Wave-Gotik-Treffen Südfriedhof Leipzig gibt zum WGT Einblicke in Kremationsofen

28. Mai 2023, 22:22 Uhr

Neben Bandauftritten, poetischen Vorträgen und Mittelaltermarkt, öffnen auch Leipziger Friedhöfe zum Wave-Gotik-Treffen ihre Tore. Prächtig ausgemalte Trauerhallen stehen offen, Grabmäler berühmter Persönlichkeiten sind zu besichtigen. Und dieses Jahr haben Mitarbeiter des Krematoriums erklärt, wie Verstorbene bei Hunderten von Grad Celsius eingeäschert werden.

Die Sonne strahlt durch halbrunde, neoromanische Fenster. In der östlichen Trauerhalle auf dem Südfriedhof Leipzig flackern Kerzen auf mehreren Kerzenständern. Davor posiert Lady Rori für ein Foto an einer Sargplatte aus Metall. "Rori bedeutet 'kleine Mädchenpuppe'", übersetzt die 35-Jährige ihren Gothic-Spitznamen.

Rori heißt mit bürgerlichem Namen Maybelle und kam 2011 von den Philippinen der Liebe wegen nach Deutschland. In ihrer ursprünglichen Heimat sei sie schon Gothic gewesen - aber im Geheimen. "Auf den Philippinen gibt es eine kleine Gruppe Gothics. Das Gothic sein ist dort aber verboten. Meine Mutter ist katholisch und denkt, das sei vom Teufel und Satanismus."

Auf den Philippinen gibt es eine kleine Gruppe Gothics, es ist dort aber verboten. Meine Mutter ist katholisch und denkt, das sei vom Teufel und Satanismus.

Maybelle Gothic, gebürtig von den Philippinen

Für Philippina ist Gothic sein eine zweite Welt

Doch für Maybelle sei es eine Form, sich selbst auszudrücken. "Für mich ist es eine zweite Welt, in der ich zu 100 Prozent ich bin", sagt die Frankfurterin. Lange Zeit hat sie in Leipzig gelebt und kommt gerne an die alten Ruheorte zurück: "Der Südfriedhof ist für mich kein Friedhof, sondern wie ein Park. Hier kann ich meine Gedanken sortieren."

Keine Berührungsängste mit Tod und Sterben

Die Ruhe des Parks genießen auch Danny, seine Mutter Gabriele und ihre Freundin Catia aus Lößnitz im Erzgebirge. Sie sitzen zwischen prachtvollen Grabmalen in Pyramiden- oder Pavillonform und unterhalten sich. Seit einigen Jahren seien sie bei jedem WGT dabei gewesen. "Es hat etwas Familiäres. Es ist eine große Gruppe, die aufeinander aufpasst", meint Danny.

Jeder geht einmal. Da darf man keine Angst haben.

Gabriele geht mit ihrem Sohn jedes Jahr aufs WGT

Der 24-Jährige hatte seine Mutter Gabriele einfach Mal zum WGT nach Leipzig mitgenommen. "Wenn man einmal mitmacht, macht man immer mit", sagt die 61-Jährige und lacht. Vögel zwitschern, Wind rauscht leise durch die Bäume, ansonsten ist es still. "Ich genieße diese Friedlichkeit hier. Für mich ist es eine Möglichkeit, aus dem Alltag raus zu kommen." Berührungsängste habe sie mit dem Thema Tod und Sterben keine und schaut dabei auf ein Grabmal: "Jeder geht einmal. Da darf man keine Angst haben."

Blick ins Krematorium

An den Baumalleen auf dem Südfriedhof laufen Jens und Simone aus Weißenfels entlang. Sie kommen gerade von einer Führung aus dem Krematorium und wollen noch zum Grab des DDR-Musikers Klaus Renft. Für beide war es das erste Mal ein funktionierendes Krematorium zu sehen: "Es war sehr interessant zu erfahren, wie der Ablauf so im Original funktioniert", sagt Simone.

Um 13 Uhr beginnt die nächste Führung. Rund zwei Dutzend Menschen drängen sich in eine Kellerhalle, wo zwei Kremationsöfen stehen. Es ist warm und stickig. "In den Öfen können jeweils drei Menschen gleichzeitig eingeäschert werden. Der Vorgang dauert etwa drei Stunden", erklärt der technische Direktor der Leipziger Friedhöfe, Wolfgang Weigel.

Einäscherung im Drei-Schicht-System

Im Schnitt liegen Weigel zufolge zwischen 200 bis 300 Leichname in der Kühlung, davon würden 20 bis 30 pro Tag eingeäschert. Das Krematorium laufe rund um die Uhr im Drei-Schicht-Betrieb, sagt Weigel sachlich über den technischen Ablauf. "Wird einem das nicht irgendwann zu viel, so viele Tote zu sehen?", fragt jemand aus der Besuchergruppe. "Bei verstorbenen Kindern ist das schon schwierig", sagt Weigel. Und der Krematroiumswart Falk Unglaub fügt hinzu: "Das muss man abtun können."

Hüftgelenke bekommen Extra-Bestattung

Er erklärt den Gästen den Ablauf so einer Kremierung. Zuerst werde der Sarg von einer krakenartigen Zange auf eine Einfuhrschiene geladen. "Über die Einfuhrschiene fährt der Sarg in die erste Ofenkammer mit circa 850 Grad Celsius", sagt Unglaub.

In der zweiten Ofenkammer werden danach bei bis zu 1.500 Grad Celsius auch Hüft- und Beckenknochen eingeäschert. Die dritte Kammer dient der Abkühlung der Asche, bevor sie in die Urne kommt. Kremationswart Unglaub hält Metallteile in der Hand und zeigt sie den Besuchern: "Künstliche Hüftgelenke werden gesammelt und später in einem Gemeinschaftsgrab bestattet."

Nach etwa einer halben Stunde verlassen die Besucher die stickige Kremationshalle und genießen einen Spaziergang auf dem Friedhofsareal.

Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | SACHSENSPIEGEL | 28. Mai 2023 | 19:00 Uhr

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