Das noch unfertige Innenleben einer Autobatterie
Das noch unfertige Innenleben einer Batterie für Elektro-Autos. Bislang ist China Technologie-Führer. Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Wirtschaft Batterien für Elektroautos: Tausende Beschäftigte in Thüringen

28. April 2024, 19:23 Uhr

In der Batterieforschung hat Europa einen kräftigen Rückstand auf Asien. Doch auch in Thüringen wird an neuen Technologien geforscht. Zum Beispiel in Nordhausen, Jena oder Hermsdorf. Schon heute arbeiten tausende Menschen in Thüringen in der Herstellung und Erforschung von Batterien. Weniger Abhängigkeit von asiatischen Herstellern ist langfristig möglich. Aber sie braucht Zeit und Geld.

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Es geht durch eine Schleuse hindurch. Wer in die Test-Fertigung bei EAS Batteries in Nordhausen gelassen wird, muss einen antistatischen Ganzkörper-Anzug tragen. Grob vereinfacht gesagt: Hier werden unterschiedlich beschaffene Folien miteinander verheiratet, gewickelt und dann mit einem flüssigen Elektrolyt umhüllt. Fertig ist die Lithium-Ionen-Batterie, die unter anderem in Autos steckt.

Verschiedene Folien werden miteinander verklebt
Für eine Batterie werden bei EAS verschiedene Folien miteinander "verheiratet". Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Doch was einfach klingt, kann ziemlich knifflig sein. "Wir arbeiten hier vor allem an der Zellentwicklung", sagt EAS-Batteries-Geschäftsführer Michael Deutmeyer. Es geht darum, wie die unterschiedlichen Teile der Batteriezelle beschaffen sind, welches Material in welchem Teil genutzt wird. "Neue Anoden, neue Kathoden, neue Elektrolyte, neue Trägerfolien", sagt Deutmeyer und blickt auf eine Kupferfolie, die scharf gespannt ganz langsam zwischen zwei weitere Folien gepresst wird.

EAS Batteries-Geschäftsführer Michael Deutmeyer mit einem Mitarbeiter
EAS Batteries-Geschäftsführer Michael Deutmeyer mit einem Mitarbeiter Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Manche der Entwicklungen geschehen auf eigene Rechnung, etwa für Batterien, die in Forschungs-U-Booten zur Anwendung kommen. Andere erfolgen zum Beispiel im Auftrag des Autoherstellers BMW. "Im 46-Millimeter-Durchmesser-Format, dem Tesla zum Durchbruch verholfen hat", so Deutmeyer.

Heißt, eine runde Zelle hat 46 Millimeter Durchmesser. 4680 heißt dieser Typ. 46 Millimeter im Durchmesser, 80 Millimeter lang. Die Form ist ähnlich einer Batterie, wie sie in Fernbedienungen oder Taschenlampen steckt, die Leistungsdichte ist aber viel höher.

Aktuelle Technik fest in asiatischer Hand

Gut 30 Mitarbeiter entwickeln und produzieren hier. Der Umsatz ist binnen weniger Jahre auf mehr als sechs Millionen Euro geklettert. Massenfertigung aber findet nicht in Nordhausen statt, da sind eher die Nischenanwendungen zu Hause - und Entwicklungsleistungen im Auftrag Dritter wie BMW. Neue Materialien etwa können hier mit dem Standard-Format ausprobiert und unter Industriebedingungen hergestellt werden.

"Im Bereich der Lithium-Ionen-Zelltechnologie und auch dem Preisniveau, was zur Zeit aus China kommt, da werden wir noch lange abhängig bleiben. Keiner kann in dieser Qualität und zu diesen Kosten mithalten. Bis wir gleichziehen können, das wird noch viele Jahre dauern", sagt Deutmeyer.

Zusammengerollte verklebte Folien als Hauptbestandteil einer Autobatterie
Zusammengerollt bilden die Folien-Kombinationen den Hauptbestandteil einer Autobatterie. Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Das sieht Ulrich Schubert ganz ähnlich. Der Chemie-Professor und Batterieforscher hat an der Friedrich-Schiller-Universität Jena etliche Forschungsgruppen mit aufgebaut, die sich mit neuartigen Batterien beschäftigen, teilweise mit dem Fraunhofer-Institut für Keramische Technologien und Systeme in Hermsdorf zusammen.

Es geht darum, in den nächsten Batterie-Generationen stärker mitzumischen. Der Hersteller CATL, der ein Werk am Erfurter Kreuz betreibt, kommt aus China. So wie ein Großteil der Maschinen und Vorprodukte, die in Thüringen montiert und dann an Autohersteller geliefert werden.

"Die Batterie hat von der Wertigkeit her den gleichen Stellenwert wie ein Verbrennungsmotor", sagt Rico Chmelik. Er ist Geschäftsführer des hiesigen Zuliefererverbands Automotive Thüringen. "Es gibt eine hohe Wertschöpfung, die Batterie ist wertvoll." Schon heute arbeiteten etwa 5.000 Menschen direkt in Entwicklung und Herstellung von Batterien in Thüringen, heißt es von Automotive Thüringen.

