Exotische Haustiere Wenn im Wohnzimmer neun Schlangen leben
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23. Dezember 2021, 18:00 Uhr
Ob Vogelspinne, Weißbüschelaffe oder ein weißer Löwe: in Sachsen-Anhalt leben Tausende Menschen mit exotischen Tieren zusammen, die man sonst nur aus dem Zoo kennt. Was treibt sie an? Und wie geeignet sind Exoten für die eigenen vier Wände? Zu Besuch bei Patrick Nadazy, der in seinen Terrarien weit mehr als nur neun Schlangen hält.
Das Wohnzimmer von Patrick Nadazy ist eigentlich großzügig geschnitten. Ein prächtig geschmückter Weihnachtsbaum ziert die Mitte des Raumes, rundherum liegt buntes Spielzeug verstreut. Doch tritt man weiter in die gut beheizte Stube, stellt man fest: Ein großer Teil des Zimmers liegt abgeschottet hinter Glasscheiben. Dort, zwischen den üppigen Tropenpflanzen und Ziersteinen, leben Patricks Haustiere.
Pythons, Boas und Schildkröten im Wohnzimmer
Er streckt den Arm aus und zieht ein schimmerndes, schlauchartiges Objekt von der Gardinenstange. "Das ist eine Schlangenhaut von meiner gelben Tigerpython, die hat sich erst vor kurzem einmal gehäutet", erklärt er und spannt dabei die Arme auseinander. Das Ende hängt trotzdem auf dem Boden. Patricks Tigerpython ist gut vier Meter lang.
Und doch ist sie nur ein kleiner Teil von Patricks Haustierbestand. Fragt man ihn, was er noch so in seinen Terrarien hält, muss er erst einmal kurz Luft holen. "Vier Tigerpythons, fünf Boa Constrictors, zwei Chinchillas, ein Jemen-Chamäleon", zählt er auf, "und eine Spornschildkröte und eine Afrikanische Pantherschildkröte." Mit dem Großteil davon teilt er sein Wohnzimmer, die anderen leben im Flur und im Schlafzimmer.
Kaum Regelungen in Sachsen-Anhalt
Dass Patrick in seinem Haus bei Staßfurt solche Tiere halten kann, wäre in anderen Ländern – und anderen Bundesländern – so nicht möglich. Doch in Sachsen-Anhalt gibt es kein sogenanntes Gefahrtiergesetz, das regelt, welche Tiere im Privatbesitz erlaubt sind. Artgeschützte Tiere müssen lediglich gemeldet werden.
Und so gibt es nicht nur große Würgeschlangen in Sachsen-Anhalts Haushalten: Ein Mann in der Börde hält einen weißen Löwen im Garten, bei anderen hüpfen Weißbüschelaffen durch die Wohnung. Offizielle Zahlen dazu gibt es kaum, im Jahr 2013 berichtete die Magdeburger Volksstimme, dass in 8.000 sachsen-anhaltischen Haushalten exotische Tiere leben. Demnach sind etwa die Hälfte davon Reptilien, wovon wiederum Schildkröten den größten Teil ausmachen.
Zoologe: Haltung muss stimmen
Für den Zoologen Hendrik Müller von der Universität Halle ist die Haustierhaltung vor allem eine Frage der Lebensbedingungen. "Jedes Tier hat natürlich bestimmte Bedürfnisse, was die Temperatur, die Ernährung oder den Käfig anbelangt – und die müssen klar eingehalten werden", sagt er. "Und natürlich muss man auch beachten, dass die Tiere groß werden und dass ab einer bestimmten Größe auch eine gewisse Gefahr von ihnen ausgeht." Bei einer Würgeschlange gehe man davon aus, dass ab dreieinhalb, vier Metern auch für einen erwachsenen Mann durchaus eine Gefahr besteht.
"Aber wenn die Rahmenbedingungen stimmen, dann ist auch eine Boa Constrictor ein relativ gutes Haustier", so Müller weiter. Im Regelfall werden die nur alle zwei, drei Wochen mal gefüttert. "Man kann sie also auch zu Hause lassen und ein langes Wochenende wegfahren. Für eine Schlange ist das okay, mit einem Hamster geht das nicht so einfach."
18 Terrarien im Kinderzimmer
Für Hamster hat sich Patrick Nadazy auch nie interessiert. "Mein erstes Haustier hab ich mit 13 bekommen", erzählt er, "das war ein Leguan". Seit der Fernsehsendung 'Wildes Wohnzimmer' sei er verrückt nach Exoten gewesen. "Von meinem ersten Lehrlingsgehalt habe ich mir für 320 Euro meine ersten beiden Boa Constrictors gekauft."
