Verkehrsbehinderungen Zwei Fahrspuren weniger am Hauptbahnhof Leipzig - am Montag wird es noch enger
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13. April 2023, 19:46 Uhr
Vor dem Leipziger Hauptbahnhof wurde am Mittwoch die Verkehrsführung geändert. Die Stadt will damit langfristig Staus und Unfälle vermeiden. Täglich fahren dort im Durchschnitt mehr als 39.000 Autos entlang. Immer wieder sorgt der Verkehr hier für Konflikte und Unfälle. Nun wurde die Fahrbahn von vier auf zwei Fahrspuren reduziert. Kritik kommt von Politikern und der Wirtschaft, die sich von der Stadt überrumpelt fühlen. Neu entstehen sollen ein Radweg und eine Taxispur.
- Nach dem Wegfall von zwei Fahrstreifen am Leipziger Hauptbahnhof wird auch an anderer Stelle die Fahrbahn verkleinert.
- Vertreter aus Politik und Wirtschaft kritisieren die Kommunikation durch die Stadt und fühlen sich überrumpelt.
- Die Stadt Leipzig will die Verkehrssicherheit erhöhen und den Unfallschwerpunkt "Hauptbahnhof" entschärfen.
Nicht nur das Gebiet um den Hauptbahnhof ist betroffen: Für Autofahrer in der Leipziger Innenstadt wird es insgesamt enger. Ab Montag soll auf dem Ranstädter Weg im Bereich zwischen Goerdelerring und Leibnizstraße in der westlichen Innenstadt eine der zwei Fahrspuren wegfallen, wie das Verkehrs- und Tiefbauamt Leipzig am Mittwoch mitteilte. Ein Fahrstreifen diene künftig auf einer Länge von 350 Metern ausschließlich als Radweg, heißt es. Die Stadt wolle dadurch die Sicherheit in diesem Bereich erhöhen, den täglich bis zu 4.000 Radfahrende nutzen. Vermehrtes Stauaufkommen befürchte die Stadt nicht, da vor der Kreuzung Goerdelerring weiterhin zwei Fahrstreifen für Pkw vorbehalten seien.
Bereits am Mittwoch fielen außerdem am Hauptbahnhof Leipzig zwei von vier Fahrspuren weg. Hintergrund der Markierungsarbeiten ist ein neues Verkehrskonzept, das die Leipziger Stadtverwaltung Anfang April vorgestellt hatte. Die beiden rechten Spuren zwischen Straßenbahnhaltestelle und Hauptbahnhof wurden für den Autoverkehr gesperrt. Hier wird einer der Fahrstreifen als Radweg markiert, der zweite soll Taxis als Einfädelspur dienen, um besser auf den Bahnhofsvorplatz einbiegen und auf den Georgiring auffahren zu können. Doch an dem Projekt gibt es zunehmend Kritik.
Scharfe Kritik an Kommunikation durch die Stadt
Scharfe Kritik kommt etwa vom Geschäftsführer der Handwerkskammer Leipzig, Volker Lux, wegen der verfehlten Kommunikation durch die Stadt. Erst vergangene Woche sei über das Vorhaben informiert worden, sagt er. Im Vorfeld sind nach Angaben von Lux weder die Handwerkskammer noch die Industrie- und Handelskammer in das Projekt einbezogen worden. "Dass unsere Betriebe nicht mitgenommen werden, empfinden viele als Demütigung. Ich hätte mir gewünscht, dass die Stadt aufrichtig kommuniziert, dass sie den Innenstadtring fahrradtauglich gestalten will", sagt Lux.
Dass unsere Betriebe nicht mitgenommen werden, empfinden viele als Demütigung. Ich hätte mir gewünscht, dass die Stadt aufrichtig kommuniziert, dass sie den Innenstadtring fahrradtauglich gestalten will.
Handwerkskammer-Chef Lux befürchtet in dem Bereich vor dem Hauptbahnhof vermehrten Verkehrsstau: "Wir vermuten, dass der Verkehrsfluss an dieser Stelle stocken wird." Deswegen werde man den gerichtlichen Weg gehen, so Lux: "Gemeinsam mit der Industrie- und Handelskammer ermutigen wir unsere Betriebe, die von diesen Einschränkungen betroffen sind, gegen dieses Projekt Widerspruch einzulegen."
Linke: Projekt zu einseitig gedacht
Auch Linken-Stadträtin Franziska Riekewald kritisiert die städtische Kommunikation. Die Stadt habe viele Fragen nicht geklärt. "Wie wollen wir damit umgehen, wenn es nur noch die zwei Fahrspuren gibt - wird es sich dann nicht woanders stauen? Wir können nur Fahrbahnen wegnehmen, wenn wir auch eine Alternative haben." Größter Kritikpunkt: Wenn die Stadt schon Fahrbahnen reduziert, müsse gleichzeitig das Bus- und Bahnnetz ausgebaut werden, sagt Riekewald.
