Später Einkauf Spätis in Leipzig: Zwischen Ordnungsamt-Druck und Neustart
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28. Januar 2025, 05:01 Uhr
Die Brötchen fürs Frühstück vergessen - einfach noch schnell zum Späti um die Ecke. Für viele Leipzigerinnen und Leipziger gehören die Spätverkaufsstellen in ihrem Kiez einfach dazu. Doch die Geschäfte sind letzter Zeit häufiger Zielscheibe von Kontrollen durch das Ordnungsamt geworden. Denn was Spätis dürfen und was nicht, ist gar nicht so einfach. Im Gespräch mit MDR SACHSEN berichten Späti-Betreiber und -Nutzer von Unsicherheit, Schikanen, aber es gibt auch positive Stimmen.
Thomas öffnet die Tür zum Pink Panther. Er nimmt sich eine Cola-Flasche aus dem Regal und geht zur Kasse. Er sei Stammkunde in dem Späti, erzählt der Leipziger. Ob er von den jüngsten Kontrollen von Zoll und Ordnungsamt etwas mitbekommen hat? "Natürlich, weil ich wohne direkt hier oben drüber im Haus", sagt Thomas.
Ich glaube, dass es vielen Spätis schon länger so geht, dass sie beobachtet werden und dass sie unter Druck stehen - sei es wegen der Öffnungszeiten, sei es mit dem, was sie verkaufen dürfen.
Stammkunde: Spätis sollen klein gemacht werden
Seiner Darstellung nach hätten Ordnungsamt und Zoll den Späti "komplett auf den Kopf gestellt, wie bei einer Hausdurchsuchung." Das Geschäft sei voller Beamter gewesen. Die gehäuften Kontrollen bei den Connewitzer Spätis findet er komplett überzogen. "Ich glaube, dass es vielen Spätis schon länger so geht, dass sie beobachtet werden und dass sie unter Druck stehen - sei es wegen der Öffnungszeiten, sei es mit dem, was sie verkaufen dürfen", sagt der 44-Jährige.
Er glaube, dass man die Spätis bewusst klein machen wolle. Dabei seien die mehr als nur eine Bereicherung für den Stadtteil: "Der Späti erfüllt eine wichtige soziale Funktion. Hier treffen sich Menschen und tauschen sich aus." Dem Ordnungsamt mache er dabei keinen Vorwurf. Die Mitarbeiter würden schließlich nur Regeln umsetzen.
Zoll und Ordnungsamt durchsuchen Spätis
Vor anderthalb Wochen hatte das Ordnungsamt Leipzig zusammen mit dem Zoll mehrere Spätis in Connewitz kontrolliert. Die Kontrollen erfolgten wegen möglicher Schwarzarbeit, teilte das Hauptzollamt in Dresden auf Anfrage von MDR SACHSEN mit.
In einem Fall hat sich demnach der Verdacht wegen des Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt herausgestellt. Der Zoll habe aber verdachtsunabhängig kontrolliert. Kontrollen gebe es zudem in allen gewerblichen Bereichen, Leipzig-Connewitz sei kein Schwerpunktgebiet.
Betreiber verunsichert durch Kontrollen
Die Kontrolleure kamen auch beim Betreiber des Spätis Pink Panther vorbei. Zu beanstanden habe der Zoll nichts gehabt, erzählt der Mann, der namentlich nicht genannt werden will. Doch dem Betreiber ist seine Verunsicherung dennoch anzumerken. Er wolle alles richtig machen und keinen Ärger, betont er. Das Ordnungsamt sei in den vergangenen Monaten schon öfters da gewesen, erzählt er. Den Laden habe er erst im September vergangenen Jahres übernommen.
Sie sagten mir, dass ich bestimmte Lebensmittel an Sonn- und Feiertagen nicht anbieten darf.
Die Ordnungsbeamten hätten genau hingeschaut. "Sie sagten mir, dass ich bestimmte Lebensmittel an Sonn- und Feiertagen nicht anbieten darf", erklärt der Mann. Er zeigt auf Fünf-Minuten-Terrinen, auf eingeschweißte Brötchen und Milch - die einzigen Lebensmittel, die er jetzt noch anbietet. Diese müsse er aber an Sonn- und Feiertagen wieder wegräumen.
