Rothirsche
In Steinbach soll auf einem beliebten Tummelplatz von Rothirschen ein Solarkraftwerk entstehen. (Symbolbild) Bildrechte: imago images/blickwinkel

Umstrittene Energiewende Solarstrom kontra Naturparadies bei Rothenburg

07. Februar 2023, 18:00 Uhr

In der kleinen Gemeinde Steinbach bei Rothenburg/OL soll ein riesiger Solarpark entstehen. Anwohner sind entsetzt, denn vor etwa knapp dreißig Jahren sollte das benötigte Gelände aufgrund der einzigartigen Flora und Fauna Teil des Naturschutzgroßprojektes "Niederspree" werden. Das Planfeststellungsverfahren für den Solarpark hat jetzt begonnen.

Das kleine Dorf Steinbach bei Rothenburg kennt wahrscheinlich kaum jemand. Nur der Brand in der Munitionsentsorgungsanlage sorgte vor einigen Monaten für Schlagzeilen. Ansonsten ist es eine abgelegene Gegend, in der sich Fuchs und Hase im wahrsten Sinne des Wortes "Gute Nacht" sagen. Wölfe streifen hier seit mehr als 20 Jahren umher. Reh- und Rotwild zieht über die Felder. Biber haben die kleinen Wasserläufe wieder besiedelt.

Sandwege, gesäumt von Eichen, führen zur alten Schäferei. Diese besteht aus einigen Wohn- und Wochenendhäusern sowie einer Betonhalle aus der DDR-Zeit, in der die Schafe untergebracht waren.

Einsame Landschaft mit einer Insel

Ein Eisvogel protestiert lautstark gegen die Störung, die der Reporter verursacht. Anwohner Klaus Peter Mayr zeigt auf ein Feld. Vor wenigen Tagen hat dort ein Wolf ein Stück Rotwild gerissen. "Um die Reste versammelten sich Seeadler, dann kamen Raben und Nebelkrähen und dann holte der Fuchs das Übrige", erzählt der Besitzer eines kleinen Häuschens an der alten Schäferei. "Wenn der Solarpark gebaut wird, sehen wir hier keine Natur mehr, sondern nur noch zwei Meter hohe Zäune."

Dieses Projekt zerstört wertvolle Teile unserer heimischen Natur. In dieser Fläche sind viele geschützte Tierarten zu Hause, sind viele Naturdenkmäler, allein, wenn man diese großen Eichenalleen sieht. Es ist einfach etwas Besonderes hier.

Klaus Peter Mayr Anlieger

Wildkorridor führt durch bewohntes Gelände

Die alte Schäferei mit den kleinen Heidehäusern würde wie eine grüne Insel inmitten des etwa 120 Hektar großen Solarparks liegen. Vorteil für die wenigen Grundstückseigentümer: Sie müssten ihre Gartenzäune nicht mehr instand halten, weil sie bald von Sicherheitszäunen umringt sind. Geplant ist, ihnen einen schmalen Zugang von zwei Seiten zu ermöglichen.

Zugleich ist diese Schneise mit den Grundstücken und der Betonhalle - dem ehemaligen Schafstall - als einer der beiden Wildkorridore vorgesehen. Klaus Peter Mayr, der auch Jäger ist, ist fassungslos: "Hier gibt es große Rotwildbestände. Auch Wölfe sind sehr scheue, sehr vorsichtige Tiere. Wenn so ein Wildkorridor mitten durch bewohntes Gebiete geht, ist das doch eigentlich ein Witz."

Solarstrom kontra Natur

Das Gebiet ist als Sondergebiet Energie ausgewiesen und laut Bebauungsplan geht von dem künftigen Solarpark keine neue Landschaftsbildbeeintächtigung aus.

Wörtlich heißt es in der Begründung zum Bebauungsplan: "Durch Festsetzungen zum Erhalt von Gehölzbestand und die sichtverstellende Wirkung der angegrenzenden PV-Anlagen können erhebliche Beeinträchtigungen ausgeschlossen werden." Die Wege zwischen den Solarfeldern, die von Eichen gesäumt sind, sollen als Sichtschutz erhalten bleiben.

Allerdings müssten die eingangs beschriebenen Sandwege versiegelt werden. Aus ihnen werden Pisten aus Asphalt. Sie werden als Zufahrtsstraßen für die Bau- und Wartungsfahrzeuge benötigt. Das hat der Rothenburger Bürgermeister, Philipp Eichler (CDU), bestätigt. Für Eichler gibt es keine Alternative zum geplanten Solarpark: "Wenn ich mir die Gemarkung Steinbach angucke, da haben wir schon mal Einschränkungen vorgenommen, weil wir dort nicht an die Bebauung von Steinbach gehen."

Wir müssen schauen, wie wir die Energiewende, die von der Bundesregierung beschlossen ist, hinbekommen und da stehen wir in der Pflicht. Keiner möchte natürlich so nahe an einem Solarpark wohnen oder eingekesselt sein, aber man muss Kompromisse eingehen.

