Fakt ist! Aus Erfurt Heizungsgesetz: Sicher sind noch die Unsicherheiten
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16. Mai 2023, 07:33 Uhr
Praktische Probleme und Unsicherheiten über Finanzen beherrschten die Diskussion bei Fakt ist! aus Erfurt zum geplanten Heizungsgesetz. Die Fülle der Detailpunkte mache den Start Anfang 2024 unwahrscheinlich, meinte ein Forscher.
Wer bei "Fakt Ist!" aus Erfurt am 15. Mai 2023 diskutierte:
- Elisabeth Kaiser, Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesbauministerium und SPD-Bundestagsabgeordnete aus Gera
- Gerald Ullrich, FDP-Bundestagsabgeordneter aus Südthüringen
- Professor Bert Oschatz, Geschäftsführer des Instituts für Technische Gebäudeausrüstung in Dresden
- Detlef Vogel, Hauseigentümer
- Roland Reichenbach, Heizungsbauer
Wenn es ganz konkret wird, ist noch vieles unklar. Darauf stieß die MDR-Diskussion bei "Fakt Ist!" über die Heizungspläne der Bundesregierung wieder und wieder - bei der Frage, was genau als "Kessel" zählt, welche Förderung es gibt und wie Umrüstungskosten auf Mieter umgelegt werden. "Unsicherheit", die ihn nicht gut schlafen lasse, schilderte Hauseigentümer Detlef Vogel zu seinen Recherchen, ob er nun von einer Umrüstungspflicht befreit sei oder nicht. Bert Oschatz vom Institut für Technische Gebäudeausrüstung Dresden beruhigte ihn schließlich mit einer Detailerklärung, was in den Entwurfstexten nun als "Kessel" zähle.
Heizungsbauer als "Therapeut" unterwegs
Solche Unsicherheiten seien eher die Regel als die Ausnahme, bekräftigte Heizungsbauer Roland Reichenbach. Er sei im Moment fast mehr als "Therapeut" denn als technischer Berater unterwegs. Kundengespräche, die früher 30 bis 45 Minuten gedauert hätten, zögen sich nun manchmal bis zu zwei Stunden.
Vorzeitig durchgesickerter Gesetzentwurf
Aus Sicht der Politik gilt als einer der Gründe für die vielen Unsicherheiten die früh zur "Bild"-Zeitung durchgesickerte Fassung eines Referentenentwurfs zur Änderung des Gebäudeenergiegesetzes mit den Heizungsplänen. In diesem Punkt waren sich die Thüringer SPD-Bundestagsabgeordnete Elisabeth Kaiser, parlamentarische Staatssekretärin im Bundesbauministerium, und der Thüringer FDP-Bundestagsabgeordnete Gerald Ullrich einig. Nicht einig waren sie sich über die Konsequenzen. Ullrich sah einen irreparablen Vertrauensverlust und forderte einen Neuanfang für das Gesetz.
Kaiser warb dagegen für mögliche Verbesserungen während der bevorstehenden Beratungen im Bundestag. Dazu gehörten etwa soziale Komponenten und Härtefallregelungen, falls jemand trotz Förderung, Kreditmöglichkeiten und steuerlicher Absetzbarkeit aus seinen Mitteln eine Investition nicht stemmen könne.
Kaiser verwies darauf, dass niemand gezwungen sei, vorhandene Heizungsanlagen jetzt zu tauschen. Auch Reparaturen sollten möglich bleiben.
Prinzipiell könne ein Heizkessel auch 50 Jahre laufen, sagte Heizungsbauer Reichenbach. Entscheidend seien Wartung - und irgendwann die nicht mehr verfügbaren Ersatzteile.
Unsicherheit bei Mietern und Vermietern
Wieder und wieder kamen in der Runde die Unsicherheiten über die individuelle Situation und die Finanzierbarkeit von Umrüstungen hoch. Reinhard Blech aus Unterwellenborn sprach das Problem des begrenzten Kreditrahmens als Rentner an, FDP-Abgeordneter Ullrich das Problem von möglicherweise nicht für Niedrigtemperatur geeigneten Häusern und Frank Emrich, Direktor des Verband der Thüringer Wohnungs- und Immobilienwirtschaft, fehlende verlässliche Fördermöglichkeiten für Vermieter.
