Haushalt Sorge um Thüringer Eltern-Kind-Zentren: Stellen der Fachberater gestrichen
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02. Februar 2023, 17:08 Uhr
Seit gut zehn Jahren sind Thüringer Eltern-Kind-Zentren wichtige Begleiter für Familien. Sie vernetzen, sie gestalten Freizeit und bieten Workshops an. Doch nun rumort es in den rund 70 Einrichtungen. Im Landeshaushalt 2023 wurden die Stellen der Fachberater für die ThEKiZ gestrichen.
"Jetzt ist das Kind schon in den Brunnen gefallen." Der Landtagsabgeordnete Mike Mohring (CDU) bringt es auf den Punkt. Dabei kam der Änderungsantrag für den Haushalt 2023 ausgerechnet aus den Reihen seiner eigenen Partei. "Augenscheinlich haben nicht alle genau gewusst, was sie da streichen."
200.000 Euro für Fachberater eingespart
Es war ein kleiner Unterpunkt im großen Etat des Landesprogramms "Solidarisches Zusammenleben der Generationen". Insgesamt 14 Millionen Euro schwer, ging es um wenige Hunderttausend Euro, die man einsparen wollte. Der Punkt "Begleitmaßnahmen" fiel offenbar ohne große Nachfragen dem Rotstift zum Opfer. Die Konsequenzen hatte wohl kaum einer bedacht.
"Hinter der vermeintlich kleinen Position versteckt sich ein ganzes Paket wichtiger Aufgaben und Stellen", sagt auch der Bürgermeister der Gemeinde Am Ettersberg, Thomas Heß (CDU). Auch seine Kita ist betroffen. Heß kämpft für die Qualität seines Eltern-Kind-Zentrums (ThEKiZ). Sang- und klanglos wurde die Fachberatung für sämtliche 70 Thüringer Eltern-Kind-Zentren im Haushalt 2023 gestrichen. 200.000 Euro wurden eingespart.
Ohne Fachberatung sind wir aufgeschmissen. Sie ist quasi der Kopf, wenn wir der Körper sind. Nun sind wir kopflos.
"Verheerend", findet unter anderem Julia Schlegel, die die Kita Spatzennest in Berlstedt im Weimarer Land leitet. "Ohne Fachberatung sind wir aufgeschmissen. Sie ist quasi der Kopf, wenn wir der Körper sind. Nun sind wir kopflos."
Seit rund acht Jahren ist ihre Kita ein zertifiziertes Eltern-Kind-Zentrum. "Das Einzige im Kreis Weimarer Land." Die Kita ist ein wichtiger Player in der Sozialraumplanung. "Wir vernetzen Kindergärten, Eltern und Berater. Wir sind als Ansprechpartner für alle da", so Schlegel.
Im "Spatzennest" leistet Dennis Zimmermann die ThEKiZ-Koordinierungsarbeit. Er hat Workshops für Eltern auf die Beine gestellt. "Töpferkurse, Erste-Hilfe-Vorträge oder Singnachmittage haben wir im Programm. Hier kommen die Eltern ins Gespräch und vernetzen sich. Hier verbringen Familien ihre Freizeit." Dabei spricht die Kita explizit nicht nur Eltern aus Berlstedt an.
Zentren sind Bindeglieder
Familien aus der gesamten Landgemeinde Am Ettersberg sind willkommen. "Gerade auf dem flachen Land macht ein ThEKiZ Sinn", pflichtet Ulrike Lüneburger bei. Bis zuletzt war sie Fachberaterin und hat ThEKiZ-Einrichtungen betreut. "Nicht alle Eltern wollen und können ihre Kinder zu Vereinen in die umliegenden Städte fahren. ThEKiZ schafft Strukturen vor Ort und sorgt dafür, dass Familien auch langfristig auf dem Land wohnen bleiben."
Die Eltern-Kind-Zentren sind Bindeglieder zwischen Kindergärten, Mehrgenerationenhäusern, Ärzten, Vereinen, Schulen und vielen anderen Einrichtungen. Sie schaffen Angebote, die auch niederschwellig sein können. "Und sei es nur ein Elterncafé, in dem sich Familien begegnen, ins Gespräch kommen, die sonst vielleicht nur aneinander vorbeigelaufen wären. Dort werden Ideen entwickelt", berichtet Kita-Chefin Schlegel.
Wir brauchen die Fachberater als Ausgangspunkt, als Starthilfe.
Ihr fehlt die Fachberatung bereits jetzt. "Eine Kita aus Apolda hat mich kontaktiert. Auch sie will ThEKiZ werden, doch ich kann sie nicht an die Hand nehmen. Dafür habe ich nicht die Zeit." Auch die Sozialplanerin des Landkreises, Antje Schmerbauch, kann diese Aufgabe nicht allein übernehmen. "Wir brauchen die Fachberater als Ausgangspunkt, als Starthilfe."
Bedarf für neue Eltern-Kind-Zentren sieht Schmerbauch an vielen Stellen. In ihrem Bereich, dem Weimarer Land, fallen ihr mehrere Beispiele ein - Kindergärten in sozialen Brennpunkt-Gegenden oder Kitas, die viele Migrantenkinder betreuen.
Doch der Haushalt ist beschlossene Sache. "Daran lässt sich nichts rütteln", sagt CDU-Mann Mike Mohring. Mohring ist um Schadensbegrenzung bemüht und er ist zuversichtlich, dass es eine Lösung geben wird. "Man könnte Gelder aus anderen Haushaltstellen umschichten und damit eine Übergangslösung schaffen. Und für 2024 dafür kämpfen, dass die Beratung wieder in den Haushalt aufgenommen wird."
Beschwerdebriefe an das Sozialministerium
Doch dafür brauchen die Akteure eine breite Rückendeckung. "Wir haben das Gefühl, die gibt es auch - auch auf Seiten des Sozialministeriums. Dort hat man uns viel Wertschätzung entgegengebracht. Ich habe den Eindruck, man ist bemüht", sagt Fachberaterin Ulrike Lüneburger.
Auf die zahlreichen Beschwerdebriefe reagierte Sozialministerin Heike Werner (Linke) prompt. Man werde versuchen, das Landesprogramm und damit auch die ThEKiZ-Einrichtungen ohne die externe Unterstützung fachlich so gut wie möglich zu unterstützen, heißt es dort. Dennoch: Es darf bezweifelt werden, dass im Jahr 2023 neue Eltern-Kind-Zentren entstehen.
Die Starthilfe fehlt und für all diejenigen, die mitten in der Arbeit stecken, fehlt es an Workshops und Fortbildungen. Ein paar Monate ließe sich das überbrücken. Doch für 2024, sind sich alle einig, muss eine Lösung gefunden werden. Die ThEKiZ-Leiter fordern ihre Fachberater zurück.
MDR (co)
Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Das Fazit vom Tag | 28. Januar 2023 | 18:00 Uhr
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