Leerstand in Sachsen-Anhalt Mieter gesucht: Warum in Sachsen-Anhalt besonders viele Wohnungen leerstehen
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21. Oktober 2024, 11:20 Uhr
In Sachsen-Anhalt stehen im bundesweiten Vergleich besonders viele Wohnungen leer. Das hängt auch mit dem DDR-Erbe zusammen. Doch wo Wohnungen saniert werden, finden sich auch wieder neue Mieter. Als letzter Ausweg bleibt der Abriss – auch, um Kommunen zu entlasten. Eine Analyse.
- Der Wohnungsleerstand ist in allen Landkreisen in Sachsen-Anhalt hoch. Besonders in Dessau-Roßlau stehen viele Wohnungen leer im bundesweiten Vergleich.
- Besonders in Plattenbauten der 70er und 80er Jahre fehlen die Bewohner.
- Gute Stadtplanung und Sanierung können leere Wohngebäude wieder beleben.
Steigende Mieten und knapper Wohnraum sorgen regelmäßig für Schlagzeilen. In Sachsen-Anhalt ist in vielen Gegenden das Gegenteil ein Problem: Nirgendwo stehen so viele Wohnungen leer wie hier. Laut Volkszählung Zensus lag die Leerstandsquote im Jahr 2022 bei 8,9 Prozent – so hoch wie nirgendwo sonst in Deutschland. Viele leere Wohnungen gibt es auch in Sachsen (8,5 Prozent) und Thüringen (7,8 Prozent), während in den Stadtstaaten Berlin und Hamburg nur etwa 2 Prozent der Wohnungen leer stehen.
Immerhin: Seit dem letzten Zensus im Jahr 2011 ist der Leerstand in Sachsen-Anhalt leicht zurückgegangen. Doch noch immer stehen so viele Wohnungen leer, dass das zu einem Problem wird. Dessau-Roßlau etwa hat eine der höchsten Leerstandsquoten aller Kreise in Deutschland: 12,5 Prozent aller Wohnungen waren nicht bewohnt. Die Landeshauptstadt Magdeburg hat mit 6,7 Prozent die niedrigste Leerstandsquote in Sachsen-Anhalt. Der Kreis mit dem zweitniedrigsten Leerstand ist aber nicht Halle, sondern der Saalekreis.
Die Karte zeigt, dass Magdeburg und der Raum Halle-Leipzig über die Stadtgrenzen hinweg Menschen anziehen. Die Gemeinden im Einzugsgebiet dieser Städte haben weniger leere Wohnungen. Im Vergleich zu 2011 ist die Leerstandsquote in diesen Gemeinden leicht gesunken.
Hoher Leerstand in ländlichen Gemeinden
In den weiter entfernten Gemeinden sind dagegen inzwischen mehr Wohnungen unbewohnt. In einigen Gemeinden erreicht der Leerstand besondere Ausmaße. Im Mai 2022 stand beispielsweise laut Zensus in der Gemeinde Wefensleben im Landkreis Börde etwa jede sechste Wohnung leer.
Der Ort mit heute etwa 1.600 Einwohnern liegt in der Nähe der ehemaligen Grenzübergangsstelle Marienborn. In den 1970er-Jahren wurden hier Plattenbauten für bis zu 1.800 Menschen gebaut, die als Grenzer oder beim Zoll gearbeitet haben. Nach der Wende sei ein Großteil wieder weggezogen, heißt es von der Verbandsgemeinde Obere Aller, zu der Wefensleben gehört. Die Platten sind geblieben.
Plattenbauten auf dem Land stehen häufiger leer
Matthias Waltersbacher beobachtet für das Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) den Wohnungsmarkt in Deutschland. "Die neuen Länder haben Immobilien aus der Zeit der DDR geerbt", sagte er. "Das sind neben den Altbauten auch die Plattenbauten aus den 70er und 80er Jahren. Viele der Wohngebäude wurden zu DDR-Zeiten vernachlässigt." Heute stünden in Sachsen-Anhalt überdurchschnittlich viele Wohnungen aus den 70er- und 80er-Jahren leer. "Die Probleme von Wohngebäuden aus diesen Baujahren gibt es vor allem in Westdeutschland nicht in diesem Umfang", sagt er.
