Marion Ackermann, eine Frau mit gräulichen Haaren, sie lächelt in die Kamera 8 min
Marion Ackermann verlässt die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden nach acht Jahren und geht nach Berlin. Bildrechte: picture alliance/dpa | Bernd von Jutrczenka

Staatliche Kunstsammlungen Dresden Warum verlassen Sie Dresden und gehen nach Berlin, Frau Ackermann?

09. Juli 2024, 15:10 Uhr

Seit 2016 ist Marion Ackermann Generaldirektorin der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden (SKD). 2025 wechselt sie nach Berlin und wird die neue Präsidentin der Stiftung Preußischer Kulturbesitz. Das gab Kulturstaatsministerin Claudia Roth am Montag (9.7.) bekannt. Im Gespräch mit MDR KULTUR blickt Ackermann auf die ereignisreichen Jahre als SKD-Chefin zurück – auf Erfolge, große Ausstellungen und steigende Besucherzahlen, aber auch auf die Herausforderungen wie den Juwelenraub im Grünen Gewölbe. Und sie nennt die Beweggründe für ihren Weggang aus Sachsen, bei denen auch die jüngsten Wahlergebnisse eine Rolle spielen.

MDR KULTUR: Ihr Vertrag bei den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden läuft noch bis Oktober. Nach acht Jahren, in denen Sie ja den Juwelenraub erlebt haben, die Diskussionen um Titel von Kunstwerken, Konflikte auch mit dem Rechnungshof: Hat es Ihnen jetzt in Dresden gereicht?

Marion Ackermann: Nein, überhaupt nicht. Wer mich ein bisschen kennt und meine berufliche Laufbahn verfolgt hat, der weiß, dass ich eigentlich in Krisen immer ganz stark werde und auf Krisen immer auch mit Leichtigkeit und Kreativität reagieren kann. Ich habe mich auch immer fest vor mein Team, vor meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, gestellt.

Was mich und meine Familie schon erschüttert hat, sind die jüngsten Wahlergebnisse gewesen – daraus mache ich keinen Hehl. Diese Wahlergebnisse sind eigentlich eine gewisse Enttäuschung darüber, dass unser gesamtes Engagement, auch im ländlichen Raum, 160 Ideen für Sachsen schon während der letzten heißen Wahlkampfphase, und meine vielen Freundschaften mit den Bürgermeistern in den Kommunen, nicht die erhoffte Wirkung erzielt haben. Wir haben immer gedacht, wir können etwas mit der Kultur beitragen, mit demokratischen Formaten. Wir waren schon erschüttert, dass auch sehr viele junge Menschen sehr extrem und extremistisch gewählt haben.

Marion Ackermann, eine Frau mit geblümter Bluse und Rock steht in einer Ausstellung
Marion Ackermann hat als Chefin der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden viele Ausstellungen auf den Weg gebracht. Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Die Dresdner Neuesten Nachrichten beschreiben Sie heute als Vertreterin einer "agitatorischen Kulturszene". Das klingt nach AfD, soll aber aus der CDU kommen und bezieht sich auf die identitätspolitischen Debatten in Kunst und Museen. Im Herbst wird in Sachsen gewählt und ich frage jetzt mal so zugespitzt: Sie gehen jetzt lieber?

So kann man es auch nicht sagen. Ich bin schon lange zerrissen, weil wir natürlich immer noch Großes und so unglaublich Tolles vor uns haben. Ich habe es geschafft, auch mithilfe meines Teams, William Kentridge dazu zu bringen, das ganze nächste Jahr Dresden zu widmen und ein großes Kentridge-Festival zu machen. Wir sind gerade dabei, eine Oper über Fatma, die Geliebte August des Starken, zu entwickeln. Ich diskutiere mit meiner Kollegin vom Münzkabinett, ob man nicht Kryptowährungen sammeln muss.

Ich habe das Programm der nächsten Jahre verinnerlicht und bin tief in der Arbeit. Ich liebe diese Staatlichen Kunstsammlungen Dresden und auch unser Publikum. Diese Stimmen, die Sie da jetzt zu hören, kommen im Übrigen aus Bereichen der Gesellschaft, die erstens kaum Anteil genommen haben an unserem Programm und zweitens nicht mitbekommen haben oder nicht interessiert daran waren, was für eine große internationale Strahlkraft wir entfaltet haben – für die SKD, aber auch für Sachsen. Es gibt genug andere, die sehen, was wir alles für den Freistaat getan haben.

