Reportage Feldtag: Neue hitzeresistente Getreidesorten für Sachsens Bauern
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29. Juni 2023, 08:49 Uhr
Der Klimawandel stellt insbesondere Landwirte vor Probleme. Durch die Trockenheit wachsen Pflanzen schlechter und werden anfälliger für Krankheiten. Die Landwirte können sich bis zu einem gewissen Grad anpassen – mit besonders genügsamen oder resistenten Sorten. Jedes Jahr kommen in Deutschland viele neue Getreidesorten auf den Markt. Doch welche taugt wofür?
- Feldtag zu neuen Getreidesorten ist eine Infoveranstaltung wie bei "Stiftung Wartentest".
- Langwieriges Verfahren - Neuzuechtungen werden teils aus 100.000 Einzelpflanzen zusammengestellt.
- Gentechnik könnte Optimierung beschleunigen, ist aber verboten.
Landwirte können sich derzeit bei den Feldtagen des Sächsischen Landesamtes für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie über neue Getreidesorten informieren, die besser mit der Erderwärmung und Trockenheit zurechtkommen.
Ob nun Jule, Winnie oder Virtuosa – für den Großstädter sehen alle gleich aus. Insgesamt zwanzig Sorten Wintergerste mit klangvollen Namen stehen auf einem Versuchsfeld bei Nossen. Landwirte stapfen durch die Reihen. Sie begutachten die Ähren, betasten die Halme und suchen die optimale Züchtung.
Wolfgang Grübler, langjähriger Chef der Agrargenossenschaft Lommatzscher Pflege, erklärt, Trockenheit und Niederschläge zum falschen Zeitpunkt spielen beim Ackerbau eine immer größere Rolle. Da könnten neue Sorten helfen.
Die Pflanzen müssen trockentolerant sein. Hier siehst Du konzentriert neue Sorten und das ist für uns immer der Lehrstoff.
Eine Art "Warentest" für Neuzüchtungen
Auf das Versuchsfeld hat das Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie eingeladen. Beim sogenannten Feldtag zeigt es, was neue Sorten bringen. Ein Lautsprecherwagen schiebt sich von einer Testreihe zur nächsten. Übers Mikrofon spricht Martin Sacher über Vor- und Nachteile von Gerstesorten wie Jule und Galileo oder sogenannten Hybridzüchtungen.
Martin Sacher vom Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie sagt: "SU Jule ist hervorzuheben mit mittleren Erträgen, liegt bei 99 Prozent im Kornertrag. SY Galileo eine Hybridsorte hier im Bunde. Es ist eine wirtschaftliche Entscheidung, wer Hybriden anbaut."
Während Sacher spricht, machen sich die Landwirte Notizen. Das Landesamt hat jede Sorte mindestens drei Jahre lang angebaut und Daten erhoben. Die Feldtage seien aber keine Werbeveranstaltung, sagt Abteilungsleiter Klaus Wallrabe. Es sei eher eine Infoveranstaltung für die Landwirte zur Anbau-Eignung verschiedener Kulturen – vergleichbar mit der Stiftung Warentest. Die neuen Sorten würden neutral an einem homogenen Standort verglichen.
Das Interesse sei groß, sagt Wallrabe, weil der Klimawandel die Anbaubedingungen verändere und die Politik den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln begrenze. Da würde robuste Sorten gesucht.
Aus 100.000 Einzelpflanzen werden die passenden ausgesucht
Die neuen Sorten züchtet unter anderem die Deutsche Saatveredelung. Deren Regionalbürochefin Edda Heinemann erläutert diese Züchtungen "nach althergebrachter Form - über Ausleseprozesse". Dabei suche der Züchter aus vielen tausend Einzelpflanzen die passenden heraus.
Heinemann sagt: "Wir säen das ins Feld teilweise als Einzelpflanze. Und dann wird pro Einzelpflanze selektiert. Wir haben teilweise bis zu 100.000 Einzelpflanzen stehen, die der Züchter ablaufen muss, wo er dann mit seinem geschulten Auge schaut: Was könnte mich hier weiterbringen?"
In Grundzügen funktioniert Züchtung noch wie bei Gregor Mendel und seinen Erbsen: Kreuzen, Angucken, Auswählen, Vermehren.
Gentechnik soll Optimierung beschleunigen
Die Züchtung nach Mendel hat allerdings einen Nachteil: Es dauert lange. Zu lange, findet Landwirt Wolfgang Grübler. Eine neue Sorte zu züchten dauere zehn bis 15 Jahre bis zum Anbau.
Mit moderner Technik gehe das schneller, sprich genveränderte Pflanzen. Grübler sagt, das sei dieselbe Pflanze. Es werde nur ein Gen für die Trockentoleranz geändert. Das sei nicht schädlich, aber hierzulande nicht gewollt. "Das (Gentechnik) ist doch nichts Schädliches, aber es ist in Deutschland nicht gewollt", so Grübler.
Genau genommen ist es in der EU verboten, genveränderte Pflanzen anzubauen. Ob es ermöglicht werden sollte, ist auch unter Landwirten umstritten. Vorerst bleibt ihnen nur, auf die konventionelle Züchtung zu vertrauen – und sich den Namen einer angeblich besonders robusten Weizensorte zu eigen zu machen: Er lautet "Optimist".
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL RADIO | 30. Juni 2023 | 05:00 Uhr