Bestimmte Waren sind in manchen Zeiten tabu
Denn bei der Frage, was Spätis anbieten dürfen, wird es schnell kompliziert. Die Spätshops gelten rechtlich als sogenannte Mischbetriebe. Weil sie laut Ladenöffnungsgesetz nach 22 Uhr schließen müssten, bieten viele ein zusätzliches gastronomisches Angebot an. Damit fallen sie unter das Sächsische Gaststättengesetz. Das erlaubt den Verkaufsstellen auch zwischen 22 Uhr und 6 Uhr sowie an Sonn- und Feiertagen zu öffnen. Einzelhandelswaren dürfen sie jedoch nicht in dieser Zeit anbieten.
Was dürfen Spätis wann anbieten?
Für Spätverkaufsstellen gelten laut Sächsischem Ladenöffnungsgesetz die allgemeinen Ladenöffnungszeiten: Montag bis Samstag 6 bis 22 Uhr. Betreibt der Gewerbetreibende zusätzlich ein Gaststättengewerbe, dürfen auch außerhalb der Ladenöffnungszeiten bestimmte Dinge an Gäste verkauft werden. Dazu gehören Flaschenbier, alkoholfreie Getränke, Presse-, Tabak- und Süßwaren. Nicht erlaubt ist jedoch der Verkauf von Einzelhandelswaren. Im Gaststättenrecht gibt es nur Sperrzeitregelungen von einer Stunde, und zwar von 5 bis 6 Uhr.
Ein Gaststättengewerbe muss laut Ordnungsamt Leipzig vor Ort tatsächlich betrieben werden und als solches klar erkennbar sein. Unter anderem müssen ausreichend Sitz- und Verweilmöglichkeiten im Gewerbeobjekt vorhanden sein und es muss die Möglichkeit bestehen, vor Ort zubereitete Speisen und Getränke zu sich zu nehmen.
Beamte führen in Leipzig 144 Kontrollen durch
Im vergangenen Jahr führte das Ordnungsamt in Spätis in Leipzig 144 Kontrollen durch. Die Stadt Leipzig geht nach eigenen Angaben von mehr als 200 Spätis im gesamten Stadtgebiet aus. Das teilte das Ordnungsamt der Stadt auf Anfrage von MDR SACHSEN mit. Zu etwaigen Verstößen oder Strafen machte es keine Angaben.
Es verweist darauf, dass keine Statistik bei Verstößen gegen das Ladenöffnungsgesetz geführt werde. Dies sei gesetzlich nicht vorgeschrieben. Mögliche Vergehen würden als Einzelfälle geahndet.
Ordnungsamt: Klare Mängel festgestellt
Auf Anfrage der Partei Die Linke in Leipzig von Ende Oktober 2024, teilte das Ordnungsamt jedoch mit, dass bei den Kontrollen bis zum damaligen Zeitpunkt bei vielen Betrieben "klare Mängel" festgestellt wurden. Dazu hieß es: "Vielmehr steht bei dem Großteil der Objekte, welche nach 22 Uhr öffnen, eine reine Verkaufsstelle für Getränke oder Einzelhandelswaren im Vordergrund. Der gastronomische Charakter weist bei vielen Objekten klare Mängel auf." Viele Spätis hielten sich demnach also nicht an die aktuell rechtlichen Vorgaben.
Welche Strafen drohen bei Missachtung des Ladenöffnungsgesetzes?
Bei Verstoß gegen das Sächsische Ladenöffnungsgesetz drohen Geschäftsinhabern Geldbußen von bis zu 5.000 Euro. Zudem können Zwangsgelder verhängt werden. Bei mehrfachen Verstößen droht Geschäften in letzter Konsequenz die Schließung.
Emotionales Thema bei den Connewitzern
Das Thema Spätis scheint aktuell in Connewitz emotional aufgeladen zu sein, wie eine Umfrage zeigt. Ein Späti-Kunde, der anonym bleiben will, erinnert sich an die letzten Wochen des vor einem halben Jahr geschlossenen Spätis Connserve. "Von Seiten des Ordnungsamtes habe ich vermehrte Kontrollen mitbekommen", erzählt der 29-Jährige.
