Bundesverwaltungsgericht Leipzig Versammlungsverbot in Sachsen zu Corona-Beginn war unverhältnismäßig
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21. Juni 2023, 16:07 Uhr
Während der Corona-Pandemie änderte sich die Höchstanzahl für Teilnehmer bei einer Versammlung je nach Infektionslage teilweise im monatlichen oder wöchentlichen Takt. Zu Beginn der Pandemie im April 2020 war es generell untersagt, sich öffentlich zu versammeln. Das Bundesverwaltungsgericht bezweifelt nun, dass das rechtens war.
- Das generelle Versammlungsverbot zu Beginn der Corona-Pandemie bezeichnet das Bundesverwaltungsgericht als unverhältnismäßig.
- Für das Gericht ist das komplette Verbot ein schwerer Eingriff in die Grundrechte der Bürgerinnen und Bürger.
- Obwohl sich die Anzahl der Infektionen verlangsamte, blieben öffentliche Versammlungen generell verboten.
Das völlige Verbot von Versammlungen zu Beginn der Corona-Pandemie im April 2020 in Sachsen war unverhältnismäßig. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig entschieden. Das oberste deutsche Verwaltungsgericht stufte die entsprechende Passage einer sächsischen Corona-Schutzverordnung damals als unwirksam ein.
Gericht: Versammlungsverbot greift in Grundrechte ein
Das komplette Verbot sei "ein schwerer Eingriff in die Versammlungsfreiheit" gewesen, befand das Gericht. Dass die Verordnung Einzelgenehmigungen in Aussicht stellte, habe wenig geändert. Aus der Vorschrift sei nicht erkennbar gewesen, unter welchen Voraussetzungen Versammlungen trotz Pandemie vertretbar gewesen sein könnten. Die Landesregierung hätte das regeln müssen, "um zumindest Versammlungen unter freiem Himmel mit begrenzter Teilnehmerzahl unter Beachtung von Schutzauflagen wieder möglich zu machen".
Die Untersagung aller Versammlungen war ein schwerer Eingriff in die Versammlungsfreiheit.
Geklagt hatte ein 36 Jahre alter Mann, der gegen eine Einschränkung der Grundrechte vor dem Gesundheitsministerium in Dresden demonstrieren wollte. In der Vorinstanz am sächsischen Oberverwaltungsgericht scheiterte er. Auch andere Bundesländer hatten damals Kundgebungen untersagt.
Trotz abnehmender Infektionen blieb Verbot
In seinem Urteil ((Az.: BVerwG 3 CN 1.22) bestätigte das Bundesverwaltungsgericht zwar, dass eine Pandemie die Einschränkung der Versammlungsfreiheit rechtfertigen könne. Aber: Das Recht auf freie Versammlung gehört zu den grundlegenden Rechten des Grundgesetzes. Dabei habe der Freistaat Sachsen selbst in einer Einschätzung im April 2020 festgehalten, dass sich das Infektionsgeschehen damals verlangsamte. Ein generelles Versammlungsverbot sei demnach unverhältnismäßig, begründete das Gericht.
Versammlungsrecht je nach Infektionslage eingeschränkt
Je nach Corona-Fallzahlen galten während der Pandemie unterschiedliche Bestimmungen für Versammlungen. Ab November 2020 durften öffentliche Versammlungen mit höchstens 1.000 Teilnehmenden unter Einhaltung der Infektionsschutzregeln stattfinden. Ein ähnlich harter Eingriff kam für das Versammlungsrecht im November 2021, als sich aufgrund hoher Inzidenzen und überlasteter Krankenhäuser nur noch zehn Personen versammeln durften.
Diese Regelung wurde im Januar 2022 aufgeweicht und die Zahl der möglichen Versammlungsteilnehmenden unabhängig von der Corona-Inzidenz auf 200, im Februar auf maximal 5.000 Teilnehmern erhöht. Seit dem Auslaufen der Corona-Schutzmaßnahmen im April 2023 gibt es keine pandemiebedingten Einschränkungen mehr für Versammlungen.
MDR (phb,kbe)/dpa/afp
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | Nachrichten | 21. Juni 2023 | 12:00 Uhr