Denn gerade in den dünn besiedelten ländlichen Räumen würden sich Plattenbauten nicht besonders gut machen. Die Zensusdaten zeigen, dass der Leerstand in Wohnungen aus den 70er- und 80er-Jahren im bundesweiten Vergleich untypisch hoch ist.
In Wefensleben will die Verbandsgemeinde deshalb weitere Blöcke abreißen. Man versuche, im Rahmen der finanziellen Möglichkeiten auch vermarktbare Wohnungen zu sanieren. "Die Großblöcke, die in einen vernünftigen Zustand gebracht wurden, sind auch vermietet," heißt es von der Gemeinde.
Nur: Nicht überall kann der Gemeindeverband direkt gegen den Leerstand vorgehen. In der Mitgliedsgemeinde Völpke ist die Leerstandsquote laut Daten mit über 20 Prozent so hoch wie in keiner anderen Gemeinde in Sachsen-Anhalt. Auch hier sind nach dem Wegzug der DDR-Betriebe nur die Wohnblöcke geblieben. Die gehören aber zum Teil privaten Wohnungsunternehmen, auf die die Gemeinde wenig Einfluss hat.
In Städten ballt sich der Leerstand in bestimmten Bereichen
Nicht nur ländliche Gemeinden sind betroffen. In der Stadt Zeitz stehen rund 17 Prozent der Wohnungen leer – damit ist die Mittelstadt ein Ausreißer in der Statistik. Statt 50.000 Einwohnern zu DDR-Zeiten leben heute nur noch rund 28.000 Menschen hier. In Medienberichten ist auch von einer "Geisterstadt" die Rede.
Doch selbst Halle hat Probleme – auch, wenn der Wohnungsleerstand in den vergangenen Jahren so stark zurückgegangen ist wie in kaum einer anderen Kommune. Im Vergleich zu anderen Großstädten wie etwa Leipzig, Dresden oder Erfurt stehe die Stadt schlechter da, sagt Matthias Waltersbacher vom BBSR. Als Beispiel nennt er die Plattenbausiedlung Halle-Neustadt. "Aus der Sicht von beispielsweise eines Bürgermeisters oder einer Bürgermeisterin auf die Stadt kann schon eine Leerstandsquote zwischen sechs und acht Prozent sehr bedenklich sein, wenn der Leerstand in einem Ort massiv auftritt", sagt er.
Je niedriger die Miete, desto höher der Leerstand.
Sind die leeren Wohnungen also einfach zu teuer? "Es gibt einen klaren Zusammenhang: Je niedriger die Miete, desto höher der Leerstand", sagt Waltersbacher. Die Mietwohnungen noch günstiger anzubieten, helfe bei massiven Leerstand nicht. Gerade in Sachsen-Anhalt sei das Mietniveau in allen Kreisen im Vergleich zum Rest von Deutschland recht günstig.
Stattdessen gibt es für die betroffenen Kommunen andere Wege, um dem Leerstand zu begegnen. Matthias Waltersbacher vom BBSR rät den Kommunen, ihren Wohnungsmarkt genau zu beobachten und zu analysieren, warum bestimmte Wohnungen nicht mehr nachgefragt werden. Dann könne man gezielt gegensteuern.
Die Wohnungsbaugesellschaft Bewos in Oschersleben hat etwa einen ihrer DDR-Blöcke barrierearm und energetisch saniert. Nachdem zunächst etwa die Hälfte der Wohnungen unbewohnt war, ist der Block nach Angaben der Bewos inzwischen voll vermietet.
