Abschied aus dem Landtag Gabriele Brakebusch – "Erzieherin war immer mein Traumberuf"

23. Mai 2021, 12:11 Uhr

Wenn gewählt wird, dann sorgt das im Parlament für Veränderungen, nicht selten verbunden mit einem Generationswechsel. Nach der Landtagswahl am 6. Juni wird auch Gabriele Brakebusch nach fast 20 Jahren im Landtag Tschüss sagen. Im zweiten Teil einer Reihe über den Abschied vom Landtag spricht sie bei MDR SACHSEN-ANHALT unter anderem über ihre Sorgen, was den Umgang im Parlament betrifft.

Portrait-Bild von Uli Wittstock
Bildrechte: Uli Wittstock/Matthias Piekacz

Das Büro der Landtagspräsidentin liegt im zweiten Stock des Parlaments. Die alten Stufen im Treppenhaus knarzen. Doch kaum hat man die Tür zum Flur geöffnet, dann ist hier der Teppichboden plötzlich so dick, dass man fast geräuschlos schreitet. An der Wand, in würdigem schwarz-weiß, hängen die Porträts der bisherigen Amtsinhaber, alles Männer. Demnächst wird dann auch das das Foto von Gabriele Brakebusch hinzukommen, Präsidentin des Landtags, in einer ziemlich bewegten Zeit.

Der Landtag von Sachsen-Anhalt
2002 zog Gabriele Brakebusch als Abgeordnete in den Landtag. Nun scheidet sie aus. (Archivfoto) Bildrechte: imago/Westend61

Eigentlich ist die Geschichte von Gabriele Brakebusch die einer ostdeutschen Aufstiegskarriere, wie es sie nur selten gibt: "Von der Verkäuferin zur Landtagspräsidentin" – so könnte man den Lebensweg kurz zusammenfassen. Als Tochter eines Schäfers, aufgewachsen im damaligen Grenzgebiet zum Klassenfeind, waren die Aufstiegsmöglichkeiten doch sehr eingeschränkt. Eigentlich wollte Gabriele Brakebusch nach der Schule Krippenerzieherin werden, doch die Ausbildungsplätze waren rar, so dass sie erstmal den Beruf einer Verkäuferin lernte und danach recht bald eine Weiterbildung als Leiterin anschloss.

Weiterbildung wird in den folgenden Jahren ein wichtiges Thema für die junge Frau. Als sie nach Harbke umzieht, ergibt sich eine freie Stelle in der dortigen Kinderkrippe, so dass sie nun über die Abendschule die Ausbildung zu Krippenerzieherin angeht und sich dann später auch noch zur Krippenleiterin qualifiziert. Dann kam die Wende.

Die Wende als Chance

Recht bald nach dem Mauerfall erreichte eine bis dahin völlig unbekannte Debatte auch die Kleinstadt Harbke. Gabriele Brakebusch erinnert sich: "Aus dem Westen kam ja denn der Vorwurf, das wären alles Rabeneltern, die ihre Kinder in Krippe bringen. Ich war aber schon immer dafür, dass die Frauen Familie und Beruf unter einen Hut bringen, und da ist nun mal eine Krippe wichtig."

Doch plötzlich galten Krippen als ostdeutsche Notlösung für Probleme, die es nun nicht mehr geben werde. Und tatsächlich sank die Zahl der Krippenkinder, da viele Frauen plötzlich arbeitslos wurden und ihre Kinder zu Hause ließen. Drei Jahre nach Mauerfall wurde diskutiert, die Krippe im Harbke zu schließen. Gabriele Brakebusch setzte nun auf Hilfe aus dem Westen: "Ich habe Familien aus Niedersachsen angesprochen und bald konnten wir uns nicht mehr vor Anträgen retten. Und dann waren die Schließungspläne wieder von Tisch." Allerdings zeigten sich erhebliche Verwaltungsprobleme, denn welcher Landkreis für welche Kosten zuständig ist, wenn die Kinder aus unterschiedlichen Bundesländern kommen, das war völlig ungeklärt.

Aus dieser Erfahrung setzte sich Gabriele Brakebusch noch einmal hin und absolvierte den Angestelltenlehrgang A1. Mit diesem neuen Papier in der Tasche wechselte sie in die Kommunalverwaltung und war dort zuständig für die Themen Kinderbetreuung und Schulen. Zudem war sie stellvertretende Bürgermeisterin, parteilos zwar, aber unterstützt von der CDU. Der Anlass, in die CDU einzutreten, war eher ein Ungewöhnlicher: "Und dann kam 1998 die große Spendenaffäre mit Helmut Kohl und da habe ich gesagt: Jetzt trete ich in die CDU ein. Viele haben natürlich gewarnt und gesagt, mach' das nicht. Aber genau in diesem Moment wollte ich Flagge zeigen, nachdem ich so lange auf dem Ticket der CDU gefahren bin."

