Weniger Arbeit, gleicher Lohn Unternehmen in Sachsen-Anhalt setzen auf Vier-Tage-Woche
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01. Dezember 2022, 12:48 Uhr
Die Vier-Tage-Woche ist ein viel diskutiertes Modell. In Sachsen-Anhalt ist das Modell auch angekommen. In Sangerhausen müssen Beschäftigte einer Firma nicht mehr fünf Tage in der Woche zur Arbeit gehen.
- Eine Baufirma aus Sangerhausen setzt ab Januar auf eine Vier-Tage-Woche
- Die Deutsche Wirtschaft ist laut einem Forscher für die Vier-Tage-Woche nicht bereit.
- Auch in Thüringen und Sachsen testen verschiedenen Unternehmen das Modell.
Beschäftigte der Firma Gorgas-Lichtenecker aus Sangerhausen müssen zukünftig nur noch vier statt fünf Tage zur Arbeit gehen. Das Bauunternehmen führt ab Januar 2023 die Vier-Tage-Woche ein – und das ohne Lohneinbußen.
Baufirma spricht von effektiven Mitarbeitern
Dass am Ende der Vier-Tage-Woche keine Arbeit unerledigt bleibt, liegt an der Koordinierung in der Firma und der guten Selbst-Organisation der Arbeiter, meint Geschäftsführer Maik Gorgas. "Die Mitarbeiter machen sich jetzt schon Gedanken, wie sie effektiv sein können", erklärt Gorgas im Gespräch mit MDR SACHSEN-ANHALT.
Vier-Tage-Woche als "Lockmittel"
Weniger Arbeit bei gleichem Lohn – dieses Zugeständnis hat die Baufirma auch gemacht, um neue Mitarbeiter zu gewinnen. Denn die Auftragslage sei gut, aber der Arbeitsmarkt leergefegt. Nachdem Maik Gorgas und sein Geschäftspartner Dustin Lichtenecker vor vier Wochen mit dem Angebot der Vier-Tage-Woche neue Arbeitsstellen ausgeschrieben hatten, sei das Echo enorm gewesen.
"Die Frage, die sofort kam war: Wie wollt ihr das machen? Arbeite ich dann elf Stunden am Tag?", erinnert sich Lichtenecker. Bei dem Konzept soll es bei einer täglichen Arbeitszeit von 8 Stunden bleiben. Mit dem Angebot sei es aber auch gelungen, die Menschen ins Büro zu locken und sich als Firma vorstellen zu können. "Und die Leute merken, dass wir die Mitarbeiter halten wollen", betont Lichtenecker.
Mehr Zeit für Privates
Bei der Firma Temm aus dem Mansfelder Land gibt es die Vier-Tage-Woche bei vollem Lohnausgleich bereits seit zwei Jahren. Etliche Angestellte sind dem Haustechnik-Betrieb zufolge allein deshalb dorthin gewechselt und durchaus zufrieden. So zum Beispiel Mitarbeiter Danny Grimm: "Nur vier Tage zu arbeiten ist super. Ich schaffe so auch privat noch was."
Nicht alle Beschäftigten arbeiten nur vier Tage
Bei Gorgas-Lichtenecker in Sangerhausen haben aber nicht alle eine Vier-Tage-Woche: Die Chefs sowie das Büro und der Architekt der Baufirma sind an fünf Tagen erreichbar. Denn nur so lasse sich die Arbeit auf den Baustellen so vorbereiten und koordinieren, dass die Mitarbeiter zu ihrer Vier-Tage-Arbeitswoche kommen.
Forscher: Deutsche Wirtschaft nicht bereit für Vier-Tage-Woche
Was für einzelne Unternehmen funktioniert, sei für die deutsche Wirtschaft als Ganzes nicht zu stemmen, meint Enzo Weber von der Uni Regensburg. "Bei gleichem Lohn würde das eine Lohnerhöhung um 25 Prozent bedeuten. Das können die meisten Betriebe einfach nicht tragen", sagt der Wirtschaftsforscher im Gespräch mit MDR SACHSEN-ANHALT. Eine großflächige Arbeitszeitverkürzung würde zudem den Fachkräftemangel verschärfen.
Bei gleichem Lohn würde das eine Lohnerhöhung um 25 Prozent bedeuten. Das können die meisten Betriebe einfach nicht tragen.
Wunsch nach Flexibilität
Die Verkürzung der Arbeitszeit stünde auch nicht ganz oben auf der Wunschliste der Beschäftigten, ergänzt Weber. Die meisten Menschen würden lieber flexibler arbeiten, sich die Arbeitszeit selbst einteilen können und an das eigene Leben anpassen.
Vorteile für Unternehmen
Auch wenn dieser Spagat schwierig für die Betriebe sei, lohne sich der Aufwand, ist sich Weber sicher. "Wenn die Firmen den Wünschen von Beschäftigten entgegenkommen, flexibler arbeiten zu können, steigert das die Zufriedenheit und die Chancen, gute Arbeitskräfte zu bekommen."
Arbeitgeberverband mit Skepsis
Eine eher skeptische Haltung zur Vier-Tage-Woche vertritt der Allgemeinen Arbeitgeberverband der Wirtschaft in Sachsen-Anhalt. Geschäftsführerin Sigrun Trognitz sagte Anfang des Jahres, dass die Verkürzung der Arbeitszeit aus Arbeitgebersicht nicht so einfach sei: "Die Produktions- und Arbeitsprozesse sind zum Teil auf fünf, sechs oder sieben Tage ausgelegt. Somit müsste die Produktivität eines jeden Arbeitnehmers im gleichen Verhältnis steigen, um in kürzerer Zeit das gleiche Ergebnis zu erreichen", meint Trognitz.
Mehr Personal nötig und Standortnachteil
Das sei nicht möglich, sagt Trognitz. Ein Unternehmer müsste bei einer Vier-Tage-Woche tatsächlich mehr Personal einstellen und das bedeute steigende Kosten und weniger Umsatz für die Unternehmen. "Im internationalen Wettbewerb ist das ein nicht zu unterschätzender Standortnachteil."
Zumal bei dem derzeitigen Fachkräftemangel die notwendigen zusätzlichen Arbeitskräfte hier in Sachsen-Anhalt nicht zur Verfügung stehen." Außerdem sei eine Vier-Tage-Woche mit dem derzeitigen deutschen Arbeitszeitgesetz nicht vereinbar, sagt Trognitz.
Testbetrieb auch in Thüringen und Sachsen
Nicht nur in Sachsen-Anhalt haben sich Firmen für die Vier-Tage-Woche entschieden. Im thüringischen Kahla arbeiten die Beschäftigten der Dr. Eberhardt GmbH nur vier Tage in der Woche. Ein halbes Jahr lang soll das neue Arbeitszeitmodell in der Firma nun getestet werden. Auch eine Konzept-Agentur in Erfurt erprobt derzeit eine Vier-Tage-Woche.
In der Leipziger Internetfirma F&P wird seit Oktober an nur vier Tagen in der Woche gearbeitet. Eine Umfrage nach fünf Wochen habe gezeigt, dass das Stresslevel gesunken ist. Auch die Produktivität sei nicht gesunken, erklärte Geschäftsführer Ingmar Ackermann. Er habe sich auch für das Modell entschieden, um eine Balance zwischen den privaten Anforderungen der Beschäftigten und ihrem Beruf herstellen zu können.
MDR (Moritz Arand)
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT HEUTE | 30. November 2022 | 19:00 Uhr
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