Dresdner Festspielorchester 4 min
Wie die Kulturszene mit den Ergbnissen der Landtagswahl in Sachsen umgeht, hat Michael Bartsch erfahren. Bildrechte: Oliver Killig

Reaktionen Nach der Landtagswahl in Sachsen: Kulturszene will sich nicht verunsichern lassen

03. September 2024, 17:07 Uhr

Trotz Zugewinnen bei der AfD und beim BSW bleibt die CDU nach der Landtagswahl in Sachsen vorn. Die Kulturszene im Land macht sich Sorgen um die Kunstfreiheit, hofft aber weiter auf Rückhalt aus der Regierung. MDR KULTUR hat mit Kulturschaffenden über ihre Sicht auf die Wahlergebnisse gesprochen.

  • Die neue Regierungskoalition steht nach den Landtagswahlen in Sachsen noch nicht fest. Das sorgt unter Kulturschaffenden für Verunsicherung.
  • Mit Blick auf den gewachsenen Zuspruch für die AfD sorgen sich einige besonders um den Erhalt der Kunstfreiheit.
  • Viele setzen jedoch auf Kontinuität und erwarten von der künftigen Landesregierung weiterhin gute bzw. noch bessere Unterstützung für die Kultur.

Sachsen hat einen neuen Landtag gewählt. Große Zugewinne haben die Parteien AfD und BSW zu verzeichnen. Was bedeuten die Ergebnisse für die Kultur? Darüber besteht in der Szene derzeit noch Unsicherheit – insbesondere, weil noch nicht klar ist, welche Koalition gebildet wird. Beim Landesverband Soziokultur hält sich der stellvertretende Geschäftsführer Tobias Gaub daher zurück: "Als Landesverband ist unser momentanes Gefühl, dass wir zum jetzigen Zeitpunkt noch gar keine fundierte Einschätzung geben können."

Das gilt wohl vor allem für die Partei von Sahra Wagenknecht, deren Personal noch niemand kennt. Für das BSW zieht allerdings auch ein Kulturmensch, der frühere Theaterintendant von Freiberg, Plauen und Annaberg, Ingolf Huhn, in den Landtag ein.

Verteidigung der Demokratie als Aufgabe

Der Präsident des Sächsischen Musikrates Milko Kersten sieht bei Kulturakteuren ein Defizit im Umgang mit geschulter populistischer Rhetorik. Für ihn stehe die Verteidigung der Demokratie, der diskursiven und sinnstiftenden Rolle der Künste, an erster Stelle, sagte er MDR KULTUR.

Ein Mann mit grauen Haaren, Brille, Schnurrbart und gelbem Hemd dirigiert ein Orchester.
Milko Kersten, hier bei einer Probe mit dem Jugendsinfonie-Orchester des Heinrich-Schütz-Konservatoriums Dresden zu sehen, ist seit 2019 Präsident des Sächsischen Musikrates. Bildrechte: IMAGO/Andreas Weihs

Dafür hat er sich auch schon ein Vorgehen überlegt und möchte in allen Gremien künftig zu bestimmten Themen Stellungnahmen der Parteien abfordern. "Denn meine bisherige Erfahrung ist, dass die Vertreter der AfD entweder durch Enthaltung oder durch Neinstimmen auffallen, aber sehr selten bis überhaupt niemals konstruktive Vorschläge einbringen."

Attacken auf die Kunstfreiheit?

Angst besteht, was die Kunstfreiheit angeht. Frauke Wetzel, promovierte Historikerin, Kulturwissenschaftlerin und Kulturmanagerin, zog bei MDR KULTUR den Vergleich mit vergangenen Erfahrungen. Shitstorms habe es bereits vor den Wahlen gegeben, wenn beispielsweise queere Themen ins Programm der Theater und Galerien aufgenommen wurden. "Das werden und sollten Kulturräume und Kulturschaffende auf jeden Fall auch in Zukunft verteidigen", schlussfolgerte Wetzel.

