Schweinitz an der Schwarzen Elster liegt im Dreiländereck von Sachsen, Sachsen-Anhalt und Brandenburg.
Die Auswertung von MDR-Data zeigt, ein außergewöhnlich hohes Stadt-Land-Gefälle bei den Wahlergebnisse in Sachsen. Bildrechte: MDR/Frank Stuckatz

Datenanalyse Krasses Stadt-Land-Gefälle bei der Landtagswahl – BSW- und Linke-Wähler unterscheiden sich deutlich

04. September 2024, 16:40 Uhr

Die Ergebnisse von AfD, Linken, SPD und Grünen bei der Landtagswahl in Sachsen unterscheiden sich enorm zwischen Stadt und Land. Die AfD wächst dort am meisten, wo sie ohnehin am stärksten ist - im ländlichen Raum. Die BSW-Wählerschaft ist sowohl in Stadt als auch auf dem Land beheimatet. Die CDU fährt in der Oberlausitz erstaunliche Ergebnisse ein.

Volontär Tycho Schildbach
Bildrechte: MDR/ Felix Schlagwein

Das Bündnis Sahra Wagenknecht scheint ein Problem zu lösen, das der Linken zu schaffen macht: Das BSW ist bei Stadt- wie bei Dorfbewohnern fast gleichermaßen beliebt. Die Linke sammelt ihre Stimmen hingegen überwiegend in Städten. Das zeigt eine Analyse von MDR Data, die sich auf Daten der Statistischen Landesämter stützt.

Die deutlichen Unterschiede in der Wählerstruktur sind bemerkenswert. Denn Auswertungen der Wählerwanderungen zeigen, dass ein großer Teil der sächsischen BSW-Wählerschaft zuletzt bei Sahra Wagenknechts Ex-Partei – der Linken – ihre Kreuze setzte.

Das BSW erreicht stabile Zustimmungswerte über alle Gemeindegrößen hinweg. Das gilt sowohl für in Sachsen als auch in Thüringen. Interessant ist, dass das BSW in beiden Bundesländern die höchsten Stimmenanteile in Kleinstädten von 5.000 bis 19.999 Einwohnerinnen und Einwohner gewinnt. In Sachsen lag das Wahlergebnis in diesen Gemeinden bei 12,3 Prozent. Landesweit holte das BSW 11,8 Prozent der Stimmen.

AfD: Je ländlicher, desto stärker

Bei der AfD-Zustimmung gilt die Formel: je ländlicher, desto stärker. Hätten nur Menschen in Gemeinden unter 20.000 Einwohnerinnen und Einwohnern gewählt, läge das Wahlergebnis der AfD in Sachsen bei 36,2 Prozent - also 5,6 Prozentpunkte über dem landesweiten Wert. In den kleinsten Gemeinden von unter 1.000 Einwohnern kommt die AfD im Schnitt sogar auf 41,5 Prozent. Im urbanen Raum mit Gemeinden über 20.000 Menschen liegen die Zustimmungswerte hingegen bei nur 25,2 Prozent.

Die Freien Sachsen, die der sächsische Verfassungsschutz wie die AfD als rechtsextremistisch einstuft, gewinnen ebenfalls in Gemeinden unter 1.000 Einwohnern die meisten Stimmen (2,9%). In Gemeinden mit mehr als 20.000 Einwohnern schneiden sie am schlechtesten ab (1,8%).

Warum nicht alle ländlichen Gemeinden per Einwohnerzahl gemessen werden können

Diese Analyse orientiert sich bei der Trennung in eher ländliche und eher urbane Räume an den Grenzwerten des Bundesinstituts für Bau-, Stadt, und Raumforschung (BBSR). Das BBSR kategorisiert Gemeindeverbände oder Einheitsgemeinden von 5.000 bis unter 20.000 Einwohnerinnen und Einwohner als "Kleinstadt" und damit als eher ländlich.

Es fallen bei der Einteilung nach Einwohnerzahlen aber ebenso Gemeinden in diese Kategorie, die zum Umland von größeren Städten gehören und auch urbane Eigenschaften aufweisen. Praktisch heißt das: Eine Gemeinde mit 500 Personen kann in einem städtischen Speckgürtel liegen und eine Gemeinde mit 22.000 Einwohnern eher ländlich geprägt sein. Die Einteilung der Gemeinden in verschiedene Kategorien nach Einwohnerzahler ist daher nur eine Annäherung an die Realität.

