Richard-von-Schlieben-Oberschule Zittau
Eine angehende Lehrerin hilft Schülern der Richard-von-Schlieben-Oberschule Zittau in Ausfallstunden beim Lernen. Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Lehrermangel Oberlausitz: Erfolgreicher Start für Pilotprojekt gegen Stundenausfall

06. Juni 2024, 11:56 Uhr

Im ersten Schulhalbjahr sind in Sachsen schon rund eine Million Schulstunden wegen Lehrermangels ausgefallen. Betroffen sind zum großen Teil ländliche Regionen. Die Folgen des Stundenausfalls bekommen vor allem die Schülerinnen und Schüler zu spüren. Durch den fehlenden Unterricht kann manches nicht so geübt werden, wie es notwendig wäre. In der Oberlausitz unterstützen deshalb jetzt Lehramtsstudierende Schulen im Rahmen eines Pilotprojektes der TU Dresden. Bringt das etwas?

Stundenausfall gehört auch an der Richard-von-Schlieben-Oberschule in Zittau zum Alltag, so wie an diesem Vormittag für die Mädchen und Jungen der 5. Klasse. Doch diesmal sind sie nicht sich selbst überlassen, sondern sitzen gemeinsam im Klassenzimmer und lösen Aufgaben. Begleitet werden sie dabei von vier Lehramtsstudentinnen und -studenten der TU Dresden. Sie betreuen die Kinder und helfen ihnen bei Mathe, Geografie oder Deutsch.

Ein Junge schaut in ein Deutschbuch
Schülerinnen und Schüler werden in Oberlausitzer Schulen im Rahmen eines Pilotprojektes der TU Dresden beispielsweise bei der Leseförderung unterstützt. (Symbolbild) Bildrechte: IMAGO/Funke Foto Services

Studentin: "Cooles Projekt"

Die Schülerbetreuung ist Teil eines Pilotprojektes der TU Dresden und läuft seit Mai. Mit dabei ist Lehramtsstudentin Marla Arndt. Sie habe sich bewusst für die Teilnahme am Projekt entschieden, um schon vor dem Refendariat mehr Praxiserfahrung zu bekommen, erzählt sie. Es sei ein "cooles Projekt“. Denn anders als beim regulären Blockpraktikum sitze man nicht nur hinten im Klassenraum und beobachte den Unterricht. Hier könnten sie direkt mit den Kindern zusammen lernen.

Es ist ein Unterschied zum Blockpraktikum, wo man hauptsächlich hospitiert und von hinten beobachtet. Das ist auch wichtig, aber es ist etwas ganz anderes, wenn man direkt mit den Kindern zusammen lernen kann.

Marla Arndt Studentin an der TU Dresden

Kinder freuen sich über neues Angebot

Insgesamt helfen an der Schlieben-Schule einmal in der Woche acht Studierende aus, je vier pro Klasse. Für die Kinder bedeutet das: Gemeinsam büffeln statt frei zu haben. Schüler Bilal nimmt es gelassen, auch wenn er eine Freistunde auch nicht schlecht fände: "Es ist cooler zu lernen, da habe ich meine Freunde hier.“ Seiner Klassenkameradin Hailie machen die Stunde bei den Studenten und Studentinnen auf jeden Fall Spaß. Es sei eine Abwechslung und wenn viele Stunden ausfielen, dann müsste man auch viel nacharbeiten. Das sei auch blöd.

Wenn so viele Stunden ausfallen, dann muss man auch viel nacharbeiten. Das ist auch blöd.

Hailie Schülerin an der Schlieben-Oberschule in Zittau

Mehr Praxis und Sicherheit für Studierende

Initiiert hat das Projekt Anke Langner, die an der TU Dresden eine Professur für Erziehungswissenschaft innehat. Außerdem ist sie wissenschaftliche Leiterin der Universitätsschule Dresden, wo bereits neue Bildungskonzepte ausprobiert werden. Mit dem Pilotprojekt in der Oberlausitz sollen die Studierenden nicht nur mehr Praxiserfahrung sammeln. "Dadurch, dass man häufig in die Praxis geht, gewinnt man auch Sicherheit“, sagt die Professorin.

Das sei wichtig, da sich junge Lehrer manchmal so unsicher und belastet fühlen würden, dass sie nach dem Studium wieder aussteigen würden. "Die Idee ist, die Studierenden einfach bei dem Weg in die Praxis zu begleiten, damit sie dort hinwachsen können.“

Kein Unterrichtsersatz, sondern Lernunterstützung

Die angehende Lehrerin Anna Dietze nutzt dieses Angebot gerne, zumal sie selbst aus Zittau kommt. Sie möchte Grundschullehrerin werden und freut sich auf die Praxiserfahrungen. "Dadurch sammle ich viel Motivation für das weitere Studium, vor allem wenn ich dann die Lernerfolge sehen kann.“ Dabei sollen Anna und ihre Kommilitoninnen keine regulären Unterrichtsstunden übernehmen.

Vielmehr geht es laut Professorin Anke Langner um zusätzliche Angebote in kleinen Lerngruppen. Das könne zum Beispiel Leseförderung sein oder wie man selbstständig gut lernt. Das Besondere sei auch der Betreuungsschlüssel, denn es würden immer vier Studierende in eine Klasse gehen.

Schulleiterin Sabrina Hälschke von der Richard-von-Schlieben-Oberschule Zittau hilft Schülern im Unterricht.
Schulleiterin Sabrina Hälschke von der Richard-von-Schlieben-Oberschule freut sich über die Unterstützung der Studierenden. Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Schulleiterin: Projekt war Herzenswunsch

Die Schulleiterin der Zittauer Schlieben-Oberschule Sabrina Hälschke sieht die Betreuung von nur sechs Kindern pro Studentin ebenfalls als großen Vorteil. Für sie war die Umsetzung des Projektes an ihrer Schule ein echter Herzenswunsch, sagt sie. "Das Projekt ist notwendig, weil jede Schule, jede Oberschule mittlerweile zu viele Stunden Ausfall hat. Wir stehen vor einer riesengroßen Herausforderung." Sie würde das Pilotprojekt gerne auch im neuen Schuljahr fortsetzen.

Ich bin sehr glücklich. Es war für mich ein Herzenswunsch, dass dieses Projekt umgesetzt wird. Das Projekt ist notwendig, weil jede Schule, jede Oberschule mittlerweile zu viele Stunden Ausfall hat.

Sabrina Hälschke Schulleiterin der Schlieben-Oberschule Zittau

Pilotprojekt wird fortgesetzt

Nach den guten Erfahrungen aller Beteiligten wird eine zweite Pilotphase folgen. Studierende können sich bereits dafür bewerben. Wie Initiatorin Anke Langner sagt, sind in der Entscheidungsfindung auch Gremien der TU Dresden und der zuständigen Ministerien involviert. Das Interesse an einer Ausweitung des Pilotprojektes ist in der Oberlausitz jedoch groß. Etwa zehn Oberschulen haben bereits signalisiert, dass sie gerne daran teilnehmen würden.

Während der ersten Pilotphase wurde das Projekt finanziell vom Deutschen Zentrum für Astrophysik (DZA) unterstützt, das derzeit in Görlitz aufgebaut wird. Das DZA habe laut TU Dresden die Kosten der Verträge der Studentischen Hilfskräfte getragen, die in dem Projekt an die Schulen gefahren sind. Die Kommunen stellen kostenfrei Zimmer für Übernachtungen zur Verfügung. 

MDR (js,vis,kav)

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | Regionalreport aus dem Studio Bautzen | 03. Juni 2024 | 16:30 Uhr

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