Philipp Eichler Bürgermeister Rothenburg

Ehrgeiziges Ziel: CO2-neutrales Industrie- und Gewerbegebiet

Die Kleinstadt will ihren ehemaligen Militärflugplatz zu einem CO2-neutralen Industrie- und Gewerbegebiet ausbauen. Bis vor wenigen Monaten wollten die Elbeflugzeugwerke aus Dresden in Rothenburg Großflugzeuge auseinander nehmen, um wertvolle Teile zu recyceln. Doch das Projekt wird nach Angaben einer Sprecherin der Flugzeugwerke derzeit nicht weiterverfolgt.

Auch der zweite Hoffnungsträger - Fraunhofer - ist nach eigenen Angaben von der Idee abgekommen, in Rothenburg an der Wiederverwertung von Verbundstoffen zu forschen. Diese Verbundstoffe werden beispielsweise bei Windrädern eingesetzt. Fraunhofer kam im Schlepptau der Flugzeugwerke nach Rothenburg. Damit gibt es zumindest derzeit auf dem Flugplatz keinen Abnehmer für den Solarstrom aus dem benachbarten Steinbach. Ohnehin ist noch völlig ungeklärt, wo die Energie aus dem Solarpark in das Netz eingespeist werden kann. Im Gespräch sind das weit entfernte Hagenwerder sowie Boxberg.

Rothenburger Stadtrat gibt grünes Licht

Der Eigentümer der benötigten Flächen ist die Heim-Gruppe aus Ulm. Die Schwaben verdienen ihr Geld unter anderem mit Kies. Die Gruppe ist im Straßen- und Tiefbau aktiv, betreibt Biogasanlagen, Baustoffhandel und Recycling. Zum Unternehmen gehören zahlreiche Kiesgruben, auch in der Oberlausitz. Beispielsweise bei Hagenwerder, in Hainewalde oder Quitzdorf.

Auch der Rinderstall in Neusorge als landwirtschaftlicher Mischbetrieb ist Teil der Unternehmensgruppe. Auf deren, nach eigenen Aussagen wenig ertragreichen Flächen, soll nun in den nächsten zwei, drei Jahren der Solarpark entstehen. Grünes Licht bekam das Unternehmen im Dezember vom Rothenburger Stadtrat. Die Heim-Gruppe will den Solarpark gemeinsam mit den Projektentwicklern UKA aus Meißen bauen. Mehrfache Anfragen von MDR SACHSEN an die Investoren blieben bislang unbeantwortet.

Geplant: Solarstrom für eine Kleinstadt

Der geplante Solarpark wird rund 120 Hektar groß sein, 90 Hektar davon beanspruchen die Sonnenkollektoren. Sie sollen eine Leistung von etwa 120 Megawatt erbringen. Das wurde dem Rothenburger Stadtrat mitgeteilt. Mithilfe der Sonne könnten im Jahr rund 30.000 Drei-Personen-Haushalte mit Strom versorgt werden. Der Rothenburger Bürgermeister hofft, dass ein Teil der Erlöse über Abgaben auch die Gemeindekasse füllen wird: "Das ist ein Investor, der hier schon bekannt ist, mit dem man ein gutes Verhältnis seit Jahren schon hat."

Planungsunterlagen sind öffentlich einsehbar

Bis Ende Februar liegen die Planungsunterlagen für den Solarpark Steinbach im Rathaus Rothenburg aus. Das Landratsamt Görlitz teilt auf Anfrage mit: "Leider unterliegen großflächige Solarparks keiner regionalplanerischen Steuerung wie zum Beispiel Windkraftanlagen. Hier obliegt es den Kommunen, ihre Planungshoheit wahrzunehmen. Zudem liegen die Flächen in der Gebietskulisse der Sächsische Photovoltaik-Freiflächenverordnung (PVFVO), die seit September 2021 gerade die Inanspruchnahme solcher Flächen regelt."

Naturschutzverbände wie der Nabu Sachsen prüfen bereits, ob die Belange Natur- und Artenschutz ausreichend berücksichtigt wurden. Für Anwohner Klaus Peter Mayr ist klar, dass der Natur zugunsten der Energiewende eine Fläche von etwa 180 Fußballfeldern entrissen wird, auch wenn Grünstreifen, Nisthilfen und vieles mehr die Folgen des Megaprojekts mildern sollen.

Dieses Gelände ist die Pufferzone zwischen drei Landschafts- und Naturschutzgebieten und sollte selbst einmal ein Teil davon werden. Wenn man diese Flächen der Natur raubt, entscheidet man sich gegen die Natur.

Klaus Peter Mayr Anwohner

Der ehemalige Görlitzer Tierparkchef und jetzige Tierfilmer Axel Gebauer drehte auf dem Gelände Teile für seinen mehrfach preisgekrönten Film "Das geheime Leben der Rothirsche". Dieser Film wurde vor einigen Monaten zur Hauptsendezeit in der ARD gezeigt. Nicht nur der Tierfilmer, auch Naturschützer und Anwohner sowie Mitglieder des Jagdverbandes Niederschlesische Oberlausitz, stehen auch deshalb bislang dem Projekt "Solarpark Steinbach" bei Rothenburg skeptisch gegenüber.

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | Regionalnachrichten aus dem Studio Bautzen | 06. Februar 2023 | 13:30 Uhr

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