Drei Jahre danach Babyboom, Hamstern, Pleite-Wellen? Was Corona veränderte
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03. März 2023, 12:54 Uhr
Vor drei Jahren kam das Coronavirus in Thüringen an. Abseits von Infektionszahlen, Inzidenzen und Impfquoten hat die Pandemie unser Leben auch anderweitig auf den Kopf gestellt. Ein Blick auf Unternehmenspleiten, Geburtenzahlen, Online-Dating und mehr.
Verkaufsschlager Klopapier?
Volle Einkaufswagen und leere Regale: Hamsterkäufe waren besonders in der ersten Pandemie-Phase angesagt. Einige Produkte waren heiß begehrt - so dass in Thüringen der Absatz der beliebtesten Waren im März 2020 im Vergleich zum Vorjahr drastisch zunahm.
Auch wenn Lebensmittelhändler und Politik abermals erklärten, dass die Versorgung gesichert sei, hielt das manche nicht davon ab, das heimische Lager aufzufüllen. Steigende Corona-Fallzahlen gingen mit einer gestiegenen Nachfrage nach Toilettenpapier einher. Desinfektionsmittel war gerade zu Beginn mancherorts der Renner und ausverkauft. Auch Nudeln und Mehl waren eine beliebte Ware zum Horten.
Die Marktforschung Nielsen hatte den drastischen Anstieg der Verkaufszahlen für den 9. bis 15. März 2020 erhoben und mit der Vorjahreswoche verglichen. Demnach stieg der Absatz von Toilettenpapier um 114 Prozent, der von Teigwaren wie Nudeln um 156 und Mehl um 208 Prozent. Um satte 393 Prozent stieg der Absatz von Desinfektionsmitteln.
Zu einem ähnlichen Resultat kam das Bundesamt für Statistik mit Eintreten der Herbstwelle im Oktober 2020. Auch nach dieser Auswertung stieg der Absatz von Toilettenpapier, Desinfektionsmittel, Seife, Reis und Hefe erheblich. Und mit Beginn des Ukraine-Krieges wurde erneut gehamstert: Diesmal stand auch Sonnenblumenöl mit auf der Liste ganz oben.
Pleite-Wellen?
Keine Gäste, wenig Aufträge, kaum Umsatz: Während der Lockdowns war die Not vieler Unternehmen groß. Auf die Zahl der Insolvenzen von Unternehmen in Thüringen hatte das nicht unbedingt einen Einfluss, wenn man die drei Corona-Jahre mit den Jahren vor der Pandemie vergleicht.
Zwar wurde die Wirtschaft erheblich heruntergefahren, doch blieb das befürchtete große Firmen-Sterben aus. Deutlich weniger Unternehmen, nämlich 658, beantragten in den Jahren 2020 bis 2022 Insolvenz. In den Jahren 2017 bis 2019 waren es mit 873 deutlich mehr. Eine Entwicklung, die bundesweit zu besichtigen ist. Insgesamt waren 2020 bis 2022 auch deutlich weniger Arbeitnehmer von Insolvenzen betroffen als 2017 bis 2019.
Die Zahlen lassen sich laut Statistischem Landesamt durch den massiven Eingriff der Politik erklären. Zum einen gewährten Bund und Länder während der Lockdowns massive Wirtschaftshilfen. Zum anderen hatte die Bundesregierung die Insolvenzantragspflicht bis zum Frühjahr 2021 ausgesetzt. In Bedrängnis geratene Unternehmen mussten so keinen Insolvenzantrag stellen.
Deshalb wurde schon damals gemutmaßt, dass so manche Insolvenz nur vertagt wird. Mit der Energiekrise, hohen Inflation und den Lieferengpässen sieht sich die Wirtschaft seit geraumer Zeit auch schon wieder neuen Herausforderungen konfrontiert.
Babyboom?
Viel Zeit daheim, die richtige Zeit für Nachwuchs? Oft wurde spekuliert, ob die Pandemie für eine höhere Geburtenzahl sorgt. Zumindest in Thüringen blieb der Babyboom aus, wie ein Blick auf die Zahl der Kinder je Frau verdeutlicht.
2019 kamen in Thüringen 16.647 Neugeborene zur Welt, 2020 waren es 15.991 und 2021 nur noch 15.377. In Geburtenziffern umgerechnet ergeben sich 1,55 (2019), 1,54 (2020) und 1,52 (2021) Neugeborene pro Frau im gebärfähigen Alter. Ein Blick in die vorläufige Statistik verrät, dass es 2022 nicht besser aussah. Bis einschließlich November kamen in Thüringen gerade einmal etwas mehr als 13.000 Kinder zur Welt, so wenige wie seit Jahren nicht.
