Busfahrer in Leipzig Leben im Takt des Fahrplans
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24. Januar 2024, 05:00 Uhr
Schichtdienst, Arbeit am Wochenende, kaum Zeit für die Familie - das trifft viele Menschen im Beruf. Auch Busfahrerinnen und Busfahrer. Ihr Alltag ist geprägt von immer wechselnden Diensten, der Verantwortung für Menschenleben und hohem Druck. Zwei Leipziger Busfahrer erzählen von ihrem Berufsalltag und davon, wie dieser auch ihr Privatleben beeinflusst.
An manchen Tagen ist der Himmel über Leipzig noch stockdunkel, wenn der Wecker von Mareike Dannenberg klingelt. Um 2:30 Uhr muss die Busfahrerin aufstehen, wenn sie bei den Leipziger Verkehrsbetrieben (LVB) für die Frühschicht eingeteilt ist.
Am Abend vor der Frühschicht geht sie schlafen, schon bevor die Tagesschau läuft. Denn Dannenberg trägt eine doppelte Verantwortung: Für das Leben der Menschen in ihrem Bus und das der Menschen im Straßenverkehr. "Du musst total ausgeschlafen sein. Du brauchst jederzeit 120 Prozent Aufmerksamkeit", erzählt sie.
Bei einer späten Schicht wiederum sitzt Dannenberg nach 20 Uhr noch hinter dem Steuer. Regelmäßige Hobbys wie etwa ein abendlicher Sportkurs sind durch die Schichtwechsel für sie kaum möglich.
Ihr Antrieb: Mobilität für alle
Mareike Dannenberg heißt eigentlich anders, sie möchte anonym bleiben. Seit mehreren Jahren arbeitet sie als Busfahrerin. Den Beruf wählte sie, weil sie in ihm einen gesellschaftlichen Mehrwert sieht: sichere, bezahlbare und umweltfreundliche Mobilität für alle.
Dass Busfahrer unter den wechselnden Schichten leiden, ist auch Dannenbergs Arbeitgeber bewusst - den LVB. Sabine Minet, Bereichsleiterin der LVB-Personalabteilung, gibt hinsichtlich der Dienste zu: "Schichten von Montag bis Freitag, das geht vielleicht gerade noch, aber nicht rund um die Uhr. Nicht am Wochenende, feiertags, wenn andere Leute mit ihren Familien zusammen sind." Sie sieht in ihnen und den geteilten Diensten einen Grund, warum der Beruf für viele uninteressant ist.
Ein Tag in Hälften
In einem geteilten Dienst ist die Arbeitszeit in zwei Abschnitte zerlegt. Im ersten Abschnitt arbeitet der Fahrer etwa vier Stunden am Morgen. Anschließend folgt eine unbezahlte Pause von rund drei Stunden, gefolgt von einer ähnlich langen zweiten Schicht am Nachmittag.
Die geteilten Dienste von Mounir Ayari beginnen oft gegen fünf Uhr am Morgen und enden am späten Nachmittag. Auch Ayari heißt eigentlich anders. Der Familienvater ist seit ein paar Jahren Busfahrer bei den LVB.
Die geteilten Dienste führen dazu, dass die Arbeit seinen ganzen Tag bestimmt, obwohl er mittags frei hat. Auch am Wochenende schwebt sie über seinem Leben: "Ich arbeite Schicht, ich arbeite am Sonntag und am Feiertag. Ich habe Stress."
Geteilte Dienste im Busverkehr üblich
Der geteilte Dienst soll Stoßzeiten abfangen, wie den Schulverkehr morgens und den Berufsverkehr am späten Nachmittag. Daher müssen vor allem im ländlichen Raum Busfahrer geteilte Dienste fahren – doch sie sind überall in der Branche üblich. Das erklärt Paul Schmidt, Fachbereichsleiter für Verkehr der Gewerkschaft Verdi in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen.
Schmidt hält einen regelmäßigen Schlaf- und Lebensrhythmus bei wechselnden und geteilten Diensten für kaum möglich - "familienunfreundlich und hochgradig ungesund", findet er.
"Belastungsminimierende" Einsätze möglich
Die LVB arbeite an Verbesserungen der Einsatzpläne, lässt uns das Unternehmen auf Nachfrage wissen. Für Beschäftigte, die aus gesundheitlichen oder persönlichen Gründen besondere Arbeitsbedingungen brauchen, versuche man, individuelle Lösungen zu finden. Aktuell betreffe das 106 Mitarbeitende. Sie haben etwa die Möglichkeit, "belastungsminimierende" Einsätze zu fahren, die auf bestimmte Tageszeiten beschränkt sind.
Höhere Gehälter für alle
Ein weiteres Thema, das Ayari und Dannenberg umtreibt, ist das Gehalt. Ayari blieben im Sommer 2023 von seinem Gehalt etwa 1.600 Euro netto. Dieser Betrag reichte nur für das Nötigste: "Meine Kinder wollen Sport machen, sie müssen frühstücken, ich muss den Kindergarten bezahlen. Etwas Neues kaufen? Nein. Keine Extras, nur Essen."
Nach den Tarifverhandlungen mit der Gewerkschaft Verdi im Frühjahr 2023 haben alle großen sächsischen Verkehrsunternehmen eingewilligt, die Löhne schrittweise um mehrere hundert Euro zu erhöhen. Seit Januar 2024 erhalten Busfahrer bei den LVB nun rund 2.700 Euro als Einstiegsgehalt nach der Probezeit. Ab März 2024 sind es 3.100 Euro. Zusätzlich werden rund 250 Euro Zulagen gezahlt.
In der Vergangenheit hätten die LVB unter den tarifgebundenen Verkehrsunternehmen bundesweit am schlechtesten bezahlt, so Verdi-Sprecher Paul Schmidt. Noch vor der Erhöhung im Januar 2024 lag das Gehalt nach der Probezeit bei rund 2.400 Euro.
Arbeitsbedingungen auf dem Prüfstand
Mareike Dannenberg spürt dieses Mehr bereits auf ihrem Gehaltszettel. Bei der nächsten Tarifrunde Ende Januar soll es in Sachsen um die Arbeitsbedingungen gehen. Gefordert werden zusätzliche Regenerationstage und höhere Entschädigungen für geteilte Dienste.
Dannenberg findet, dass ein Umdenken stattfinden muss: Durch seine Systemrelevanz sollte ihr Beruf grundsätzlich besser bezahlt werden. Für sie bedeutet eine niedrige Bezahlung auch mangelnde Wertschätzung. Und dabei mag sie ihren Job doch: Es gebe Tage, da seien die Fahrgäste alle nett, das Wetter gut. "Dann ist alles schick." Zudem sei ihr Job krisensicher.
Was Ayari an seinem Job als Busfahrer gefällt? Es gebe keinen Chef, der ständig hinter ihm steht und ihn überwacht. "Ich bin frei!"
Bus- und Straßenbahnbetrieb bei den LVB
- Das Straßenbahnnetz umfasst 214,7 Kilometer.
- Das Busnetz ist 714,8 Kilometer lang.
- Im gesamten Netzgebiet bedienen die LVB 789 Haltestellen.
- Täglich sind 271 Straßenbahnen in Leipzig unterwegs.
- Die Busflotte umfasst 66 Normalbusse und 89 Gelenkbusse.
- In Leipzig gibt es 13 Straßenbahnlinien und 47 Buslinien.
LVB
MDR (cnj)