Wie wollen wir damit umgehen, wenn es nur noch die zwei Fahrspuren gibt - wird es sich dann nicht woanders stauen? Wir können nur Fahrbahnen wegnehmen, wenn wir auch eine Alternative haben.
Da gebe es hingegen keine Fortschritte, meint die Linken-Politikerin: "Dort überlegen wir, ob wir den Status quo erhalten können oder doch nicht wieder Linien einstreichen." Grundsätzlich unterstütze Riekewald den Ausbau eines Radfahrstreifens auf dem Innenstadtring. Das würde nicht nur den Radverkehr vor dem Hauptbahnhof sicherer machen. Doch das Projekt dürfe nicht isoliert, sondern gemeinsam mit anderen Verkehrsalternativen umgesetzt werden.
Taxis brauchen keinen eigenen Fahrstreifen
Von einer "Hauruck-Aktion" spricht Vorstandschef Uwe Franz von der Taxi-Genossenschaft Löwe in Leipzig. Er versteht nicht, warum der Straßenbereich überhaupt neu geordnet werden muss, da der Verkehr dort aus seiner Sicht funktioniert. Franz befürchtet einen Rückstau in dem Straßenbereich. "Wir sehen Probleme für alle Taxen und den sonstigen Verkehr. Die Taxifahrten werden länger und teurer, da wir viel mehr im Stau stehen werden", sagt er. Einen Extra-Fahrstreifen zum Ein- und Abbiegen für den Taxiverkehr auf den Georgiring sieht er als nicht zwingend notwendig an: "Dass das notwendig ist, bezweifle ich."
CDU will rechtliche Schritte prüfen
Die verkehrspolitische Sprecherin der CDU-Fraktion, Sabine Heymann, findet, dass sich Staus durch die Neuordnung der Fahrstreifen nicht verhindern ließen. "Wir haben dabei generell das Gefühl, das ist so eine Art operieren: 'Wir gucken mal, was passiert- wie sich der Verkehr dann verteilt'. Teilweise mag dieses System funktionieren, aber ich finde es sehr gewagt."
Diese Kritik stößt beim Verkehrsamt und auch bei der Stadtratsfraktion der Grünen auf Unverständnis. Die neue Ampelschaltung werde den Verkehr vor dem Bahnhof so aufteilen, dass es eben nicht zu Staus kommt, glaubt Kristina Weyh von den Grünen. Sollte es dennoch nicht funktionieren, könne die Ampelschaltung verbessert werden. "Mir ist es wichtig, dass wir da auch für den Autoverkehr einen Unfallschwerpunkt entschärfen, weil ich nicht mehr zwischen vier Spuren pendeln muss, was eine große Herausforderung ist", erklärt Weyh.
Veränderte Verkehrsführung, um Staus und Unfälle zu vermeiden
Allein zwischen 2020 und 2022 registrierte die Polizei auf dem Abschnitt direkt vor dem Hauptbahnhof 24 Unfälle - meist ausgelöst durch einen Spurwechsel.
Unfallschwerpunkt Hauptbahnhof entschärfen
Das neue Konzept sieht neben der Einrichtung des Radstreifens vor, die Zufahrt aus Richtung der Brandenburger Straße und vom Georgiring neu zu regeln. Statt bisher gleichzeitig dürfen die Autos künftig nur noch im Wechsel aus Norden und Süden auf die Straße vor dem Hauptbahnhof einbiegen. Durch die zeitversetzte Ampelschaltung sollen zwei statt vier Spuren vor dem Hauptbahnhof ausreichen, um dort den Verkehr abfließen zu lassen.
Wir haben uns zum Ziel gesetzt, die Verkehrssicherheit an dieser Stelle künftig für alle Verkehrsteilnehmer wesentlich zu erhöhen.
Damit werde die Situation vor dem Bahnhof entschärft, sagt auch der Bürgermeister für Stadtentwicklung und Bau, Thomas Dienberg, MDR SACHSEN. "Wir haben uns zum Ziel gesetzt, die Verkehrssicherheit an dieser Stelle künftig für alle Verkehrsteilnehmer wesentlich zu erhöhen. Zudem räumen wir dem Fuß- und Radverkehr endlich mehr Raum ein, genau wie es uns der Stadtrat mit der Mobilitätsstrategie 2030 ins Lastenheft geschrieben hat."
Hintergrund für die Änderungen ist neben der Bürgerbeteiligung zum Fußverkehrsentwicklungsplan auch ein Urteil des Oberverwaltungsgerichts, das den Ausschluss des Radverkehrs auf weiten Teilen des Rings für rechtswidrig erklärt hatte. Auch die vom Stadtrat beschlossene Mobilitätsstrategie 2030 sieht vor, die Verkehrsmittel des Umweltverbundes gleichberechtigt zu fördern.
MDR (phb/bbr/lwo/kav)
Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR um Zwei | 11. April 2023 | 16:30 Uhr