Wirtschaft Auch das ist Strukturwandel: Solarstrom vom Acker als Investition

Droht die "Verspiegelung" der Landschaft?

07. April 2022, 11:04 Uhr

Die Landwirtschaft wird sich in den nächsten zehn Jahren deutlich ändern. Statt Weizen, Rüben oder Kartoffeln zu ernten, werden die Landwirte verstärkt Strom produzieren, genauer gesagt Solarstrom. Doch das sorgt natürlich für Debatten. Kommen nach den Windrädern nun die Solarparks? Uli Wittstock ist dieser Frage nachgegangen.

Portrait-Bild von Uli Wittstock
Bildrechte: Uli Wittstock/Matthias Piekacz

Der Begriff Zeitenwende klingt ein wenig überstrapaziert, aber folgt man den Überlegungen von Thorsten Breitschuh, dann steht der deutschen Landwirtschaft eine solche Zeitenwende bevor, und zwar eine mit politischer Rückendeckung. Breitschuh berät Landwirte beim Thema Solarenergie und da ändern sich die Verhältnisse derzeit rasant.

Grund dafür sind die Pläne der Bundesregierung. Strom statt Getreide zu ernten, das könnte die neue Devise werden, so Thorsten Breitschuh: "Wenn Herr Habeck seine Politik umsetzt und wir in den nächsten acht Jahren 200 Gigawatt Sonnenstrom, das entspricht in etwa 200 Atomkraftwerksblöcken, auf die Äcker bringen, dann wird die Landwirtschaft, bezogen auf die Fläche, zum größten Energieerzeuger Deutschlands."

Solar-Investoren locken

Noch laufen für die ersten dieser Projekte die Planungen. Wer allerdings Ackerflächen besitzt, der kann sich vor Angeboten von Solarparkbetreibern derzeit kaum retten. Eine neue Goldgräberstimmung scheint da ausgebrochen zu sein, wie einst bei der Errichtung von Windparks. Und es formiert sich bereits Kritik nach dem Motto: Erst die Verspargelung durch Windräder, jetzt die Verspiegelung durch Solaranlagen.

Unbestritten ist, dass sich das Landschaftsbild erneut verändern wird, so Thorsten Breitschuh. Es geht um bundesweit rund 1,3 Prozent der Ackerfläche, konkret gesagt um 200 Tausend Hektar. "Also auf einhundert Hektar kommen 1,3 Hektar mit Sonnenkollektoren. Das relativiert die Zahlen ein wenig, allerdings muss man zur Kenntnis nehmen, dass auch die Windräder nur sehr wenige Flächen beanspruchen. Die nimmt man aber trotzdem wahr. Und so wird man dann auch diese schwarzen Flächen wahrnehmen."

Bauern setzen auf stabile Erträge durch Solarstrom

Aber für die Landwirte ist das ein lohnenswertes Geschäft, denn mit Sonnenstrom lässt sich mehr Geld verdienen als mit Rüben oder Weizen. Insbesondere in Zeiten des sich abzeichnenden Klimawandels.

Das bestätigt auch Carl Phillip Bartmer. Die letzten Dürrejahre seien auch auf seinen Feldern rund um Mücheln deutlich spürbar gewesen. Mücheln liegt im Geiseltal, südwestlich von Halle. Die Landwirte mussten sich hier jahrzehntelang mit der Braunkohle arrangieren.

Er sei Landwirt und wolle die Flächen weiterhin auch landwirtschaftlich nutzen, zugleich aber auch den Kohleausstieg in der Region voranbringen. Und deshalb setzt nun Carl Phillip Bartmer auf eine Mischnutzung nach dem Motto: Raus der Kohle, rein in die Sonne. "Wir überlegen derzeit vieles. Am Ende könnte es hinauslaufen auf eine Freilandhaltung von Hühnern zwischen den Modulen, in Form von Hühnermobilen. Wir spielen auch mit dem Gedanken, einen Teil der Fläche aufzuständern, so dass Rinder darunter grasen können. Und wir wollen Blühflächen anlegen, um dort vielleicht auch mit lokalen Imkern zu kooperieren."

