Extremismus Verbotene Reichsbürger-Veranstaltung in Bärwalde: Polizei mit Großaufgebot vor Ort
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15. September 2023, 20:18 Uhr
Am Wochenende wollen die Anhänger des selbsternannten "Königs von Deutschland", Peter Fitzek, im Bärwalder Schloss das 11-jährige Bestehen ihres "Königreiches" feiern, obwohl die Gemeinde Boxberg die Veranstaltung untersagt hat. "Wir sind an die Regularien der Bundesrepublik nicht gebunden", erklärt ein Vertrauter Fitzeks. Der Verfassungsschutz warnt, die Gruppierung verfolge mit der Veranstaltung ein ganz bestimmtes Ziel.
- Das Fest scheint nur auf den ersten Blick harmlos.
- Der Verfassungsschutz warnt vor der Veranstaltung.
- Die Gemeinde Boxberg hat die unangemeldete Veranstaltung verboten. Die Polizei hat angekündigt, das Veranstaltungsverbot durchzusetzen und ist mit einem Großaufgebot vor Ort.
Bärwalde ist ein beschauliches Örtchen mit knapp 150 Einwohnern. Gepflegte Gärten, viel Grün und sehr viel Ruhe gibt es hier. Nur auf dem Gelände des Schlosses herrscht emsiges Treiben: Aus einem Raum hört man ein lautes Surren, vielleicht eine Säge. An einem Nebengebäude verputzen zwei Männer eine Wand. Die Vorbereitungen für das Fest, das hier am Wochenende stattfinden soll, sind in vollem Gange.
Vermeintlich harmloses Fest mit Yoga und Meditation
100 Jahre Schloss Bärwalde sollen dann gefeiert werden und elf Jahre "Königreich Deutschland". Das Programm verspricht Yoga, Meditation, ein Kinderprogramm und Bogenschießen. Es wirkt auf den ersten Blick harmlos. Eingeladen ist aber auch der wegen Volksverhetzung verurteilte Holocaust-Leugner, Antisemit und Rechtsextremist Nikolai Nerling. Er soll eine Podiumsdiskussion zu Bildung und Medien leiten.
Auf dem Tor zum Gelände hängt ein Schild mit der Aufschrift "Königreich Deutschland" und darunter eine "Hausordnung" (Fehler im Original): "Mit dem betreten des Geländes sind Sie temporär Staatszugehöriger Des Königreiches Deutschland und damit einverstanden. Es entstehen keine weiteren Rechte oder Pflichten."
Der selbsternannte König Peter Fitzek und seine Anhänger haben ein Fantasie-Königreich mit eigenen Gesetzen geschaffen. Nach ihrem Rechtsverständnis können sie ihre eigenen Gesetze schreiben. Sie glauben deshalb nach eigenen Aussagen, dass die Gesetze der Bundesrepublik Deutschland für sie, zumindest auf ihrem vermeintlichen "Territorium", keine Gültigkeit haben.
Der Verfassungsschutz warnt vor "extremistischer" Gruppierung
Der sächsische Verfassungsschutz warnt deshalb vor den "verfassungsfeindlichen Aktivitäten" des sogenannten Königreiches. Dieses leugne die geltende Rechts- und Verfassungsordnung der Bundesrepublik Deutschland.
Die "extremistische" Gruppierung wolle demnach "pseudo-legitimierte Parallelstrukturen zu real existierenden staatlichen und wirtschaftlichen Strukturen" aufbauen. Beispiele seien das Steuer- und Finanzwesen sowie das soziale Sicherungssystem.
Zu diesem Zweck plane der selbsternannte König, Peter Fitzek, sogenannte "Gemeinwohldörfer" zu errichten, auch in Sachsen. Auch an dem Tor zum Schloss steht ein rundes Schild mit der Aufschrift "Gemeinwohldorf Bärwalde".
Nur scheinbar "buntes Familienfest"
Auch vor der geplanten Veranstaltung am Wochenende warnt der Verfassungsschutz: "Das vorgesehene Programm könnte den Eindruck erwecken, dass es sich dabei um ein buntes Familienfest handelt." Tatsächlich solle aber mit solchen scheinbar unverfänglichen Veranstaltungen für die "Gemeinwohldörfer" sowie um neue Mitglieder geworben werden. Mit den Einnahmen aus Veranstaltungen wie diesen wolle Peter Fitzek "der Verwirklichung seiner verfassungsfeindlichen Ziele ein weiteres Stück näherkommen".
Auch bei der Gemeinde Boxberg, zu der Bärwalde gehört, ist man alarmiert und hat die Veranstaltung verbieten lassen. "Feuerwerk, Lagerfeuer, Verkehrsflächennutzung, Ausschank - das sind alles Punkte, die wir als Kommune prüfen müssten und die angemeldet werden müssten", erklärt der Hauptamtsleiter der Gemeindeverwaltung, Arian Leffs. Das hätten die Veranstalter aber nicht getan.