Wir haben in der Vergangenheit gesehen, wie stark schon Kunst angegriffen wurde.

Claudia Maicher, Kulturpolitikerin der Grünen

"Wir haben in der Vergangenheit gesehen, wie stark schon Kunst angegriffen wurde", argumentierte auch Claudia Maicher, Kulturpolitikerin der Grünen und bisher an der Landesregierung beteiligt. Sie erzählte MDR KULTUR, Künstlerinnen und Künstler sorgten sich, ob es in der zukünftigen Regierung noch jemanden gebe, "der ganz konsequent die Kunstfreiheit stärkt und schützt". Maicher verteidigte zwar für die Grünen in Leipzig ihr Direktmandat, aber ihre Fraktion wird absehbar nicht erneut an der Koalitionsbildung beteiligt sein.

Claudia Maicher, eine Frau mit Brille, dunklen Haaren und dunkler Kleidung, blickt in die Kamera
Kulturpolitikerin Claudia Maicher berichtet von der Sorge um die Kunstfreiheit, die viele Kulturschaffende in Bezug auf die Entwicklungen in der Politik beschäftigt. Bildrechte: MDR/Barbara Brähler

Förderpolitik braucht neue Regeln

Eine Novelle des Kulturraumgesetzes, das die Förderung zahlreicher Kultureinrichtungen in Sachsen regelt, steht dringend an. Auch wenn der Haushaltrahmen dafür absehbar enger wird, schlägt Generalintendant Dirk Löschner vom Theater Plauen-Zwickau noch keinen Alarm.

Wie immer die neue Landesregierung im Freistaat auch aussehen wird, es ist mit einer gewissen Kontinuität zu rechnen.

Dirk Löschner, Generalintendant am Theater Plauen-Zwickau

Er setzt auf Kontinuität, wie immer die neue Landesregierung im Freistaat auch aussehen werde. Er rechne damit, dass weiter nach Lösungen gesucht wird, wie die "hervorragende Kulturlandschaft im Bundesland erhalten bleiben und gestärkt werden kann". Auch bei den bisherigen Regierungen habe es da "viel Flickwerk" gegeben.

Sendungsbild
Dirk Löschner, Generalintendant des Theaters Plauen-Zwickau, wünscht sich mehr finanzielle Sicherheit durch die neue Landesregierung. Bildrechte: André Leischner

Ähnlich sieht das Daniel Morgenroth, der das Gerhart-Hauptmann-Theater in Görlitz und Zittau leitet. Die Wahl sei auch eine Bestätigung der CDU-geführten Landesregierung. Das lasse ihn hoffen, denn bisher seien die Theater von der Regierung sehr unterstützt worden. "Jetzt geht es auch für die Regierung wirklich darum, die Theater in der Fläche zu erhalten, und das geht nur mit viel Engagement."

Was mir Sorge macht, ist, dass vor allem junge Menschen in Sachsen so viel AfD gewählt haben.

Jan Vogler, Leiter der Dresdner Musikfestspiele

Jan Vogler, Leiter der Dresdner Musikfestspiele zeigte sich erleichtert von den Wahlergebnissen und bezeichnete sie im MDR als "Erfolg für Michael Kretschmer." Sorgen bereitet Vogler allerdings der starke Zuspruch gegenüber der AfD bei jungen Menschen. Hier forderte er mehr Aufklärung und Diskussionen über Politik.

Jan Vogler, Musiker und Intendant der Dresdner Musikfestspiele, steht während eines Fototermins für die Deutsche Presse-Agentur auf der Bühne im Kulturpalast.
Jan Vogler, Leiter der Dresdner Musikfestspiele ist zwar erleichtert über das sächsische Ergebnis, fordert aber auch mehr Aufklärung. Bildrechte: picture alliance/dpa | Robert Michael

Quellen: MDR (Michael Bartsch, Stephan Bischof, Carsten Tesch)
Redaktionelle Bearbeitung: hro

Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 03. September 2024 | 07:30 Uhr

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