Straftat 2017 neu definiert Immer mehr illegale Autorennen in Sachsen-Anhalt
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12. Mai 2023, 10:25 Uhr
In Sachsen-Anhalt werden immer häufiger Fälle von illegalen Autorennen registriert. Autorennen sind erst seit 2017 ein eigener Straftatbestand. Eine Juristin sagt: Wer rast oder Rennen fährt, macht das häufig für das Selbstwertgefühl. In Sachsen-Anhalt wurde 2019 eine Frau getötet. Bis heute beschäftigt der Fall die Justiz.
- In Sachsen-Anhalt werden immer mehr Fälle von Autorennen registriert. Das könnte auch mit einer Gesetzesänderung von 2017 zusammenhängen.
- Eine Strafrechtsprofessorin sagt, Rasen und Autorennen unterscheiden sich durch den Wettbewerbsaspekt vom zu schnellen Fahren.
- Strafbar kann sich demnach machen, wer seine Geschwindigkeit nicht anpasst und sich grob verkehrswidrig sowie rücksichtslos verhält.
Die Zahl illegaler Autorennen in Sachsen-Anhalt steigt: 2022 wurden im Land 303 Rennen registriert. Im Jahr 2018 gab es nach Angaben des Ministeriums für Inneres und Sport noch 18 Fälle, in denen illegale Autorennen erfasst wurden.
Jura-Professorin: "Es geht ums Selbstwertgefühl"
Autorennen sind erst seit 2017 als Straftat im Gesetz verankert. Zuvor fielen Fälle etwa unter den Tatbestand fahrlässige Tötung. Die Rechtsprofessorin Elisa Hoven von der Uni Leipzig sagt, der Anstieg müsse nicht unbedingt bedeuten, dass es auch mehr Fälle gab: "Es kann auch auf die Anzeige-Praxis zurückzuführen sein. Dieser Tatbestand ist ja vergleichsweise neu. 2018 hatte man noch wenig Erfahrung damit."
§ 315d Verbotene Kraftfahrzeugrennen
- (1) Wer im Straßenverkehr
1. ein nicht erlaubtes Kraftfahrzeugrennen ausrichtet oder durchführt,
2. als Kraftfahrzeugführer an einem nicht erlaubten Kraftfahrzeugrennen teilnimmt oder
3. sich als Kraftfahrzeugführer mit nicht angepasster Geschwindigkeit und grob verkehrswidrig und rücksichtslos fortbewegt, um eine höchstmögliche Geschwindigkeit zu erreichen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
- (2) Wer in den Fällen des Absatzes 1 Nummer 2 oder 3 Leib oder Leben eines anderen Menschen oder fremde Sachen von bedeutendem Wert gefährdet, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
- (3) Der Versuch ist in den Fällen des Absatzes 1 Nummer 1 strafbar.
- (4) Wer in den Fällen des Absatzes 2 die Gefahr fahrlässig verursacht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
- (5) Verursacht der Täter in den Fällen des Absatzes 2 durch die Tat den Tod oder eine schwere Gesundheitsschädigung eines anderen Menschen oder eine Gesundheitsschädigung einer großen Zahl von Menschen, so ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren.
Quelle: Gesetze im Internet
Strafrechtsprofessorin Hoven beschäftigt sich seit Jahren mit dem Thema illegale Straßenrennen. Sie sagt, es gehe dabei häufig ums Kräftemessen: "Man trifft sich abends, man hat vielleicht schon ein bisschen Alkohol getrunken, steht an der Ampel und dann möchte man sich gegenseitig beweisen: 'Mein Auto ist das Schnellste'." Es gehe dabei um das Selbstwertgefühl.
Halle 2019: Mann tötet Fußgängerin bei Autorennen
In Halle hatte ein junger Mann 2019 eine Frau angefahren und getötet. Das Gericht sah es in zweiter Instanz als erwiesen an, dass der Mann sich mit seinem geliehenen leistungsstarken Auto ein Rennen mit einem Bekannten geliefert hatte.
