Abschied aus dem Landtag Gottfried Backhaus – Schnell wieder Einzelkämpfer

23. Mai 2021, 12:11 Uhr

Wenn gewählt wird, dann sorgt das im Parlament für Veränderungen, nicht selten verbunden mit einem Generationswechsel. Nach der Landtagswahl am 6. Juni wird auch Gottfried Backhaus Tschüss sagen. Fünf Jahre saß er im Parlament – erst kurz für die AfD, dann lange Zeit als fraktionsloser Abgeordneter. Im dritten und letzten Teil einer Reihe über den Abschied vom Landtag erzählt MDR SACHSEN-ANHALT die Geschichte eines Mannes, der schnell dort angelangte, wo er schon einmal war.

Portrait-Bild von Uli Wittstock
Bildrechte: Uli Wittstock/Matthias Piekacz

Fünf Jahre verbrachte Gottfried Backhaus im Landtag. Das ist immerhin ein halbes Jahrzehnt. In dieser Zeit hat sich allerdings sein Leben in dramatischer Weise verändert: Backhaus, der sich selbst als evangelikalen Christen bezeichnet, verließ die evangelische Kirche, trat aus einer Partei aus, gründete eine weitere, löste diese wieder auf und überstand zudem noch eine schwere Krankheit. Es waren also bewegte Zeiten für ihn – zumal für jemanden, der sich selbst als wertkonservativ beschreibt.

Backhaus teilt wohl das Schicksal vieler Konservativer: nämlich wieder da angelangt zu sein, wo er schon einmal war – als ein Einzelkämpfer, dem man leicht nachsagt, Querulant zu sein.

Unangepasst und konservativ

Bereits zu DDR-Zeiten hielt sich Backhaus vom realsozialistischen Zeitgeist fern, engagierte sich in der evangelischen Kirche, weswegen ihm das Abitur verwehrt wurde. Gottfried Backhaus lernte den Beruf eines Feinmechanikers und versuchte es nach Wende mit einer neuen Existenz als Fahrlehrer und Orgelbauer, landete aber schlussendlich im Hartz-IV-Bezug. Während der Wende engagierte er sich im Neuen Forum und war als Parteiloser in der Lokalpolitik aktiv. Wäre die CDU noch die der 80iger Jahre gewesen, vielleicht wäre ja Backhaus Christdemokrat geworden. Doch das kam für ihn nach der Jahrtausendwende nicht mehr in Frage: "Die Einführung des Euro und die immer größere Rolle der EU auf die deutsche Politik, das hat mich gestört. Und da war dann die AfD für mich eine echte Alternative."

Im Jahr 2013 gehörte Gottfried Backhaus zu den Mitgründern der AfD in Sachsen-Anhalt. Zunächst sah es für die Partei nicht allzu rosig aus, denn bei den Kommunalwahlen im darauffolgenden Jahr brachte es die AfD gerade mal auf gut zwei Prozent in Sachsen-Anhalt. Zwei Jahre später zog die Partei dann mit mehr als vierundzwanzig Prozent in den Magdeburger Landtag ein, vor allem eine Folge der umstrittenen Flüchtlingspolitik, wie Backhaus feststellt. Er selbst erreichte mit 33 Prozent der Stimmen das beste Ergebnis für die AfD, wechselte also, mit mehr Stimmen als Parteichef Poggenburg, in den Landtag und das mit dem Anspruch, "Politik für das Volk" zu machen.

Politik ist mühselig

Politik "für das Volk" zu machen, das erwies sich für Backhaus schwieriger als gedacht. "Ich war überrascht, wie viel Arbeit so ein Abgeordneten-Mandat bedeutet", sagt er. "Und recht bald merkt man, dass man eigentlich gar nicht so sehr viel bewegen und ändern kann. Das hatte ich mir anders vorgestellt." Hinzu kommt, dass die AfD als junge Partei seinerzeit ein ziemlich zusammengewürfelter Haufen ist. Da sitzen erfahrene Politstrategen, die schon in anderen Parteien aktiv waren, neben Quereinsteigern, die bislang politisch überhaupt noch nicht aktiv waren. Backhaus zählt sich, auch auf Grund seiner christlichen Überzeugungen, zum gemäßigten Flügel der Partei. 

Ich war überrascht, wie viel Arbeit so ein Abgeordneten-Mandat bedeutet. Und recht bald merkt man, dass man eigentlich gar nicht so sehr viel bewegen und ändern kann. Das hatte ich mir anders vorgestellt.

Gottfried Backhaus, parteilos scheidender Landtagsabgeordneter

Auf eigenen Wunsch wird er der kirchenpolitische Sprecher der AD-Fraktion, doch schon zu diesem Zeitpunkt spürt er starke Widerstände: "Ich musste feststellen, dass große Teile der AfD-Fraktion regelrecht kirchenfeindlich waren. Da wurden Vorwürfe laut, die würden sich nur bereichern. Und oft wurden auch alle Kirchen in einen Topf geworfen, egal ob katholisch oder evangelisch, wenn es zum Beispiel um Kindesmissbrauch ging."

