Stadt als Lebensraum Waschbären-Plage in Leipzig: Hilft die Jagd auf die hochintelligenten Tiere?
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07. Juni 2023, 16:48 Uhr
Sie sehen knuffig und niedlich aus. Doch auch in Leipzig sind Waschbären zu einer Plage geworden. Die Raubtiere sind nicht nur für Singvögel gefährlich. Ein richtiges Rezept gegen die Problembären scheint es nicht zu geben. Einige Argumente sprechen dagegen, die Tiere zu bejagen.
- Waschbären wurden vor mehr als Hundert Jahren nach Europa eingeschleppt und sind seitdem zu einer Plage geworden.
- Die Raubtiere sind Allesfresser und rauben die Nester von Vögeln und Eichhörnchen aus.
- Die Population könnte laut eines Waschbär-Experten durch das Einfangen von älteren Tieren begrenzt werden.
Phils gute Stube im Erdgeschoss ist komplett verwüstet. Der kleine Kater ist vorübergehend obdachlos. Im Baumhaus der Kinder hatte Toralf Keller und seine Familie aus Leipzig-Knauthain dem Tier ein gemütliches Heim geschaffen. Doch unbekannte Eindringlinge zerstörten das Idyll. Dabei war es gut gesichert, erklärt Keller: "Der Verschlag, wo wir nur unsere Katze füttern wollten, ist mit einer Katzenklappe gesichert. Die kann eigentlich nur durch den Chip der Katze geöffnet werden."
Was tun gegen Waschbären? Der Naturschutzbund Leipzig empfiehlt, Waschbären nicht zu füttern. Durch Speiseabfälle auf dem Kompost sollten die Tiere nicht angelockt werden. Zudem sollte es für die Raubtiere keine Möglichkeiten geben, im Haus oder Garten unterzuschlüpfen. Nisthilfen für Vögel sollten waschbärsicher angebracht werden. Quelle: Naturschutzbund Leipzig
Aber wie sind die Räuber ohne Chip hineingekommen? Und wer waren die Räuber? Toralf Keller wollte es genau wissen und installierte eine Wildkamera. Die lieferte eindeutige Beweise und überführte die Gauner. "Auf den Videoaufnahmen haben wir Waschbären gesehen, die sich an der Box mit dem Katzenfutter zu schaffen machten. Die Waschbären hatten die Katzenklappe, clever wie sie sind, mit ihren kleinen Händchen aufgezogen", sagt Keller. Die schnelle Lösung des Problems: Das Katzenfutter hat der 49-Jährige herausgenommen. Seitdem sei Ruhe.
Waschbären vor über Hundert Jahren eingeschleppt
Eigentlich sind Waschbären in Nordamerika heimisch. Sie breiten sich jedoch seit Beginn des 20. Jahrhundert auch in Europa aus, weil der Mensch sie hier einschleppte, erklärt René Sievert vom Naturschutzbund Leipzig. "Der Waschbär besetzt hier eine ökologische Nische. Er hat keine natürlichen Feinde, kann sich also schnell verbreiten." Zudem sind Waschbären Allesfresser, die überall Futter finden.
Der Waschbär besetzt hier eine ökologische Nische. Er hat keine natürlichen Feinde, kann sich also schnell verbreiten.
Dennoch mache es wenig Sinn, die Tiere zu jagen, meint Sievert. Denn die Tiere würden sich rasend schnell wieder vermehren. "Wenn Reviere von Waschbären frei sind, ist die Reproduktion so gut, dass die freien Plätze schnell wieder besetzt sind. Eine erhöhte Bejagung ist Aktionismus, die keinen Sinn macht", erklärt Sievert. Gegen die Raubtiere könne man nicht viel machen: "Man muss die natürlichen Lebensbedingungen für die heimische Tierwelt verbessern, damit Tiere Rückzugsmöglichkeiten haben."
Raubtiere rauben Nester von Vögeln aus
Waschbären fühlen sich auch inmitten von Leipzig pudelwohl, erklärt Rico Nelke. "Waschbären sind hochintelligente Tiere, beinahe so intelligent wie Krähen. Sie können Farben unterscheiden und sich Gesichter von Menschen über fünf Jahre merken", sagt der erfahrene Jäger und ausgewiesene Waschbär-Experte fast schon bewundernd. Nelke hat von der Stadt eine offizielle Genehmigung, Waschbären in Leipzig zu jagen und zu fangen.
Waschbären sind hochintelligente Tiere, beinahe so intelligent wie Krähen. Sie können Farben unterscheiden und sich Gesichter von Menschen über fünf Jahre merken.
Und Nelke hat viel zu tun, denn die knuffig aussehenden Gesellen sind beispielsweise im Clara-Zetkin-Park zu echten Problembären geworden. "Vor sieben Jahren konnte man hier beobachten, dass ältere Damen hier Einhörnchen gefüttert haben. Aber ich habe seit zwei Jahren gar keine Eichhörnchen mehr gesehen", sagt der Waschbär-Jäger. Aber auch Jungtiere von Singvögeln und Enten stünden auf der Speisekarte der Waschbären.
Population eindämmen: Alttiere einfangen
Wegen der immer größeren Anzahl an Waschbären, hält Rico Nelke die Jagd auf die Tiere für notwendig. Dazu stellt er Fallen auf, in die Waschbären gelockt und festgehalten werden. Noch in der Falle werden die Tiere Nelke zufolge tierschutzgerecht getötet. Er weist darauf hin, dass das Töten von Waschbären durch Privatpersonen verboten ist.
Dass die Bejagung der Raubtiere nichts bringt, stimme nur teilweise, erklärt Nelke: "Jeder kann eine Waschbärfalle im Garten aufstellen. Dabei werden meistens nur die Jungtiere gefangen." Das Problem: Die älteren Tiere merken das und würden sich sofort wieder fortpflanzen, sagt Nelke: "Deswegen muss man die Alttiere fangen."
MDR (phb,rok)
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | Regionalreport aus dem Studio Leipzig | 07. Juni 2023 | 16:20 Uhr