Rico Chmelik, Geschäftsführer «automotive thüringen e.V.»
Rico Chmelik von "automotive thüringen e.V." Bildrechte: automotive thüringen e.V./Norman Hera

Bei CATL werden Batteriemodule gefertigt, hier sollen es 2.000 Mitarbeiter werden. Die Batteriemanagementsystem-Fertigung bei Marquardt wird gleich nebenan aufgebaut und soll bis zu 800 Beschäftigte haben. Doch bei den Zellen bestehe die Gefahr, dass man die alte Abhängigkeit von russischem Öl und Gas eintausche gegen eine neue Abhängigkeit, vor allem von China. Bisher spielen nämlich europäische Unternehmen in der Zellherstellung kaum eine Rolle.

Preise für Akkus sinken

Es lohne sich also zu ergründen, ob man sich nicht um mehr Wertschöpfung in Thüringen bemühen könne. Der Verband hat das von der Technischen Universität Chemnitz untersuchen lassen. Beim Chemnitz Automotive Institute (CATI) haben die Forscher ermittelt, dass der Bedarf an Akkus immer größer wird - allein durch immer mehr Elektroautos.

Trotzdem erwarten die Forscher, dass die Preise für die Akkus zurückgehen. Bis nächtes Jahr um 15 Prozent, bis 2030 um 40 Prozent. Vorausgesetzt die Rohstoffe werden nicht teurer, so die CATI-Studie.

Das politische Ziel, bis 2030 etwa 60 Prozent Elektroautos bei den Neuwagen zu haben, halten die Wissenschaftler für zu ambitioniert, aber 50 Prozent Anteil sagen die Chemnitzer voraus. Herstellungskapazitäten gibt es dafür genug, aber die sind zumeist in asiatischer Hand. Und da besteht etwa bei China durchaus die Sorge vor zu großer Abhängigkeit.

Der Corona-Lockdown der chinesischen Häfen hatte gezeigt, dass Lieferketten empfindlich sind. Liefert China nicht mehr, könnten hier Autofabriken zum Stillstand kommen, wenn es keine Akkus gibt.

Natrium-Ionen-Akkus aus Thüringen möglich

"Es gibt andere Batteriearchitekturen mit anderen Rohstoffen", sagt Chmelik, "Natrium-Ionen-Batterien zum Beispiel." An denen wird auch in Thüringen gearbeitet. Die Energiedichte ist weniger hoch, was aber zum Beispiel für Anwendungen außerhalb von Autos - etwa als Pufferspeicher für Windkraft oder Solarstrom - kein Problem wäre. Natrium steckt in Salz - und das ist in Europa reichlich vorhanden. "Und bei diesen Batterie-Architekturen sind die Messen noch nicht gesungen", so Chmelik. Da gebe es Chancen für Deutschland, für Europa.

Doch da liegt der Hase im Pfeffer. Denn die Forschung ist teuer - und weil die Bundesregierung ungenutzte Corona-Hilfen nicht einfach für andere Dinge umwidmen darf, hat sie kurz vor Weihnachten an vielen Stellen die Ausgaben gekürzt. Unter anderem knapp 100 Millionen Euro für Batterieforschung bis 2028.

Gerade Deutschland als Automobilland braucht die Fachleute, die durch die Forschung an den Hochschulen ausgebildet werden.

Michael Deutmeyer

"Anstatt die Förderung zu reduzieren, sollte man sie verzehnfachen", schimpft EAS-Chef Deutmeyer. "Gerade Deutschland als Automobilland braucht die Fachleute, die durch die Forschung an den Hochschulen ausgebildet werden."

Auch der Jenaer Professor Ulrich Schubert findet, die Entscheidung sei bedenklich. In den vergangenen Jahren sei viel Knowhow aufgebaut worden, in Jena, in Braunschweig, in Hermsdorf. "Den Schwung drohen wir jetzt zu verlieren." Langfristig könne das dem Standort schaden.

Neue Batterien müssen nicht mehr geschreddert werden

Neue Forschungsprojekte würden ohne Budget aus Deutschland immer schwieriger. Immerhin die ersten Forschungsgruppen versuchten inzwischen, ihre Ergebnisse industriell zu verwerten - etwa in großflächigen Speichern für Windparks oder Solaranlagen.

Bei EAS geht es derweil neben den Materialien für die Akkus auch um deren Ableben. "Verbrauchte Akkus zu shreddern ist total ineffizient", sagt Michael Deutmeyer bestimmt. Die Rundzellen seien grundsätzlich gut recycelbar, könnten gut demontiert werden.

Verbrauchte Akkus zu shreddern ist total ineffizient.

Michael Deutmeyer

Bis zu 93 Prozent der hier mitentwickelten neuen Akkus könnten verwertet werden. "Die Metalle, das Aktivmaterial, das geht alles." Die nächste Batteriegeneration für BMW werde da schon viele Kriterien erfüllen. "Grundsätzlich ist das alles auseinandernehmbar und austauschbar."

Mehr zur Forschung zu Energiespeichern

MDR (flog/dr)

Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR THÜRINGEN JOURNAL | 28. April 2024 | 19:00 Uhr

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