Er habe gesehen, dass Regale mit Einzelhandelswaren abgehangen wurden. Aufgrund der fortschreitenden Kontrollen habe der Besitzer aufgegeben, meint er. In einem Bericht der Leipziger Volkszeitung wird zwar vom Ärger mit den Behörden gesprochen. Der Betreiber der Connserve habe schließlich aber auch aus persönlichen Gründen und personellen Engpässen das Handtuch geworfen. Eine Connewitzerin sagt im Gespräch, dass sie nicht verstehe, warum man es den Spätis so schwer mache.
Linke scheiterte mit Gesetzanpassung
Könnten klarere Gesetzesregelungen Ladenbesitzern und Ämtern gleichermaßen helfen? Die Linken in Sachsen wollten im vergangenen Jahr eine Anpassung des Ladenöffnungsgesetzes im Sächsischen Landtag erreichen, scheiterten jedoch.
Leipzig und Dresden offen für neue rechtliche Regelung
Die Stadt Leipzig selbst stünde einer Neuregelung offen gegenüber: "Eine klarere gesetzliche Regelung zu den Öffnungszeiten solcher Mischbetriebe könnte aus Sicht der Stadt Leipzig dazu beitragen, die Abgrenzung zwischen Verkaufs- und Gaststättenbereichen zu vereinfachen und für mehr Rechtssicherheit zu sorgen."
Auch die Stadt Dresden ist offen für eine gesetzliche Neuregelung, teilt die Stadt auf Anfrage mit. Das Ausmaß der Kontrollen scheint sich jedoch in der Elbestadt in Grenzen zu halten. Bei den 14 Kontrollen in Spätis in Dresden 2024 seien die Besitzer über etwaige Verstöße gegen das Ladenöffnungsgesetz hingewiesen worden. Ordnungswidrigkeitsverfahren habe es keine gegeben. Die Stadt Dresden geht nach eigenen Angaben von etwa 30 Spätverkaufsstellen aus.
Wirtschaftsministerium: Rechtliche Lage ausreichend
Nach Ansicht des Wirtschaftsministeriums sind die aktuellen Regeln ausreichend. Auf Anfrage von MDR SACHSEN heißt es aus dem Ministerium: "Die geltenden gesetzlichen Regelungen bieten aktuell Rechtssicherheit, sowohl für die Betreiber und Beschäftigten sogenannter Spätverkaufsstellen als auch für Vollzugsbehörden." In diesem Zusammenhang verweist das Wirtschaftsministerium auf den Ermessensspielraum der Ordnungsämter. Demnach können sie Verstöße ahnden, müssen es aber nicht zwangsläufig.
Späti-Nutzerin erinnert sich an Schikanen
In der Späti-Szene in Leipzig gab und gibt es viel Bewegung. Geschäfte mussten schließen, neue öffneten. Davon weiß auch Jenny, die gerade in einem Spätshop in der Leipziger Südvorstadt einkauft. Die 37-Jährige erinnert sich an den Späti, den es zuvor an gleicher Stelle gab.
Der damalige Betreiber habe die Kontrollen als Schikane wahrgenommen. "Die haben immer hohe Vertragsstrafen zahlen müssen. Das Problem war wohl, dass bestimmte Produkte auslagen, die nicht angeboten werden dürfen."
Neuer Späti mit kurdischer Küche
Jenny nimmt sich eine Wasserflasche und geht zur Kasse. Kouman Ibrahim, der gebürtige Syrer, betreibt seinen Späti seit Oktober vergangenen Jahres, erzählt er. Sein Beispiel zeigt offenbar, dass ein solches Geschäft von Beginn an auch regelkonform funktionieren kann.
Darauf habe er geachtet, sagt Ibrahim. "Wir bieten neben dem Verkauf auch kurdische Küche an." Vor der Eröffnung habe das Ordnungsamt seinen Küchenbereich sogar als besonders positiv hervorgehoben. Er freue sich auf die rege Kundschaft gerade in der Mittagszeit und in den Abendstunden. Er hoffe, dass das so bleibt.
MDR (phb)
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | Regionalnachrichten aus dem Studio Leipzig | 17. Januar 2025 | 08:30 Uhr
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