Georg Seidler vom Mieterbund kritisierte gleichzeitig, dass es bisher erst Diskussionen gebe, welcher Anteil der Kosten eines Heizungsumbaus auf die Miete umgelegt werden dürfe. Hier müsse gegenüber dem bisherigen Stand nachgebessert werden, da die Umlage sonst viele Mieter überfordern werde.
Richtig wäre gewesen, erst Förderrichtlinien zu präsentieren, warf Heizungsbauer Reichenbach während dieser Diskussionen ein, die immer noch ein Detailproblem aufwarfen - von praktischen Problemen des Wärmepumpenanbaus bei Mehrfamilienhäusern bis zu Häusern, die 80 Jahre und älter seien, worauf Gebäudewissenschaftler Oschatz verwies.
Er könne sich angesichts der vielen Detailpunkte nicht vorstellen, dass das Gesetz wie bisher beabsichtigt wirklich Anfang 2024 in Kraft trete - "da würde ich eine Wette eingehen".
Deutschland kein Vorreiter
Den Rückstand Deutschlands auf Nachbarländer würde das vergrößern, die wie Dänemark oder die Niederlande schon seit Jahren ein Verbot von Gasheizungen in Neubauten haben. Der FDP-Abgeordnete Ullrich wandte ein, diese Nachbarländer hätten Windenergie und weniger Industrie als Deutschland. Moderator Andreas Menzel hielt Ullrich daraufhin vor, als vehementer Kritiker des Gesetzes klinge er wie Opposition, obwohl er der Mitglied der Regierungskoalition sei - was Ullrich nicht so sah.
Das sagen unsere User:
Auch sie verwiesen auf Unsicherheiten und hatten Zweifel – nicht nur bei der Preisentwicklung von Wärmepumpen. Meckersack sah Wärmepumpen nicht als gleichwertigen Ersatz für Gasheizungen. Sie führten zu "Mindeststandards im Bausektor, die für große Teile der Bevölkerung wirtschaftlich nicht mehr darstellbar sind. Daran ändern auch Fördermittel nichts!" Ähnlich sah das Milo: "Wer einen gut gedämmten Neubau mit einer Wärmepumpe beheizt, ist damit sicher zufrieden. Wenn man aber beispielsweise ein älteres Fachwerkhaus bewohnt, ist das schon eine ganz andere Problematik."
Steka war skeptisch bei der Kreditwürdigkeit von Rentern und befürchtete, "die Beantragung von Fördermitteln wird sicher auch wieder so bürokratisch kompliziert, dass man dazu einen Anwalt braucht um die durchzusetzen." Hobby-Viruloge007 bezweifelte, dass die nötige Strommenge und ausreichende Netze für den Bedarf von Wärmepumpen und E-Autos vorhanden sein würden und Otto bezweifelte, dass es genügend Handwerker für den Einbau von Wärmepumpen geben werde. Altrocker warf ein, ob für Warmwasser dann auch noch zusätzlich Strom gebraucht werde, was Peter Pan sarkastisch ergänzte mit "entwickeln wir uns dann wieder zurück zur Urgesellschaft? Kalt duschen und Baden?"
Dagegen verwies Annlene auf die langfristigen Einsparungen durch Sanierungen, auch mit "gemütlicher wird's im isolierten Haus allemal. Und deswegen werden die Menschen von sich aus sanieren." Sie warnte aber vor zu schnellem Vorgehen: "Die Regierung will zu viel auf einmal. Sie sollte bei der Wärmewende im Gebäudesektor erst einmal mit den vielversprechendsten Bereichen anfangen. Die prekären Fälle, die armen Rentner, die Besitzer von maroden Wohnungen ohne finanzielle Reserven, die müssen gar nicht in der ersten Welle dabei sein, zumal die Kapazitäten bei Beschaffung der Wärmepumpen und im Handwerk anfangs noch knapp sind und sowieso nicht für alle ausreichen."
MDR (csr)
Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN | Fakt ist! aus Erfurt | 15. Mai 2023 | 22:10 Uhr
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