Thüringen ist übrigens das einzige Bundesland neben Sachsen, in dem die Geburtenziffer von 2020 zu 2021 zurückging. In allen anderen Ländern stieg sie teils deutlich - vor allem in Baden-Württemberg, Bayern und Hessen. Deutschlandweit stieg die Ziffer von 1,53 Kinder je Frau im Jahr 2020 auf 1,58 im Jahr 2021. Die Statistiker führten das auf eine relativ stabile Lage auf dem Arbeitsmarkt und der besonderen Situation während der Pandemie zum Zeitpunkt der Zeugung zurück. Ein Befund, der offenbar nicht so auf Thüringen zutrifft.
Immer am Bildschirm?
Keine Frage: Die Digitalisierung erhielt durch die Pandemie richtig Schwung und half den Alltag zu bewältigen. Das Leben verlagerte sich vor Monitore und Smartphone-Displays. Entsprechend stieg die tägliche Bildschirmzeit.
Die Menschen kommunizierten per Video, schauten mehr Streaming-Portale, kauften im Netz ein und Unterricht sowie Vorlesungen wurden über weite Strecken nur noch digital abgehalten. Nach einer Umfrage des Branchenverbands der deutschen Informations- und Telekommunikationsbranche Bitkom verbrachten die Deutschen vor Corona rund acht Stunden vor dem Bildschirm. Im ersten Corona-Jahr waren es 10,4 und im zweiten 10 Stunden - insgesamt 70 Stunden pro Woche.
Bei Minderjährigen sah es nicht anders aus: Forscher der Universität Calgary in Kanada werteten weltweit Daten von Kindern und Jugendlichen aus und beobachteten ebenfalls einen rasanten Anstieg. Sie stellten in der Pandemie einen Anstieg von 52 Prozent auf täglich 4,1 Stunden Bildschirmzeit fest.
Dating mit Hindernissen?
Persönliche Treffen blieben lange tabu. Wenig überraschend ist deshalb das Ergebnis unserer Befragung von Thüringern im Winter vor einem Jahr. Ist die Partnersuche schwieriger geworden in der Pandemie? Das wollten wir damals wissen.
Bei der Befragung von MDRfragt meinten 80 Prozent, dass es schwieriger sei. Nur 13 Prozent verneinten dies (sieben Prozent machten keine Angabe). Rund ein Drittel der Partnersuchenden gab an, auch während Corona jemanden kennenlernen zu wollen. Viele davon probierten bereits vor der Pandemie Online-Dating aus. In Zeiten, in denen Cafés geschlossen blieben und das Gesicht hinter einer Maske versteckt war, begaben sich aber nicht wenige zum ersten Mal auf Partnersuche ins Netz.
Dating-Apps und Online-Partnerbörsen erlebten in den vergangenen drei Jahren einen regelrechten Boom. Mit Beginn der Pandemie zogen die Downloads der App Tinder in den Stores spürbar an. Laut einer Umfrage des Digitalverbands Bitkom waren auch mehr Menschen auf der Suche nach Romantik bereit, Geld für Online-Dating auszugeben. Im Jahr 2022 gab insgesamt ein Drittel der Internetnutzenden an, entsprechende Dienste zu nutzen.
Corona-Hunde?
Viel Zeit und Langweile, da könnte doch ein Haustier etwas Schwung in den Alltag bringen? Zunächst einmal: In der Pandemie gab es in Thüringen mehr registrierte Hunde.
Allein anhand der Zahlen lässt sich allerdings nicht auf einen Corona-Effekt schließen. Denn die Zahl der registrierten Hunde in Thüringen steigt seit Jahren, diesen Trend gab es auch schon vor der Pandemie. So waren im Jahr 2015 in Thüringen 145.298 Hunde registriert, im Jahr 2018 waren es 152.535 und im Jahr 2021 dann 155.102. Die Zahlen für 2022 liegen noch nicht vor.
Allerdings berichten nicht wenige Tierheim-Besitzer von sogenannten Corona-Hunden, die während der Pandemie angeschafft und später ins Tierheim gebracht wurden. Unter ihnen seien auch viele junge Hunde. Viele Tierheime seien deshalb überfüllt, kritisiert der Deutsche Tierschutzbund.
MDR (sar)
Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN | MDR THÜRINGEN JOURNAL | 02. März 2023 | 19:00 Uhr