Gemeinden mit hohem Leerstand sollten vorsichtig sein, neue Bauflächen auszuweisen. Diese können laut Waltersbacher den Leerstand im Altbau verschärfen: "Neubau ist zwar sinnvoll, aber nicht die massive Ausweitung der Baugebiete."
Sanierung allein hilft nicht gegen Bevölkerungsrückgang
Ein Problem bleibt der seit den 90er-Jahren anhaltende Bevölkerungsrückgang in Sachsen-Anhalt. Nach den Prognosen des Statistischen Landesamtes werden alle Kreise – mit Ausnahme von Magdeburg und Halle – weiter Einwohner verlieren.
Allein Wohnungen zu sanieren, reicht dann nicht mehr: "Wenn es keine Einwohner gibt, die einziehen wollen und dann auch noch die Bevölkerung schrumpft, wie zum Beispiel in Dessau-Roßlau: Dann hilft ein guter Wohnungsbestand wenig. Es braucht dann auch eine aktive Wirtschaftspolitik, dass sich wieder Betriebe ansiedeln und die Bevölkerungszahl wieder steigt," sagt Waltersbacher.
Der Abriss von Wohnungen bleibt sonst vielerorts die einzige Option. Nach Angaben des Verbandes der Wohnungswirtschaft in Sachsen-Anhalt haben kommunale Unternehmen und Wohnungsgenossenschaften seit dem Jahr 2000 rund 95.000 Wohnungen abgerissen oder zurückgebaut – etwa, indem mehrere Etagen eines Plattenbaus entfernt wurden.
Denn auch der Leerstand ist für die Kommunen teuer. Gerade bei den kommunalen Wohnungsunternehmen ist die Leerstandsquote höher als im kommunalen Durchschnitt – wie ein Vergleich von Zensus- und Verbandsdaten zeigt.
Ohne ein großes Rückbauprogramm wäre der Anteil der leerstehenden Wohnungen deutlich höher. Matthias Waltersbacher spricht sich dafür aus, das Abrissprogramm fortzuführen: "Es sollte aber nicht nach dem Gießkannen-Prinzip abgerissen werden. Stattdessen müssen gezielt zum Beispiel Plattenbauten abgerissen werden, die aus historischen Gründen an einem Standort gebaut wurden und jetzt anscheinend nicht mehr gebraucht werden", sagt er.
Gerade die kommunalen Unternehmen brauchen dafür Fördermittel vom Land. Der Verband der Wohnungswirtschaft plant weitere Abrisse, weil im ländlichen Raum die Wohnungen auch nicht saniert vermietbar sind. Dafür fehle aber das teilweise das Geld, sagt der Verband. Deshalb ist auch ein Streit um geplante Kürzungen durch die Landesregierung bei der Städtebauförderung entbrannt. Ein wichtiger Teil davon ist die Abrissförderung.
Auch aus der Verbandsgemeinde Obere Aller mit ihren geerbten DDR-Blöcken heißt es, dass für Sanierung und Abriss auch Fördermittel vom Land notwendig sind. Die Gemeinden müssten aus ihrem Haushalt viele Pflichtaufgaben finanzieren. Für den Städtebau bleibe danach nicht mehr viel übrig.
Über die Daten
Stichtag für die Daten des Zensus ist der 15.05.2022. Für die Angaben zur Anzahl der bewohnten und leerstehenden Wohnungen mussten alle Eigentümer Auskunft geben. Aus Geheimhaltungsgründen wurden die Angaben bei kleinen Werten anschließend nach einer Formel leicht modifiziert. Insbesondere bei einer geringen Anzahl von Wohnungen in den Gemeinden weichen daher die angegebenen Werte von dem tatsächlich ermittelten Ergebnis ab.
MDR (Leonhard Eckwert) | Erstmals veröffentlicht am 20.10.2024
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT HEUTE | 21. Oktober 2024 | 19:00 Uhr
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