Fachkräftemangel Ausländische Fachkräfte für Thüringer Gesundheitssystem: Wo die Hürden liegen
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25. November 2023, 08:21 Uhr
Personalmangel stellt das Gesundheitswesen auch in Thüringen vor Herausforderungen. Fachkräfte aus dem Ausland werden daher zunehmend umworben. Vielerorts spielen die Zugewanderten schon eine große Rolle. Doch in der Praxis warten auf dem Weg in medizinische Berufe noch immer Hürden.
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Seit sieben Jahren arbeitet Dziuljeta Mikutaityte in der ambulanten Altenpflege. Sie kommt aus Litauen und hat in Thüringen eine neue Heimat gefunden. "Es gab Zeiten, da habe ich 30 Patienten am Tag versorgt", sagt sie. Viel Zeit für die Familie bleibt nicht. "Manchmal hat man sich um so viele Menschen gekümmert, da fällt es einem schwer, sich danach um die eigene Familie zu kümmern."
Auch sonst ist ihr Beruf wenig familienfreundlich. Wenn sie Urlaub plant und eine ihre Kolleginnen krank wird, muss sie spontan umplanen. "Die Leute müssen gepflegt werden, die können nicht warten."
Und trotzdem macht ihr der Job großen Spaß. Sie möchte weitermachen, weil ihr die Arbeit mit den Patienten auch viel zurückgibt. Und das Thüringer Gesundheitswesen braucht sie auch.
Zu wenig Fachkräfte in Thüringen
Denn der Fachkräftemangel macht dem Gesundheitswesen zu schaffen. Zu viele Menschen gehen in Rente, zu wenig junge kommen nach. Hinzu kommt, dass die Bevölkerung in Thüringen immer älter wird.
Je mehr alte Menschen es gibt, desto mehr müssen auch gepflegt werden. Gab es in Thüringen im Jahr 2011 noch etwas mehr als 80.000 pflegebedürftige Menschen, so hat sich die Zahl zehn Jahre später verdoppelt. Und auch die Prognosen folgen diesem Trend. 2055 leben im Bundesland laut Schätzung des Statistischen Bundesamts mehr als 180.000 pflegebedürftige Menschen.
Zwar gibt es in Thüringen so viele Ärzte wie noch nie, aber das Institut der deutschen Wirtschaft sieht dennoch eine große Lücke. Schon früher hat es prognostiziert, dass bis zum Jahr 2035 fast eine halbe Million Pflegekräfte fehlen könnten.
Eine Lösung könnten Pfleger aus dem Ausland sein. Doch dazu müssen sie die deutsche Sprache lernen. Mikutaityte sagt, dass sie ihren Beruf nicht ausüben könnte, wenn sie kein Deutsch spräche. Sie könnte nicht mit den Patienten kommunizieren und würde ihre Kollegen nicht verstehen.
Wenn Pflegerinnen und Pfleger nicht gut Deutsch sprächen, machten sie mehr Fehler im Beruf. Gute Sprachkenntnisse sind deswegen ein wichtiges Einstellungskriterium, berichten auch Verantwortliche im Gesundheitswesen, wie etwa Reiner Oberbeck, Ärztlicher Direktor vom SRH Wald-Klinikum Gera.
Hilfe aus dem Ausland
Das Problem im Gesundheitswesen wird sich in den nächsten Jahren also voraussichtlich verschlimmern. Das Gesprächsformat "sozial kontrovers" von Techniker Krankenkasse, Friedrich-Ebert-Stiftung und "Ostthüringer Zeitung", an dem auch Mikutaityte beteiligt war, hat sich deshalb diesem Thema gewidmet. Dabei stand die Frage im Mittelpunkt, ob ausländische Fachkräfte das Problem im Thüringer Gesundheitswesen retten können.
Die Beteiligten waren sich dabei einig, dass ohne qualifizierte Zuwanderung keine Lösung in Sicht ist. "Die Zuwanderung hilft uns schon jetzt", sagt Guido Dressel, Leiter der Landesvertretung der Techniker Krankenkasse. Doch man müsse viele Gänge zulegen, damit sich die schon bestehende Lücke schließe.
Anerkennungsverfahren ist ein langes Prozedere
Ein großes Problem sind dabei die Anerkennungsverfahren. Wenn ausländische Ärzte aus Nicht-EU-Staaten in Deutschland arbeiten wollen, müssen sie Nachweise erbringen. Sie müssen ihren Abschluss beglaubigen lassen und Arbeitszeugnisse erbringen. Manche Herkunftsländer stellen solche Zeugnisse aber nicht aus, das erschwert die Anerkennung.
Der Prozess dauert rund neun Monate, früher mussten Ärzte schon auch mal zwei Jahre auf ihre Anerkennung warten. Für Matthias Zenker, Geschäftsführer der Landesärztekammer Thüringen, ist das aber auch die kürzere Zeit noch immer zu lang. Er sagt: "Wenn wir so weitermachen, verlieren wir im internationalen Wettbewerb Leute, die wir brauchen."
Auch in der Pflege dauert die Anerkennung bis zu zwei Jahre, weil die angehenden Pflegerinnen und Pfleger Lehrgänge durchführen müssen, die sie im Heimatland nicht bekommen haben. Das Land setzt daher neuerdings darauf, junge Menschen anzuwerben, die in Thüringen ihre Ausbildung zur Pflegefachkraft machen. Der Internationale Fachkräfteservice für die Thüringer Sozialwirtschaft (IFTS) hat in diesem Jahr ein Programm gestartet, in dem 30 junge Vietnamesen eine Ausbildung in der Pflege beginnen.
Communitys als Anker
Fachkräfte aus Vietnam werden von Thüringen gezielt angeworben. Zuletzt war eine Delegation um Ministerpräsidenten Bodo Ramelow (Linke) im Land, um Werbung für den Freistaat zu machen. Der Grund: Es gibt bereits vietnamesische Communitys in Thüringen. Das erleichtere den angeworbenen Fachkräften den Start, sagt Dana Hartenstein-Drobny vom IFTS.
Die Krankenhäuser hätten sich an die Situation besser angepasst, sagt Dressel. So arbeiten etwa Wald-Klinikum in Gera bereits viele ausländische Ärzte. Das Problem bestehe eher in der Altenpflege. Hier fehlten die meisten Fachkräfte und die würden gleichzeitig in Zukunft gebraucht. Laut Hartenstein-Drobny kennen ausländische Fachkräfte das Konzept der Altenpflege nicht immer. Hier könne auch die Anwerbung junger Azubis helfen. Sie könnten gleich in die entsprechenden Betriebe integriert werden.
Mikutaityte ist überzeugt, dass weitere Fachkräfte dringend gebraucht werden. Ohne sie seien die Pflegerinnen und Pfleger überlastet und würden früher aus dem Beruf ausscheiden. Das verschlimmere die Situation. Sie wünscht sich, noch lange in der ambulanten Pflege arbeiten zu können. Dafür müssten sich die Arbeitsbedingungen aber verbessern.
MDR (jn)
Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Das Fazit vom Tag | 24. November 2023 | 18:15 Uhr
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