Migration Sächsische Verbände reagieren verhalten und mit Kritik auf Flüchtlingsgipfel
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11. Oktober 2022, 19:24 Uhr
Das Angebot der Bundesregierung, den Kommunen und Landkreisen mehr Gebäude für die Unterbringung von Geflüchteten zur Verfügung zu stellen, hat ein geteiltes Echo in Sachsen hervorgerufen. Teilweise gab es Kritik. Im Vorfeld des Gipfels hatten Verbände und Bürgermeister vor einer Überlastung durch Geflüchtete gewarnt, die Sachsen vor allem über die polnische und tschechische Grenze erreichen. Laut Innenministerium kommen derzeit täglich mindestens 100 Menschen in Sachsen nach ihrer Flucht an.
Auf dieser Seite:
- Erste sächsische Städte halten Notquartiere bereit.
- Der Sächsischer Städtetag fordert vom Bund stetige finanzielle Hilfen.
- Der Sächsische Flüchtlingsrat sieht die Aufnahmekapazitäten nicht ausgeschöpft.
Nach dem "Flüchtlingsgipfel" in Berlin hat der Sächsische Städte- und Gemeindetag (SSG) den Bund erneut aufgefordert, finanzielle Zusagen an Kommunen für die Unterbringung von Geflüchteten einzuhalten. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hatte am Dienstag nach einem "Flüchtlingsgipfel" in Berlin in Aussicht gestellt, der Bund wolle 56 Gebäude mit 4.000 Plätzen deutschlandweit zur Verfügung stellen. Diese Hilfen kritisierte der SSG als unzureichend. Leipzigs Oberbürgermeister Burkhard Jung wies auf die besondere Herausforderungen im Umgang mit unbegleiteten Minderjährigen hin und der sächsische Flüchtlingsrat forderte, dass Einrichtungen für Geflüchtete im "Standby-Modus" gehalten werden müssten und sieht bisherige Kapazitäten noch nicht ausgeschöpft.
Sächsischer Städtetag kritisiert Maßnahmen des Bundes als unzureichend
Der Geschäftsführer des SSG, Mischa Woitscheck, sagte MDR SACHSEN am Dienstag, er habe die ersten Gipfelberichte "mit Zurückhaltung" aufgenommen. Es sei gut, dass sich der Bund bei den Kommunen über die Lage informiert. Zusagen von Geldzahlungen des Bundes für die Unterbringung von Geflüchteten müssten fortgesetzt werden, so Woitschek.
Die finanzielle Unterstützung des Bundes bei der Flüchtlingsunterbringung muss fortgesetzt und verstetigt werden.
Auf europäischer Ebene müsse sich die Bundesinnenministerin als die für die innere Sicherheit zuständige Ministerin für die unverzügliche Sicherung der europäischen Außengrenzen einsetzen. Woitschek forderte Faeser dazu auf, sich für die Schließung der Balkanroute einsetzen. "Die Verzagtheit des Bundes ist auch hier der Dynamik der Entwicklungen nicht angemessen."
Leipziger Oberbürgermeister bezeichnet Situation teilweise als sehr kritisch
Der Vizepräsident des Deutschen Städtetags, Leipzigs Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD), hat die Situation mit den Jahren 2015 und 2016 verglichen. Die derzeitigen Zahlen seien ähnlich hoch, die Situation mancherorts sehr kritisch. In Leipzig seien bereits Zeltstädte errichtet worden. In Dresden müsse eine Messehalle für die Unterbringung genutzt werden. Auch die Betreuung der vielen unbegleiteten Minderjährigen sei eine große Herausforderung.
Flüchtlingsrat fordert Flüchtlingsquartiere im Standby-Modus
Dagegen sagte der Sächsische Flüchtlingsrat auf Anfrage von MDR SACHSEN, noch seien "keine Kapazitätsgrenzen in Sachsen erreicht." Damit das so bliebe, müssten Unterkünfte bereitgestellt werden. Jedoch seien Zelte und Turnhallen "keine Dauerlösung", so Flüchtlingsrats-Sprecher Dave Schmidtke. Es bräuchte "mehr Einrichtungen zur Unterbringung von Geflüchteten, die auch im Standby-Modus betrieben werden, wenn die Zahlen wieder etwas sinken werden."
Wendsche vor Gipfel: Herausforderungen im Jahr 2022 größer als 2015
Im Vorfeld des Gipfels hatte der Präsident des SSG, der Radebeuler Oberbürgermeister Bert Wendsche, die Herausforderungen des Jahres 2022 als "noch größer" als bei den Fluchtbewegungen im Jahr 2015 bezeichnet.
"Unterm Strich fehlt es vielen Kommunen an geeigneten Unterbringungskapazitäten, Kita- und Schulplätzen sowie Möglichkeiten zur Integration der Schutzsuchenden. Wir sehen keine Initiativen des Bundes, sich der Fluchtbewegung - insbesondere über die Balkanroute - wirksam entgegenzustellen und seiner rechtsstaatlichen Steuerungsfunktion nachzukommen“, so Wendsche in einem offiziellen Statement am vergangenen Freitag.
Henry Graichen, Landrat des Landkreises Leipzig und Präsident des Sächsischen Landkreis-Tages (SLKT), hatte im Vorfeld gefordert, Bund und Länder müssten "anerkennen, dass die kommunalen Möglichkeiten begrenzt" seien. "Wenn auch in Sachsen Zeltstädte wieder aufgebaut werden müssen, ist das mehr als ein Warnsignal."
MDR (wim,swi)/dpa
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | NACHRICHTEN | 16. Oktober 2022 | 16:00 Uhr