Politik als Beruf

Brakebusch setzt nun, parallel zur beruflichen Karriere, auch noch auf eine politische. Sie kandidiert für den Kreistag, übernimmt den Vorsitz der CDU im Bördekreis und wird Mitglied im CDU-Landesvorstand. So ist es dann auch keine Überraschung mehr als sie 2002 als Landtagskandidatin antritt und für die CDU in den Landtag einzieht. Und obwohl es ihr an Verwaltungserfahrung nicht mangelt, ist sie doch über das Ausmaß der parlamentarischen Arbeit überrascht: "Ich habe mir nicht vorstellen können, dass man tatsächlich so viel Zeit verbringen muss, um alles zu bewältigen. Es ist ja nicht nur der Parlamentsbetrieb im Landtag, sondern auch die Arbeit vor Ort im Wahlkreis. Bei mir bedeutet das wenige große Städte, dafür viele kleine Orte und Ortsteile. Ich hatte mit vorgenommen mindestens einmal alle Orte zu besuchen, auch wenn da nur ein paar Leute wohnen."

Man kann mit Engagement für eine Sache streiten, aber man muss den Respekt vor seinem Gegenüber bewahren.

Gabriele Brakebusch, CDU scheidende Landtagsabgeordnete

Im Jahr 2016 wird Brakebusch zur Landtagspräsidentin gewählt, und das in einem Moment als die Stimmung im Landtag sich deutlich verändert. Denn die AfD fährt ein bis dahin nicht vorstellbares Ergebnis ein und wird mit rund 24 Prozent zweitstärkste Partei hinter der CDU, ein Ergebnis, das bundesweit für Aufsehen sorgt. Und das nicht nur in den Kommentarspalten der Zeitungen, wie sich Brakebusch erinnert: "Es war die erste Konferenz der Parlamentspräsidenten nach der Wahl hier, und ich kam als die Neue in die Runde. Da hieß es dann, jetzt kommt die Präsidentin aus dem braunen Sachsen-Anhalt. Das hat mich schon wütend gemacht, wenn man so in eine Ecke gestellt wird."

Doch immer wieder sind es Äußerungen, oft vom damaligen AfD-Vorsitzenden Poggenburg, die vom Landtag aus bundesweit für Aufsehen und scharfe Gegenreaktionen sorgen. Auch wenn Poggenburg inzwischen politisch keine Rolle mehr spielt, an der Situation hat sich wenig geändert: "In den letzten Jahren hat sich die Debattenkultur stark ins Negative verschoben. Das sind keine hitzigen Debatten mehr, die für Schwung sorgen, sondern es wird sehr schnell persönlich. Man kann mit Engagement für eine Sache streiten, aber man muss den Respekt vor seinem Gegenüber bewahren. Das ist wie ein unsichtbares Luftpolster. Das aber ist oftmals verloren gegangen, was inzwischen leider für alle Parteien gilt."

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Anstand abhandengekommen

Es sind die Regeln eines Anstands, die in den vergangenen Jahren immer wieder verletzt wurden, oft auch ganz bewusst, um zu provozieren. Denn was im Landtag als Pöbelei gilt, wird im Internet vielfach angelklickt und geteilt. Für Gabriele Brakebusch ist das eine verhängnisvolle Entwicklung, denn dies entspricht nicht ihrem Bild eines Parlaments: "Es ist ein Privileg als Abgeordnete im Landtag tätig zu sein. Wir sind gewählt und da sollten wir auch wissen, wie wir uns zu benehmen haben. Und das fehlt an viele Stellen. Wenn Menschen, die sich nicht wehren können, auf das übelste beschimpft werden, dann ist das nicht hinnehmbar."

Doch es blieb nicht nur bei verbalen Auseinandersetzungen. Beim Sommerfest des Landtages in Jahr 2018 kommt es zu einer Rangelei zwischen AfD-Mitarbeitern und Linken, so dass der Wachschutz eingreifen muss. Seitdem wird der Alkoholausschank beim Sommerfest limitiert: "Es sind erwachsene Menschen, wenn sie aber von allein nicht so viel Anstand haben, dann müssen wir das eben regulieren. Deswegen also nur noch bis 22 Uhr Alkohol, dann ist Schluss. Eigentlich sind ja alle über 18 und sollten wissen, wie man sich benimmt."

Dass ihr Beruf als Erzieherin eine gute Voraussetzung war für den Präsidentinnenjob, das räumt Gabriele Brakebusch ein. Wer immer ihr im Amt auch nachfolgt, wird eine ähnliche Autorität benötigen, denn auch der neue Landtag wird immer wieder mal in seinen Umgangsformen eher an den Pausenhof einer Grundschule erinnern als an ein Parlament.

Portrait-Bild von Uli Wittstock
Bildrechte: Uli Wittstock/Matthias Piekacz

Über den Autor Geboren ist Uli Wittstock 1962 in Lutherstadt Wittenberg, aufgewachsen in Magdeburg. Nach dem Abitur hat er einen dreijährigen Ausflug ins Herz des Proletariats unternommen: Arbeit als Stahlschmelzer im VEB Schwermaschinenbaukombinat Ernst Thälmann. Anschließend studierte er evangelische Theologie. Nach der Wende hat er sich dem Journalismus zugewendet und ist seit 1992 beim MDR. Er schreibt regelmäßig Kolumnen und kommentiert die politische Entwicklung in Sachsen-Anhalt.

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MDR/Uli Wittstock, Luca Deutschländer

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 23. Mai 2021 | 12:00 Uhr

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