Menschen bei einer Gesprächsrunde 4 min
Robin Leipold vom Karl-May-Museum in Radebeul, Kevin Manygoats und MDR-Redakteur Ben Hänchen diskutieren über Kostüme zur Faschingszeit. Mehr im Audio. Bildrechte: Stefan Petraschewsky

Diskussion in Dresden Wie migrantische Menschen auf Fasching und Kostüme blicken

05. März 2025, 16:21 Uhr

Am Aschermittwoch endet die Karnevalszeit. Was einigen als fünfte Jahreszeit gilt, ist für andere eher befremdlich. Mit den Debatten um kulturelle Aneignung und Diskriminierung hat sich besonders der Blick auf Kostüme verändert. Sind Verkleidungen als "Indianer" oder Scheich noch zeitgemäß? Das Staatsschauspiel Dresden will zu dieser Frage mit Migrantinnen und Migranten ins Gespräch kommen.

Er will provozieren, Obrigkeiten kritisieren und für eine feste Zeit im Jahr Ausflucht aus dem Alltag bieten. Der Fasching oder Karneval hat in Deutschland Tradition – und das schon seit dem Mittelalter. Besonders seine Kostüme fallen immer wieder in den Blick. Seit dem 19. Jahrhundert dienten sie als Möglichkeit, die Rollen zu wechseln – und prangerten damit Machtverhältnisse an.

Karnevalisten feiern an Weiberfastnacht die Eröffnung des Straßenkarnevals auf dem Alter Markt.
Karneval oder Fasching hat in Deutschland eine lange Tradition. Bildrechte: picture alliance/dpa | Rolf Vennenbernd

Heute kommt ein weiterer Punkt hinzu, sagt der Soziologe Reinhold Sackmann von der Universität Halle. "Fasching oder Karneval ermöglicht uns, in einem wohl abgestimmten Bereich etwas anderes zu machen, ohne dass wir dafür stark riskieren, angemacht zu werden. Denn in diesem Rahmen ist es normal, nicht normal zu sein."

Blick auf Kostüme hat sich verändert

Mit der Debatte um kulturelle Aneignung – zuletzt geführt am Beispiel des Films "Der junge Häuptling Winnetou" – hat sich auch der Blick auf Faschingskostüme verändert. Und mit ihm die Frage, ob Darstellungen als Scheich oder das Indianerkostüm eigentlich verletzend sind.

Kleiderständer mit Kostümen
Welche Kostüme zu Karneval sind noch zeitgemäß? Darüber wurde am Rosenmontag in Dresden diskutiert. Bildrechte: MDR / Gloria Weimer

Kevin Manygoats hat darauf eine klare Antwort. Er lebt seit vielen Jahren in Dresden, ist aber in der Navajo Nation Reservation in Arizona großgeworden und stammt selbst vom Volk der Diné – so bezeichnet sich das Volk der Navajos selbst. "Bei uns ist es kein Kostüm, sondern ein Stück Kleidung", betont er. Für Kinder seien diese Verkleidungen okay, aber bei Erwachsenen lehne er sie ab. Denn "Erwachsene wissen, was sie tun. Das gefällt mir nicht. Das hat nicht viel mit der Kultur zu tun, wenn sie sich beim Fasching betrinken und dabei das Kostüm tragen."

Bei uns ist es kein Kostüm, sondern ein Stück Kleidung.

Kevin Manygoats

Gespräch über Faschingskultur in Dresden

Manygoats arbeitet mit Kultureinrichtungen wie dem Karl-May-Museum in Radebeul zusammen und betreibt ganz klassisch Bildungsarbeit. An diesem Rosenmontag sitzt er auch auf der Bühne des Montagscafés im Staatsschauspiel Dresden. Die Idee des Abends ist es, in den Austausch zu kommen – eine Expertenrunde, darunter Manygoats, trifft auf Menschen mit und ohne Migrationsgeschichte. Das Thema ist "Not a Costume" – kein Kostüm – und soll ein offener Raum für Fragen rund um Faschingskultur sein.