Ich liebe diese Staatlichen Kunstsammlungen Dresden und auch unser Publikum.

Marion Ackermann, SKD-Chefin

Hatten Sie schon erste Bilanz-Momente, wie Sie diese Jahre in Dresden in Ihrer Autobiografie irgendwann beschreiben werden? So mit Vermeer, Gerhard Richter – und Caspar David Friedrich haben Sie ja auch noch im Ärmel.

Ja, natürlich. Ich habe ja eine Art politisches Tagebuch geschrieben, weil in keiner meiner bisherigen Stationen diese Dichte an Ereignissen jeden Tag war – im Positiven wie im Negativen: Ich bin mitten rein in den Bilderstreit, der schon begonnen hatte, Pegida war in Hochform, Angela Merkel war am 3. Oktober gerade mit faulen Eiern beschmissen worden. Ich kam in eine extrem aufgeheizte Atmosphäre und dann fand ich das eigentlich toll, geprägt vom Theater und von Peymann, in diesem Bilderstreit mit meiner Kollegin Hilke Wagner Formate zu entwickeln, es richtig auszufechten in einer Art permanenten Konferenz im Beuysschen Sinne.

Aber natürlich haben wir auch große Ausstellungen in den Freistaat gebracht und die Besucherzahlen extrem gesteigert. Für Formate wie die Kinderbiennale und viele internationale Kongresse, die ich auch selber noch eingeführt habe, habe ich immer komplett die Drittmittel selber mit eingeworben. Wir haben uns entschieden zu restituieren, was vorher lange brach lag. Allein mit den drei ethnologischen Museen sind wir, was innovative Ansätze betrifft, führend in Deutschland. Klar gefällt das nicht allen.

Auch in Bezug auf Mitarbeiterführung haben wir zum Beispiel viele neue Formate eingeführt, wie so eine Art Inhouse-Coaching. International haben die SKD Deutschland eigentlich viel mehr repräsentiert als irgendein anderes Museum. Wir haben ganz viele co-kuratierte Ausstellungen in vielen Ländern gemacht.

Marion Ackermann, mit einem Blumenstraß und Claudia Roth in hellem Pullover
Marion Ackermann wird die neue Präsidentin der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, worüber sich Kulturstaatsministerin Claudia Roth (li.) freut. Bildrechte: Stiftung Preußischer Kulturbesitz, Felix Zahn

Der Wissenschaftsrat hat in seinem Gutachten die größte deutsche Kulturinstitution, deren Präsidentin Sie nun werden, als dysfunktional beschrieben. Die Stiftung Preußischer Kulturbesitz schöpfe ihre Potenziale nicht aus, sei international nicht konkurrenzfähig. Ist das genau die Art von Aufgabe, die sie reizt?

Ich begleite ja im Beirat, aber natürlich auch in den innerdeutschen Diskussionen diesen Reformprozess schon lange und habe das Gutachten des Wissenschaftsrats damals auch intensiv gelesen. Wir waren mit vielem einverstanden, aber nicht mit allem – zum Beispiel nicht mit der Zerschlagung der Stiftung Preußischer Kulturbesitz in lauter einzelne Institutionen. Ich habe immer auch an die Wichtigkeit eines Zusammenhangs geglaubt, bei gleichzeitiger Entbürokratisierung und Stärkung der Autonomie der einzelnen Einrichtungen. Von daher bin ich aufs Beste vertraut damit.

Also es ist jetzt nichts, was mich überrascht, sondern ich sehe mit wirklich vollem Respekt, was allein im letzten Jahr passiert ist und wie eine Aufbruchstimmung bis in die Mitarbeiterschaft tief hineingeht, die stark mit einbezogen werden. Da wird ganz Großes geleistet und ich bin stolz, wenn ich in diesem Reformprozess mitwirken kann und mit einsteigen kann.

Quelle: MDR KULTUR (Carsten Tesch)
Redaktionelle Bearbeitung: lig, bh

Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 09. Juli 2024 | 08:10 Uhr

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