Das Renaissance-Schloss Colditz an der Zwickauer Mulde
An den Auen entlang der Zwickauer Mulde wurde eine erhöhte Konzentration von PFOS entdeckt. Bildrechte: picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild/Peter Endig

Hörer machen Programm Wird das Trinkwasser in Colditz durch Chemikalien belastet?

05. April 2023, 14:53 Uhr

In Deutschland sind mehr als 1.500 Orte mit den hochgiftigen und eventuell krebserregenden Industriechemikalien PFAS belastet. Davon ist auch das sächsische Colditz betroffen. MDR AKTUELL-Hörerin Katrin Hofmann fragt sich deshalb, ob es gefährlich oder gesundheitsschädigend ist, das Leitungswasser aus der Region zu trinken.

MDR-Volontär 2019/2021 Robin Hartmann
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Die Auen entlang der Zwickauer Mulde in der Kleinstadt Colditz sind geprägt von Wiesen und Sträuchern. Bei gelegentlichen Hochwassern hat der Fluss hier Platz, über seine Ufer zu treten.

Auf diesen Flächen betreibt das sächsische Landesamt für Umwelt eine Boden-Dauerbeobachtung. Bereits 2015 wurde eine erhöhte Konzentration von Perfluoroctansulfonsäure, abgekürzt PFOS gefunden. Die Konzentration lag damals bei 9,5 Mikrogramm pro Kilogramm Boden. Bei einer Nachmessung 2017 betrug die Konzentration immer noch 5,7 Mikrogramm pro Kilogramm. Eine aktuelle Bodenprobe aus dem Jahr 2022 befindet sich in den Laboren zur Auswertung.

Herkunft der PFOS unklar

Wie der Stoff, der der Gruppe der giftigen PFAS angehört, dort hingekommen ist, kann Burkhard Beyer, Sprecher des sächsischen Umweltministeriums, nur vermuten: "Dadurch, dass das eine Auenfläche ist, die auch regelmäßig Überschwemmungen ausgesetzt ist, gehen wir davon aus, dass dort Sedimentablagerungen dazu geführt haben. Das ist aber mutmaßlich schon etliche Jahre her, weil die PFOS dort in mehr als 20 Zentimeter Tiefe gefunden wurden. Das heißt, da müssen schon noch ein paar Hochwasser drüber gehen, damit man wirklich eine entsprechende Sedimentschicht hat."

Wie der Stoff überhaupt in das Muldewasser gekommen ist, lasse sich nicht herausfinden, sagt Beyer. Klar ist, PFOS ist als Chemikalie vor allem in den 90er-Jahren im großen Stil verwendet worden, allerdings ist die Verwendung in der EU bereits seit 2006 zum Großteil verboten.

Dennoch sei es nicht ungewöhnlich, dass man den Stoff noch findet, schildert Chemiker und PFOS-Experte im Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung, Professor Thorsten Reemtsma: "Wenn man heute PFOS in der Umwelt findet, dann liegt es daran, dass der Stoff extrem stabil ist und dass aus den früheren Verwendungen der Stoff in der Umwelt überlebt hat und wir ihn heute überall finden. Die Gehalte, die sich dort in der Auenlandschaft an der Mulde gefunden haben, sind nicht herausragend hoch."

So liegen die Grenzwerte für die PFOS Belastung im Boden 10-mal höher als die in Colditz gefundenen Werte.

PFAS und PFOS Nach einer Recherche von Journalisten wurden an 1.500 Orten Chemikalien aus der Gruppe der Per- und polyfluorierte Alkylsubstanzen (PFAS) gefunden. Dies ist eine große Gruppe von organischen Verbindungen, bei denen Fluratome ganz oder teilweise die Wasserstoffatome ersetzen. Aufgrund dieser Veränderung sind die Stoffe schmutz-, wasser- und fettabweisend und werden in Industrie und Wirtschaft vielfältig verwendet. Der am häufigsten aus der Gruppe der PFAS verwendeten Stoff ist die langkettige Perfluoroctansulfonsäure (PFOS). Sie liegt oft in Form eines Salzes vor und wurde letztmalig 2015 in Deutschland hergestellt.

Stoffe für Trinkwasser unbedenklich

Für das Grundwasser, aus dem sich das Trinkwasser der Region speist, sei der Stoff ebenfalls nicht problematisch, sagt Reemtsma: "Diese Konzentration von PFOS, über die wir hier gerade gesprochen haben, ist nicht bedenklich für das Trinkwasser. Der Stoff selbst hat eine starke Neigung zur Sorption. Das heißt, er hält sich eher am Sediment und am Boden fest und ist gar nicht besonders gut wasserlöslich." Außerdem wurden mit der neu überarbeiteten Trinkwasserverordnung die Grenzwerte für PFAS noch einmal verschärft.

Problematischer sind aus Sicht des Experten andere Aufnahmemöglichkeiten der Stoffe. Einatmen von belasteten Hausstaub oder das Essen von PFAS belasteter Nahrung bergen ein größeres Risiko. Zumal nicht immer ersichtlich ist, ob sich die unsichtbaren und geschmacklosen Stoffe in den Lebensmitteln angereichert haben. So rät das sächsische Landesamt für Umwelt, den Verzehr von Fischen aus der Mulde zu beschränken, empfiehlt maximal 100 Gramm Filet pro Woche.

Doch Professor Reemtsma beruhigt: Eine einmalige Aufnahme der Stoffe führt nicht zu einer Erkrankung. Problematisch ist es, wenn man über Jahre hinweg den Stoffen ausgesetzt ist. Deswegen empfiehlt er, die Stoffe so gut es geht aus dem eigenen Haushalt zu verbannen.

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | Das Nachrichtenradio | 05. April 2023 | 06:00 Uhr

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