanterie verblutete auf dem Gelände, den Panzern blieb nur der Rückzug. An mehreren Stellen wurde erbittert weitergekämpft, doch den deutschen Truppen fehlte der Rückhalt, viele Soldaten und Fahrzeuge waren verloren. Die Niederlage der Kampfgruppe Worgitzkis deutete sich ab. Am stärksten litt die Moral der Deutschen, als sie sich der Überlegenheit des Gegners und Sinnlosigkeit des Kampfes bewusst wurden.

Gegen 10 Uhr machten sich weitere amerikanische Truppen von Süden her auf, Struth zu umschließen, was ihnen bis mittags gelang. Die im Ort befindlichen deutschen Soldaten waren abgeschnitten, der Befehl des Rückzuges erreichte sie nicht mehr. Für die, die sich zurückziehen konnten, war die Lage bedrohlich. Um 12:30 Uhr gerieten die sich auf dem Rückzug befindliche deutsche Einheiten zwischen Küllstett und Struth in einen zweiten Tieffliegerangriff. Die zurückkehrenden deutschen Soldaten nutzen die westlichen Wälder für ihre Flucht in Richtung Harz. Auf ihrem Weg durch Dörfer sorgten sie bei der Bevölkerung, die noch immer mit einem baldigen Sieg rechnete, teilweise für Aufsehen und Empörung.

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7. April 1945, Struth wird von der Wehrmacht überfallen, obwohl es sich den Amerikanern übergeben hatte. Daraufhin spielen sich schwere Kämpfe in dem kleinen Ort ab.

Di 07.04.2015 19:00Uhr 02:07 min

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Fiasko in Dörna

Aus dem benachbarten Dörna, das ebenfalls seit dem 4. April besetzt war, waren amerikanische Truppen nach Struth geeilt, um die Einheiten zu verstärken. Eine kleine Truppe von zwölf Mann war im Ort zurückgeblieben. Herannahende deutsche Truppen gewannen nach kurzem Gefecht den Ort zurück, doch konnte der amerikanische Sergeant Weitzel einen letzten Funkspruch absetzen. Daraufhin kehrte ein Teil der Soldaten nach Dörna zurück, wo sie sich auf dem höher gelegenen Umflutgraben zum Gegenangriff aufstellten. Von da konnten sie mit leichten und schweren Maschinengewehren herannahende deutsche Soldaten treffen. Jeder Versuch der Deutschen der Umklammerung zu entkommen, scheiterte.

Bis zum Nachmittag lagen die Verletzten und Toten am Hang des Hügels, bis sich die Kompanie ergab. Erst als es still wurde, kamen die Dörnaer aus ihren Kellern und sahen mit Entsetzen die vielen im Schützenplatzbereich zusammengetragenen Toten. 56 deutsche Soldaten waren gefallen, 54 wurden verletzt. Die gefallenen deutschen Soldaten wurden auf Lkw geladen und in Massengräbern auf dem Soldatenfriedhof Butzbach Nieder-Weisel in Hessen beigesetzt.

Das Ende der Kämpfe

In Struth erkämpften sich die Amerikaner im Nahkampf Haus um Haus zurück. Der letzte deutsche Widerstand endete 14:30 Uhr. Aus Angst vor Wehrwolf-Bewegungen, zu denen Heinrich Himmler im September 1944 aufgerufen hatte, zündeten die US-Soldaten anschließend die Gebäude an. Auch die Familie von Elfriede Hechler wurde in ihrem Haus von amerikanischen Soldaten bedroht: "Sie sagten, wir wären Schuld. Aber wir hatten doch gar nichts gemacht."

Gemeinsam mit anderen wurden sie auf den Anger zusammengetrieben: "Da wollten sie uns erschießen. Aber der alte Pfarrer konnte englisch und hielt für uns Fürbitte, dass wir unschuldig seien. Dadurch wurden wir verschont, sonst wären wir heute vielleicht auch tot."

Die Kämpfe am 7. April bei Struth waren eine unverhoffte Kriegstragödie mit 300 Toten, davon 255 deutsche und 50 amerikanische Soldaten sowie zahlreiche Zivilisten. Viele der deutschen Soldaten waren unter 20 Jahren. Als die Bewohner zurückkehrten, fanden 65 Familien ihre Häuser niedergebrannt und in den Trümmern Leichen der Soldaten. Es waren die schwersten Kampfhandlungen im Zweiten Weltkrieg auf Thüringer Boden.

Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Fazit vom Tag | 07. April 2020 | 18:00 Uhr

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