Fitzeks "rechte Hand" gibt sich von Verbot unbeeindruckt
Von dem Verbot der Veranstaltung geben sich die Reichsbürger unbeeindruckt. Das wird bei einer Begegnung am Bärwalder Schloss einige Tage vor der geplanten Veranstaltung deutlich. An diesem Nachmittag kommen zwei Männer vom Gelände herunter. Der eine hat eine Kamera in der Hand und filmt offenbar. Der andere stellt sich als Marco Ginzel heraus, Peter Fitzeks "rechte Hand", wie er sich selbst in einem Video aus diesem Jahr bezeichnet.
Angesprochen auf das Verbot antwortet er: "Die Stadt Boxberg kann ja gerne Meinungen haben." Später führt er aus: "Die Regularien der Bundesrepublik sind nicht bindend für uns". Er zeigt in Richtung Einfahrt zum Schlossgelände. "Hier vorne beginnt das Staatsgebiet des Königreiches Deutschland." Man sei aber "kooperativ" und offen für Gespräche auch mit der Gemeinde Boxberg. "Wir wollen ja nicht, dass es irgendwelche Probleme gibt."
Die Gemeinde lädt am Sonnabend die Bürger in Bärwalde zu einem Brunch mit dem Bürgermeister ein, um mit ihnen über die Entwicklungen im Schloss ins Gespräch zu kommen. Die Stadt will junge Familien anziehen und fürchtet eine abschreckende Wirkung durch das "Königreich". Auch deshalb wolle man "ein Zeichen setzen".
Plakate gegen Reichsbürger
An fast jedem Laternenpfahl von Bärwalde hängen Plakate, auf denen in großen Buchstaben "Demokratie" steht. Darunter sind Auszüge aus dem Grundgesetz zu lesen: "Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat. Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus." und "Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden."
Das Schloss ist von den Plakaten quasi umzingelt. Aufhängen lassen hat sie die Gemeinde Boxberg. "Wir wollten ein Zeichen setzen, dass wir auf den demokratischen Grundsätzen arbeiten und dass solche Veranstaltungen nicht erwünscht sind", erklärt der Boxberger Bürgermeister Hendryk Balko.
Anwohner loben die Fitzek-Anhänger
Ein Anwohner in Jogginganzug und mit Vokuhila-Haarschnitt betrachtet das Plakat einen Moment lang nachdenklich und kommt dann zu dem Schluss: "Das ist Kindergarten." Die neuen Schlossbewohner seien die ersten seit 30 Jahren, die etwas machen. Davor sei alles verfallen. Ähnlich äußern sich auch zwei andere Nachbarn.
Anwohner, die angesichts der Entwicklungen im Schloss besorgt sind, sind - so scheint es - in der Minderheit und an diesem Tag nicht anzutreffen. Nur eine Frau ist skeptisch: "Ich heiße es nicht gut, was sie machen. Aber es sind auch Menschen. Irregeleitete Menschen".
Polizei rückt mit Großaufgebot an
Die Polizei hat inzwischen angekündigt, das Veranstaltungsverbot durchzusetzen. Seit Freitag haben die Einsatzkräfte über einhundert Personen abgewiesen und andere Verstöße festgestellt.
Wer ist Peter Fitzek?
Peter Fitzek gründete 2012 in der Lutherstadt Wittenberg den Fantasiestaat "Königreich Deutschland" und ließ sich selbst zum "König" dieses "Staates" krönen. In den letzten Jahren kam er immer wieder mit dem Gesetz in Konflikt.
Im Juli verurteilte das Landgericht Dessau-Roßlau ihn wegen Körperverletzung und Beleidigung zu acht Monaten Haft. Er soll eine Frau gegen eine Tür gestoßen und dann nach ihr getreten haben. Gegen das Verfahren legte er Berufung ein, der Fall muss neu verhandelt werden.
Fitzek betrieb außerdem ohne die entsprechenden Genehmigungen über mehrere Jahre hinweg eine eigene Bank und mehrere Versicherungen. Im August 2017 wurde Fitzek durch das Landgericht Dessau wegen illegaler Geschäfte mit der "NeuDeutschen Gesundheitskasse" und Fahrens ohne Führerschein zu einer Haftstrafe von zweieinhalb Jahren verurteilt. Im Februar 2019 wurde er aus der Haft entlassen.
Der Verfassungsschutz Sachsen warnt: Um seine Ziele zu erreichen, sei Fitzek auf das Geld seiner Anhänger angewiesen.
Wer in seine Angebote "investiere", dem drohe womöglich der Verlust seiner Ersparnisse.
Quelle: MDR (sth)
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN | MDR SACHSENSPIEGEL | 16. September 2023 | 19:00 Uhr