Der Fahrer wurde wegen fahrlässiger Tötung, fahrlässiger Gefährdung des Straßenverkehrs und Fahrerflucht in zweiter Instanz zu drei Jahren Haft verurteilt. Es wurde das Jugendstrafrecht angewendet. Im November 2022 legte der mittlerweile 22-jährige Mann Revision ein. Am 11. Mai 2023 erklärte das Landgericht Halle die Verurteilung des Angeklagten für rechtskräftig.
Mehr zum Thema bei "exactly: Illegale Straßenrennen: Tödliche Raserei."
Er sagte dem MDR nun in einem Interview, er habe einen Blackout gehabt. Er bereue die Fahrerflucht: "Ich hasse mich heute noch dafür, dass ich nicht angehalten habe, nicht geholfen habe." Aber er sagt auch, es sei kein Autorennen gewesen: "Ich nehm' die Strafe, aber nicht auf Autorennen. Das ist eine Sache, die ich nicht getan habe."
Wettbewerb beim Fahren ist strafbar
Der Unterschied zwischen zu schnellem Fahren und Rasen oder Autorennen ist nach Angaben von Elisa Hoven der Wettbewerb. Das gelte auch, wenn Autos nicht nebeneinander, sondern nacheinander führen: "Es müsste schon Geschwindigkeit gemessen werden, Geschicklichkeit et cetera. Aber dann wäre das ein strafbares Rennen."
So wäre etwa auch ein Wettbewerb im Tunnel an der Rappbodetalsperre strafbar, wenn man einen Wettbewerb zwischen den Teilnehmenden feststelle. Jedes Jahr treffen sich dort im April zahlreiche Auto- und Motorradfahrer und fahren durch den Tunnel.
Auch ein Einzelrasen könne dann strafbar sein, so Hoven: "Aber das würde voraussetzen, dass die Teilnehmenden nicht nur die höchstmögliche Geschwindigkeit versuchen, im Tunnel zu erreichen, sondern sich auch noch grob verkehrswidrig und rücksichtslos verhalten."
Bugatti fuhr mit 417 km/h über A2
Im vergangenen Jahr hatte der Fall eines tschechischen Bugatti-Fahrers auf der A2 zwischen Ziesar und Theeßen für Aufsehen gesorgt. Der Mann war 417 Kilometer pro Stunde gefahren, hatte die Fahrt gefilmt und das Video veröffentlicht. Die Staatsanwaltschaft stellte die Ermittlungen ein. Nach Angaben von Staatsanwalt Thomas Kramer gab es keinen hinreichenden Verdacht einer Straftat. Es sei kein grober Verkehrsverstoß oder rücksichtloses Verhalten erkennbar gewesen.
Meine persönliche Einschätzung wäre, dass über 400 Kilometer nie eine angepasste Geschwindigkeit sein kann.
Die Leipziger Professorin betont: "Nur, weil ich zu schnell fahre, mache ich mich in Deutschland nicht strafbar." Auf offener Strecke ohne Geschwindigkeitsbegrenzung müsse man den einzelnen Fall betrachten. Sie sagt: "Meine persönliche Einschätzung wäre, dass über 400 Kilometer nie eine angepasste Geschwindigkeit sein kann. Das hat die Staatsanwaltschaft offenbar anders gesehen."
Juristin: Strafrecht reicht nicht
Um eine Straftat zu begehen, müsste man sich neben der unangepassten Geschwindigkeit aber auch grob verkehrswidrig und rücksichtslos verhalten, so Hoven. Im Fall des Bugatti-Rasers hält sie es jedoch auch für interessant, dass die Staatsanwaltschaft den Mann nicht angeklagt hat, um darüber zu verhandeln: "Wie sah die Strecke aus? Ist es tatsächlich so, dass das Verhalten nicht rücksichtslos und grob verkehrswidrig war?"
Elisa Hoven sagt, Gesetze reichten nicht, um Rasen und Autorennen zu verhindern: "Wenn wir Rennen tatsächlich verhindern wollen, dann müssen wir natürlich viel mehr investieren in Aufklärungsarbeit und in Prävention. Das kann das Strafrecht alleine nicht richten."
MDR (Madeleine Meier, Julia Heundorf)
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 08. Mai 2023 | 18:00 Uhr
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