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Der christliche Glaube gehört für Gottfried Backhaus ganz selbstverständlich zu den konservativen Überzeugungen. Mit diesen Überzeugen ist er nun aber in der Partei, die selbst vorgibt, konservativ zu sein, erneut in einer Minderheit. Und das habe er zunehmend zu spüren bekommen, erzählt Backhaus. "Ich merkte schon bald, dass ich in der Fraktion nicht mehr ernst genommen wurde, denn andere Strömungen übernahmen die Hoheit. Heute sehe ich die Partei dominiert von extrem rechten Positionen. Das war ja anfangs nicht der Fall."

Ausgebootet

Zudem ist Backhaus nicht der Typ Volkstribun, der mit provokanten Sprüchen die Massen aufpeitscht. Nach zähem Ringen verliert er seinen Posten als AfD-Kreisvorsitzender, ein mühseliger Kampf, den er letztendlich mit seiner Gesundheit bezahlt, denn 2017 erleidet er einen Schlaganfall.  Noch während er im Krankenhaus liegt, verliert er alle Parteiämter in der Fraktion, eine "Säuberungsaktion" des damaligen Parteichefs Poggenburg, so Backhaus. Wenig später verlässt Backhaus Fraktion und Partei. Seine Hoffnung, dass weitere AfD-Mitglieder ihm folgen, erfüllt sich nicht und so bleibt Backhaus als fraktionsloser Abgeordneter im Landtag ohne größeren politischen Einfluss.

Eine neue politische Heimat sucht er in der blauen Partei, die von Frauke Petry gegründet worden war, nachdem sie die AfD verlassen hatte. Die Blauen sind zunächst in mehreren Landesparlamenten vertreten, da sich hier ehemalige AfD-Mitglieder sammeln. Doch es gelingt nicht, sich dauerhaft als Partei zu etablieren, so dass die Blauen sich Ende 2019 auflösen. Allerdings teilt Backhaus, trotz allen Streits, auch heute noch viele Ansichten mit der AfD.

So hält er die Gefahr einer "Islamisierung" Deutschlands immer noch für real und sieht kritisch auf islamische Vereine, die auch im Saalekreis aktiv seien. Während die Kirchen leer blieben, füllten sich stattdessen die islamischen Gebetsräume. Und als die evangelische Kirche ein Flüchtlingsschiff mitfinanzierte, um auf dem Mittelmeer Schiffbrüchige zu retten, tritt Backhaus aus jener Kirche aus, in der er einst getauft worden war. Zu DDR-Zeiten hätte er sich so eine Verhalten nicht vorstellen können.

Fehlender Anstand

Dass die Politik in den vergangenen Jahren rauer geworden ist, das hat Backhaus als Abgeordneter der AfD hinreichend erlebt. Doch aus seiner Sicht trifft dies auch auf das Verhalten anderer Parteien im Parlament zu: "Ich bin in vielerlei Hinsicht von Personen enttäuscht. Man kann natürlich unterschiedliche politische Positionen haben. Das ist ganz normal und deshalb gibt es ja die Parteien. Aber im normalen Umgang, wenn man sich begegnet auf dem Flur, dass man da nicht mal einen Gruß erwidert, das war eine Erfahrung, die ich vorher nicht kannte."

Nach seinem Ausscheiden aus dem Landtag will sich Backhaus verstärkt seinem Hobby, nämlich der Heimatforschung widmen. Als gescheitert sieht er im Rückblick seine Arbeit im Landtag nicht: "Ich bin ein Mensch, der immer seinen Standpunkt bewahrt hat. Schon zu DDR-Zeiten später beim Neuen Forum und dann in der AfD. Und diese Standpunkte vertrete ich heute noch, da stehe ich dazu."

Portrait-Bild von Uli Wittstock
Bildrechte: Uli Wittstock/Matthias Piekacz

Über den Autor Geboren ist Uli Wittstock 1962 in Lutherstadt Wittenberg, aufgewachsen in Magdeburg. Nach dem Abitur hat er einen dreijährigen Ausflug ins Herz des Proletariats unternommen: Arbeit als Stahlschmelzer im VEB Schwermaschinenbaukombinat Ernst Thälmann. Anschließend studierte er evangelische Theologie. Nach der Wende hat er sich dem Journalismus zugewendet und ist seit 1992 beim MDR. Er schreibt regelmäßig Kolumnen und kommentiert die politische Entwicklung in Sachsen-Anhalt.

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MDR/Uli Wittstock, Luca Deutschländer

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 23. Mai 2021 | 12:00 Uhr

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