Deutsche Luft- und Raumfahrt DLR forscht in Zittau an Wärmekraftmaschinen für die Industrie
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02. Juni 2024, 11:00 Uhr
Das deutsche Luft- und Raumfahrtzentrum ist mit hochkarätigen Einrichtungen über ganz Deutschland verteilt. Ein eher unbekanntes DLR-Institut hat einen seiner Standorte in Zittau. Dort wird ganz bodenständig geforscht. Ziel des Instituts ist es, die Industrie von fossilen Rohstoffen unabhängiger zu machen.
Man fühlt sich ein bisschen an die Anfänge des Silicon Valleys erinnert, als in kalifornischen Garagen visionäre Ideen Wirklichkeit wurden. Denn Institutsleiter Uwe Riedel steht unter einem hochgeschobenen Rolltor. Ohne detaillierte Beschreibung findet man kaum den Weg hierher zur "charmanten 30 Jahre alten Halle", wie der Physiker sie bezeichnet und dann hineinbittet. In dem schlichten Bauwerk, wo früher in Zittau Jute verarbeitet wurde, haben jetzt Angestellte des Deutschen Luft- und Raumfahrtzentrums ihre Forschungsanlagen aufgebaut.
Abwärme nicht einfach rausblasen
Hochtemperaturwärmepumpe ist das Schlüsselwort. An ihr wird im "DLR-Institut für CO2-arme Industrieprozesse" geforscht. Mit Weltraumtechnik hat das wenig zu tun. Die einzige Verbindung, die man zur Luft- und Raumfahrt ausmachen kann, sind eine Turbine und ein leistungsstarker Kompressor in der Versuchsanlage.
Die Wärmepumpe ist eine verdammt coole Technologie, um Abwärme zu nutzen.
An diesen Teilen schraubt Prüfstandsingenieur Stephan Finger. Der gebürtige Zittauer ist ein klassischer Rückkehrer, ihn zog es 2016 mit seiner Familie wieder in die Heimat. Dass er hier einmal bei der Deutschen Luft- und Raumfahrt arbeiten werde, hätte er sich damals nicht träumen lassen. Doch dann startete 2019 der Aufbau des neuen DLR-Instituts für die Dekarbonisierung von Industrieprozessen mit seinen beiden Standorten in Cottbus und Zittau.
"Die Wärmepumpe ist eine verdammt coole Technologie, um Abwärme zu nutzen", sagt der Stephan Finger. Das sei viel besser, als sie einfach in die Atmosphäre abzugeben. Durch die Funktion der Hochtemperaturwärmepumpe könne die Abwärme in einem Kreislaufsystem mit Hilfe eines Kompressors verdichtet und so stark wieder hochgeheizt werden, dass sich die Hitze erneut in der Produktion nutzen lässt. Die Verdichtung sollte dabei möglichst mit grünem Strom geschehen.
Wärmekraftmaschine für die Industrie
Während solche Wärmekraftmaschinen für Eigenheime nichts Ungewöhnliches sind, stecken industrielle Anwendungen noch in den Kinderschuhen. Bisher gelänge die Wasserdampfverdichtung bis ungefähr 120 Grad, erklärt DLR-Institutschef Riedel. "Mit unserem Konzept hier in dieser Halle wollen wir bis 200 Grad gehen." Das sei ein Temperaturbereich, der in der Lebensmittel- und Papierindustrie benötigt wird. Spätere Anlagen sollen sogar zwischen 300 und 400 Grad erreichen.
Unsere Technologie soll den CO2-Abdruck der deutschen Industrie senken.
"Wir wollen mit unseren Technologie helfen, den CO2-Abdruck der deutschen Industrie zu senken", erklärt der 61-Jährige. Der Institutsleiter betont, dass das DLR eben nicht nur in den Weltraum schaue, sondern seit mehr als 40 Jahren Energieforschung betreibe.
Snackhersteller in Kreba-Neudorf ist Partnerfirma
Weil Hochtemperaturwärmepumpen nicht nur unter Laborbedingungen funktionieren und stabil laufen sollen, will das Institut sie zeitnah einem Praxistest unterziehen. Die dafür bereits gefundene Partnerfirma ist der Snack-Hersteller Lorenz aus Kreba-Neudorf. "Wir hoffen, die Wärmepumpe dort in den Einsatz zu kriegen", sagt Riedel. Bisher würden bei Lorenz Erdnüsse in einer großen Friteuse geröstet, die mit fossilen Brennstoffen beheizt wird. "Das wollen wir ablösen. Das Heizen soll künftig die Wärmepumpe übernehmen." Nach ersten Wirtschaftlichkeitsberechnungen soll sich diese Umrüstung in fünf bis acht Jahren amortisieren.
Stahlgewinnung mit grünem Wasserstoff
Neben der großen Wärmepumpenanlage steht mitten in der Halle noch ein kleiner Container. Hier drin ist ebenfalls Messtechnik aufgebaut. Aber im Unterschied zu Stephan Finger, der eben mit dem Schraubschlüssel hantierte, fasst Mitarbeiterin Syafina Fong winzige Pröbchen mit einer Pinzette an. Die junge Frau aus Malaysia untersucht, wie sich aus Eisenoxid Eisen gewinnen lässt und zwar mit Hilfe von Wasserstoff.
Bisher schmelze die Stahlindustrie ihr Eisenoxid in Hochöfen mit Kohle und Koks. Das habe einen ziemlich hohen CO2-Fußabdruck, sagt Riedel. Eisen lasse sich aus Eisenoxid aber auch mit Hilfe von grünen Wasserstoff gewinnen.
Spatenstich für Neubau mit Alexander Gerst
Für manche Messungen kommen die Wissenschaftler in der Zittauer Halle inzwischen an ihre Grenzen. Der nächste Versuchsaufbau werde gerade so in die Halle passen, schätzt Ingenieur Stephan Finger. Auch bei der Stromversorgung hapere es. Deshalb erhält das Institut einen Neubau, noch dazu in idealer Lage an der Hochschule Zittau/Görlitz. Er werde eine Grundfläche von rund 1.600 Quadratmetern einnehmen und sich in einen dreigeschossigen Büro- und einen Hallenflügel gliedern, führt DLR-Sprecherin Melanie Wiese aus.
"Wir freuen uns alle auf den Neubau, weil wir da mehr Fläche haben und eine bessere Stromversorgung für leistungsstärkere Anlage, an der sich gut experimentieren lässt," sagt Riedel. Der symbolische Spatenstich ist für den 28. Juni geplant. Dann wird mit Alexander Gerst ein echter Astronaut dabei sein. Gerst werde Schulen besuchen und man plane ein Wissenschaftsfest auf dem Marktplatz in Zittau, wo sich viele DLR-Institute mit ihrer Arbeit vorstellen, kündigt Riedel an.
MDR
Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | Regionalreport aus dem Studio Bautzen | 29. Mai 2024 | 16:30 Uhr