Viele Menschen in einem Veranstaltungsraum
Das Montagscafé im Staatsschauspiel Dresden hat zum Gespräch unter dem Titel "Not a costume!" eingeladen. Bildrechte: MDR / Gloria Weimer

Zaev ist auch dabei. Er kommt aus dem Iran und hat gelernt, den deutschen Fasching verstehen: "Ich würde es so sehen, dass sich Menschen für neue Dinge interessieren." Die Menschen würde sich aus Neugier und Interesse verkleiden, sagt er.

Alexander ist regelmäßig zu Besuch im Montagscafé. Er kommt aus der Ukraine und kennt Fasching aus seiner Heimat: "Mir gefällt in Deutschland, dass es mehr Freiheit gibt und man [zum Fasching] jemand anderes sein kann. Jeder kann machen, was er will, nach seinen Wünschen."

Kritik an Kostümen zu Fasching und Karneval

Kritik an der Freiheit, die sich einige herausnehmen, gibt es aber: Beim Kölner Karneval lief zum wiederholten Mal eine Plakat-Kampagne in der U-Bahn. Auf Infotafeln war zu lesen: "Ich bin kein Kostüm!". Neben dem Schriftzug abgebildet: Schwarze Menschen und Menschen of Color, die neben anderen in Kostümen stehen – die sie stereotyp darstellen sollen. Ins Leben gerufen hat die Kampagne das Antidiskriminierungsbüro Köln mit Unterstützung der Bundesfraktion der Linken.

Kulturelle Aneignung Der Begriff kulturelle Aneignung bezeichnet die Übernahme von Elementen einer Kultur durch Mitglieder einer anderen kulturellen Gruppe. Kritik wird daran geübt, wenn eine priviligierte Gruppe Elemente aus der Kultur einer diskriminierten Gruppe übernimmt.

Jan Diebold vom Antidiskriminierungsbüro Sachsen sagt: Konkrete Beschwerden von Migrantinnen und Migranten zu Kostümierungen haben sein Büro in der Faschingszeit dennoch bisher nicht erreicht. "Das liegt mit Sicherheit auch daran, dass, wenn es zu solchen Vorfällen im öffentlichen Raum kommt, wo Menschenmassen zusammenkommen, es natürlich immer schwer ist, etwas gegen solche Fälle zu unternehmen", sagt er.

Menschen bei einer Gesprächsrunde
Kevin Manygoats (Bildmitte) freut sich über die Neugier der Gäste beim Montagscafé in Dresden. Mit auf dem Podium Robin Leipold vom Karl-May-Museum Radebeul (li.) und MDR-Redakteur Ben Hänchen. Bildrechte: Stefan Petraschewsky

Auch beim Montagscafé am Staatsschauspiel Dresden gibt es kritische Stimmen. Majid kommt aus dem Iran – im Fasching sieht er keinen Sinn. Sich als Indigener zu verkleiden, lehnt er ab: "Finde ich nicht so gut – ich weiß nicht, was die Indianer dazu sagen, deshalb habe ich es nie ausprobiert."

Kevin Manygoats wurden an diesem Rosenmontag in Dresden viele Fragen gestellt. Ihn freut am Ende des Montagscafés vor allem die Neugier der Gäste. Einige hätten Vorwissen gehabt, andere hätten nicht gewusst, welche Problematik hinter dem so genannten "Indianerkostüm" stecke, sagt Manygoats lächelnd. "Ihnen fehlt der Hintergrund, um alles zu verstehen – und sie haben jetzt etwas neu entdeckt."

Redaktionelle Bearbeitung: lig

Transparenzhinweis: MDR KULTUR-Redakteur Ben Hänchen war als Experte Teil der Diskussionsrunde beim Montagscafé. Von ihm stammt der Podcast "Winnetou ist kein Apache". Er war nicht redaktionell an diesem Beitrag beteiligt.

Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 05. März 2025 | 16:10 Uhr

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