Die politischen Gräben zwischen Stadt und Land sind in Sachsen tief

Linke, SPD und Grüne sind in urbanen Regionen deutlich populärer als in ländlichen. Die sächsischen Grünen überzeugen in Gemeinden ab 20.000 Einwohnern über viermal so viele Menschen wie in kleineren Gemeinden. Bei den sächsischen Linken ist der Zuspruch in Städten dreimal höher, bei der SPD knapp zweimal. Bei allen drei Parteien fällt der Stadt-Land-Unterschied in Sachsen deutlich größer aus als in Thüringen.

Insgesamt bestätigt die Landtagswahl in Sachsen die klassische Rollenverteilung zwischen einem eher linken Wahlverhalten in der Stadt und einem eher rechten Wahlverhalten auf dem Land. Das BSW lässt sich auf einem Links-Rechts-Spektrum jedoch kaum einordnen. Dasselbe gilt für ihre Wählerschaft, die weder klar städtisch noch klar ländlich geprägt ist.

Die AfD wächst auf dem Land am stärksten

Im Vergleich zur Landtagswahl 2019 zeichnet sich eine Entwicklung ab: Die AfD spricht nicht nur generell Menschen im ländlichen Raum stärker an, sie gewinnt dort auch mehr neue Wähler hinzu.

Schon bei der Landtagswahl 2019 erreichte die AfD auf dem Land (31,7%) ein deutlich stärkeres Ergebnis als in der Stadt (23,4%). Das Stadt-Land-Gefälle hat sich nun noch weiter vergrößert. Denn in Gemeinden unter 20.000 Einwohnern stieg die Zustimmung um 4,5 Prozentpunkte, in urbanen Regionen nur um 1,8 Prozentpunkte.

CDU und SPD zeigen fast identische Tendenzen: Leicht Gewinne in den Städten, leichte Verluste auf dem Land. Die bei Städtern traditionell beliebten Grünen verlieren im Vergleich zu 2019 vor allem bei ihrer urbanen Stammwählerschaft (-4,6 Prozentpunkte).

Erstaunliche Ergebnisse in ländlichen sorbischen Gemeinden

Die Auswertung von Gemeinden mit weniger als 5.000 Einwohnerinnen und Einwohnern offenbart ein interessantes Phänomen in der Oberlausitz. Denn AfD, CDU und SPD fahren in den ländlichen Regionen hier ungewöhnliche Wahlergebnisse ein.

Grundsätzlich steigen die AfD-Wahlergebnisse in den kleinen Gemeinden in Richtung Osten an. Den größten Wahlerfolg erzielt sie in der Gemeinde Dürrhennersdorf nahe der tschechischen Grenze mit 54,2 Prozent. Doch in der Oberlausitz kommt die Partei in den drei nebeneinander gelegenen Gemeinden Crostwitz (22,3%), Panschwitz-Kuckau (22,8%), Ralbitz-Rosenthal (25,4%) auf ihre landesweit schwächsten Ergebnisse im ländlichen Raum.

CDU in sorbischen Gemeinden stark

Gleichzeitig ist die CDU in genau diesen drei Gemeinden so erfolgreich wie nirgendwo sonst. In Crostwitz (55,6%) und Panschwitz-Kuckau (51,3%) knackt sie sogar die 50-Prozent-Marke. Eine schwarze Insel im blauen Meer – so der Eindruck auf der Karte.

Ein Erklärungsansatz für dieses Phänomen liegt in der sorbischen Minderheit, die in der Oberlausitz lebt. "Ich denke, die Menschen bei uns sind besonders konservativ", sagt Marko Klimann gegenüber der AFP. Er ist Sorbe und für die CDU Bürgermeister von Crostwitz. Unter Konservatismus verstehe er etwas anderes als die AfD. "Die meinen ja nicht das Bewahren und Weiterentwickeln. Die wollen ja eher rückentwickeln, wollen in alte Zeiten zurück."

Neben der CDU ist auch die SPD in der sorbischen Oberlausitz relativ beliebt. Räckelwitz (7,9%) und Crostwitz (7,1%) gehören zu den stärksten ländlichen Gemeinden der SPD. FDP und Linke knacken nirgendwo im ländlichen Raum die Fünf-Prozent-Hürde. Den Grünen gelingt dies lediglich in Rathen (5,1%). Auch in anderen Gemeinden im Dresdner Speckgürtel schneiden die Grünen noch etwas besser ab als in anderen ländlichen Regionen. Beispiele sind Struppen (4,2%), Arnsdorf (4%) und Kreischa (3,5%).

Bei den rechtsextremistischen Freien Sachsen zeigt sich eine klare Hochburg im Osterzgebirge in Gemeinden wie Liebstadt (6,8%), Hermsdorf (6,1%), Reinhardtsdorf-Schöna (6%).

MDR (Tycho Schildbach)

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