Geschäfte ohne Beteiligung vor Ort

Bislang produzierten ja die Landwirte Strom vor allem mit Biogasanlagen. Das führte zu übermäßigem Maisanbau bei einer nicht sehr hohen Energieeffizienz. Von einem Hektar mit Sonnenkollektoren "erntet" man etwa vierzigmal mehr Strom als von einem Hektar Mais. Und der Krieg in der Ukraine mit dem angekündigten Ausstieg aus russischen Energielieferungen hat die Debatte zusätzlich befeuert. Doch Energieberater Thorsten Breitschuh sieht die Entwicklung auch kritisch.

Denn von den Geschäften profitiert nur, wer auch Eigentümer der Flächen ist. Und das sind Sachsen-Anhalts Landwirte ja nur zu einem bestimmten Prozentsatz. Das könnte also Folgen haben, so Thorsten Breitschuh: "Gerade hier in Ostdeutschland haben wir nicht mehr sehr viele ortsansässige Grundeigentümer. Das heißt, das Geschäft läuft dann zwischen einem nicht ortsansässigen Grundeigentümer und einem nicht ortsansässigen Investor. Die Gefahr besteht also, dass uns das gänzlich aus der Hand genommen wird, weil das Geschäft zwischen Zweien abläuft, die weder regional verwurzelt sind, noch ein Interesse daran haben, die Wertschöpfung vor Ort zu lassen."

Bürgerstrom als Alternative

Diesen Effekt kennt man ja schon beim Bau von Windrädern, die sich zwar im Osten drehen, deren Ertrag aber in Richtung Westen fließt. Der Müchelner Landwirt Carl Phillip Bartmer setzt in dieser Frage hingegen klar auf Regionalität. Denn nachdem die Pläne bekannt wurden, waren die ersten Reaktionen zunächst eher kritisch. Und so entschloss sich der Landwirt, zunächst nicht mit Planern und Betriebswirten zu reden, sondern mit den Anwohnern sowie Vertretern der Gemeinde.

Für Bartmer ist klar, dass er seine Ideen nur in Abstimmung mit den Menschen vor Ort umsetzten kann: "Wir wollen ein Projekt für die Region und aus der Region schaffen, von dem nicht nur wir als landwirtschaftlicher Betrieb profitieren, sondern eben auch Bürger, durch Bürgerstromtarife, durch Beteiligungsoptionen und so weiter. Das kommt schlussendlich auch der Gemeinde zu Gute."

Grüner Strom für grünen Wasserstoff

Derzeit steht der Winterweizen auf den Äckern rund um Mücheln gut. Blickt Carl Phillip Bartmer zum Horizont, dann kann er den Chemiepark Leuna sehen. Dorthin soll sein Strom fließen, zur Herstellung von grünem Wasserstoff. Noch halten dort Kohlestrom und russisches Erdgas die Anlagen am Laufen. Zeitenwende also auch hier. Doch einen Wildwuchs von Solaranlagen auf Sachsen-Anhalts Äckern werde es nicht geben.

Das versichert der zuständige Landwirtschaftsminister Sven Schulze. Aber er räumt ein, dass die Nachfrage nach Photovoltaik-Anlagen auf landwirtschaftlichen Nutzflächen gestiegen ist. Und das sei durchaus auch nachvollziehbar, so der CDU Minister: "Man kann damit gutes Geld verdienen und das macht es für manchen Landwirt in seinem Einkommensmix auch interessant. Aber ich sage auch eines: Wir werden es nicht erleben, dass auf unserem guten Börde-Boden hier in Sachsen-Anhalt flächendeckend Photovoltaik-Anlagen aufgebaut werden."

Förderung nur für Solarpark mit Hanglage

Aber das Landschaftsbild wird sich dennoch ändern. Vor allem Flächen, auf denen bislang Mais für Biogasanlagen stand, könnten in Zukunft verstärkt für Sonnenstrom genutzt werden. Zudem hat der zuständige Energieminister Armin Willingmann für Sachsen-Anhalt eine Verordnung erlassen. Danach sollen Solarparks vor allem auf solchen Flächen gefördert werden, die weniger ertragreich sind, zum Beispiel auf Hanglagen.

Keine Nahrungsmittelknappheit befürchtet

Dass allerdings die Nahrungsmittel knapp werden wegen der Energiewende auf dem Acker, davon geht derzeit kaum jemand aus. Solange nämlich ein Drittel der Lebensmittel hierzulande weggeworfen werden, muss sich wohl niemand vor Hunger fürchten.

MDR (Uli WIttstock,Julia Heundorf)

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 06. April 2022 | 12:00 Uhr

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