In seinem Kinderzimmer standen damals nur eine Schlafcouch, ein Kleiderschrank und 18 Terrarien, erinnert sich der 30-Jährige heute. "Meine Mutter war ziemlich froh, als ich ausgezogen bin, dann hat sie beim Strompreis wieder ordentlich gespart."
Denn damit die exotischen Tiere von Patrick angemessen leben können, brauchen sie die nötigen Bedingungen. Seine Schlangen liegen auf einer Fußbodenheizung zusammengerollt, das Chamäleon hockt unter einer teuren Tageslichtlampe. Patrick hat die Terrarien selbst gebaut und die Türen und Lüftungen mit mehreren Schlössern gesichert. Die meisten seiner Nachbarinnen und Nachbarn wissen, welche Tiere bei ihm leben – und die seien eher interessiert.
Achtung, Schlange!
Doch es gibt immer wieder die Momente, in denen die Öffentlichkeit ängstlich auf Schlangen wie die von Patrick blickt. In Sachsen-Anhalt zuletzt als im Spätsommer dieses Jahres ein Python in Haldensleben ausbüxte und wochenlang gesucht wurde.
Schlangenhalter Patrick bedauert die einseitige, negative Wahrnehmung seiner Tiere. Und auch der Zoologe Hendrik Müller wirbt für einen differenzierten Blick auf die exotische Tierhaltung daheim. Natürlich gebe es Menschen, die fahrlässig seien oder so ein Tier nur halten, weil es spannend, cool oder gefährlich ist, sagt er. "Das sind wahrscheinlich die falschen Gründe, ein solches Tier zu halten."
Wissenschaftliches Interesse von privaten Haltern
"Aber es gibt auch genug Leute, die sich wirklich ernsthaft für verschiedene Gruppen von Fischen, Amphibien oder Vögeln interessieren und dann da sehr professionell rangehen." Die die Tiere nachziehen, beobachten und teilweise auch ihre Ergebnisse publizieren.
Bei seiner früheren Arbeit an der Universität Jena habe es zum Beispiel Zusammenarbeiten mit Fischhaltern gegeben: "Im Universitätskontext kann man natürlich keine 30, 40 Arten halten. Da ist es gut, wenn man auch im Privaten auf einen gewissen Aquarienbestand zurückgreifen kann – und natürlich auf die Erfahrung der Leute, die sowas halten."
Bisher keine Kontrolle beim Halter
Hendrik Müller ist deshalb klar gegen ein Pauschalverbot von exotischen Haustieren, ebenso wie Patrick Nadazy. Obwohl er selbst exotische Tiere hält, würde er sich eine politische Nachschärfung wünschen. "Ich habe alle meine Tiere angemeldet, aber bisher war noch nie jemand da, um die Haltung zu kontrollieren und zu schauen, wie ich sie halte und ob sie sicher verwahrt sind."
So ist die Haltung von exotischen Tieren in Sachsen-Anhalt geregelt
Alle Halter lebender Wirbeltiere der besonders bzw. streng geschützten Arten müssen ihre Tiere bei der jeweiligen Gemeinde anmelden. Zu den besonders geschützten Arten gehören unter anderem der überwiegende Teil der Exoten, wie z. B. Affen, Papageien, Landschildkröten und Riesenschlangen, aber auch verschiedene Echsenarten wie Taggeckos und Chamäleons.
Darüber hinaus zählen neben den Greifvögeln auch alle übrigen europäischen Vogelarten dazu. Nicht angemeldet werden müssen wirbellose Tiere, wie Spinnen oder Skorpione. Die Haltung wird durch drei Gesetze geregelt
1. Das Gesetz über Ordnungswidrigkeiten
2. Das Gesetz über die öffentlich Sicherheit und Ordnung des Landes
3. Das Tierschutzgesetz
Bei Bedarf können Gemeinden den Haltern noch gesonderte Auflagen machen. Das ist aber praktisch noch nie vorgekommen.
In Sachsen-Anhalt könne jeder, der 18 oder älter sei, eine Giftschlange kaufen, ohne dass jemand die Kenntnisse oder die Haltungsbedingungen prüfe, kritisiert er. "Man geht auf die Messe, holt sich die Giftschlange ab und hat eine 'Waffe'’, wenn man es so sieht."
In die Haltung seiner Schlangen steckt Patrick Nadazy viel Zeit, Geld und Energie, er besucht Lehrgänge und hilft überforderten Halterinnen und Haltern aus. Und er wolle nicht unter den wenigen leiden, die sich nicht vernünftig um ihre Haustiere kümmern.
Für sein eigenes Heim hat Patrick schon die nächsten Pläne: Eine grüne Baumpython will er sich kaufen – und große Leguane. Dafür soll sogar ein ganzer Streifen seines Wohnzimmers weichen, für einen kompletten Anbau voller Reptilien.
MDR (Daniel Tautz)
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT HEUTE | 23. Dezember 2021 | 19:00 Uhr
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