Vereinsleben und Corona Pandemie und Rauswurf: Für die "Magdeburger Theaterkiste" läuft die Zeit
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23. Januar 2022, 17:55 Uhr
Corona macht der Theaterszene zu schaffen – so auch dem "Theaterkiste Magdeburg e.V.". Probenausfälle und Vertrauen, das neu gefunden werden muss sind die Folgen. Doch für die Mitspieler ist Corona aktuell die geringste Sorge: Es müssen dringend neue Räume her.
- Durch die wenigen Zuschauer reichen die Einnahmen nicht aus.
- Vertrauen und Teamwork ist durch die langen Zwangspausen angeschlagen.
- Rausgeworfen: Theaterkiste muss seine Spielstätte verlassen.
Theater ist wie Kino – nur live! Das ist das Motto des Amateurtheaters 'Theaterkiste' aus Magdeburg. In großen Buchstaben ziert es den Bühneneingang des Alten Theater in der Nähe des Elbauenparks.
Nur: "Live" gibt es seit der Corona-Pandemie hier nicht allzu viel zu sehen. Proben dürfen zwar mittlerweile wieder stattfinden, doch das Virus hat dem Verein ordentlich zugesetzt, verrät Thomas Stieghahn von der Theaterkiste MDR SACHSEN-ANHALT.
Kulturszene stark getroffen
Es geht hinab in den Keller zum Probenraum – vorbei an Bilderrahmen, die Szenen vergangener Theaterstücke zeigen. Seit fast dreißig Jahren ist Stieghahn der Vorsitzende der Magdeburger Theaterkiste, erzählt er stolz. Zusammen mit den Mitspielerinnen und Mitspielern der Gruppe entwickelt er normalerweise jedes Jahr Improvisations-Theater, verschiedene Stücke und ein traditionelles Weihnachtsmärchen.
Wie bei allen Live-Auftritten, wurden auch die Stücke und das Märchen im Jahr 2020 verschoben. Einiges konnte dann 2021 nachgeholt werden, sagt Stieghahn. Viel geholfen hat das aber nicht.
Das ist ja nicht bloß unser Problem, sondern das ist natürlich aller Problem.
Zu wenig Zuschauer, zu wenig Einnahmen
Mit einem Saal, der nur zu einem Drittel besetzt ist, fehlen dem Verein die Einnahmen, die sonst für Kostüme, Miete und Technik gebraucht werden. Denn es ist ein Irrglauben vieler Menschen, dass Amateurtheater nicht genauso Geld verdienen müssen wie andere Bühnen. "Selbst den Feuerwehrmann, der hinter der Bühne sitzt, kriegt man nicht umsonst", erklärt Stieghahn.
Um sich über Wasser halten zu können, musste der Verein erstmals in seiner Geschichte staatliche Hilfe beantragen: "Wenn man den Spielbetrieb nicht hat, muss man von Reserven leben. Das macht es für einen kleinen Theaterverein wie unseren schwierig", erzählt Stieghahn mit ernster Stimme.
Spieler wollen auf die Bühne
Doch es ist nicht nur Thomas Stieghahn, der mit Herz und Seele mit seinem Verein stark verbunden ist – auch die Mitspieler leiden mit ihrer Theaterkiste mit. Einer von ihnen ist Til Bersiner. Seit fünf Jahren ist er Mitglied und hat seitdem in jedem Stück mitgespielt, verrät er MDR SACHSEN-ANHALT.
Vor ein paar Jahren kreierte er für seinen Verein sogar einen Titelsong. Vor jeder Vorstellung hören die Zuschauer dann laut die Worte: "Wir sind die Theaterkiste".
"Für uns ist es grausig, wenn nicht gespielt wird", sagt Bersiner. Der Sommer hat meist Proben zugelassen, im Winter war dann wieder "Schicht im Schacht", so der 20-Jährige weiter. Dass darunter auch Vertrauen und Teamwork leiden, ist kein Wunder.
Vertrauen und Teamwork leiden
Bersiner erzählt, dass die Mitspieler vor allem beim Improvisations-Theater stark auf Vertrauen und Teamwork angewiesen sind: "Wenn ich jetzt 'A' sage, dann weiß ich, dass mein Mitspieler jetzt 'B' macht. Man kennt die Reaktionen von seinen Leuten irgendwann und weiß, in welche Richtung sich eine Szene entwickelt".
Sechs Wochen Probe im Sommer am Stück haben uns ganz schön zusammengeschweißt. Und ich denke, das hält auch immer noch – das macht auch kein Corona kaputt.
Sommer ja, Winter, nein – die Routine war weg. Denn immer wenn die Gruppe nach langer Zeit wieder anfangen durfte zu proben, war sie, so der junge Mitspieler, eingerostet: "Das ist natürlich deprimierend, wenn man schon irgendwelche Stadtfeste in Aussicht hat und man weiß, dass die Qualität, die man da wahrscheinlich bringen wird, nicht die gewohnte ist".
Theaterkiste muss Spielstätte verlassen
Seit 2006 sind sie am Haus – jetzt wurde der Mietvertrag von heute auf morgen gekündigt, sagt Stieghahn, während er den Schlüsselbund der Probenräume fest umschließt.
Ob Corona der Auslöser für den plötzlichen Rauswurf war, vermag er nicht zu sagen. Auf Nachfrage erfuhr er lediglich, dass das Alte Theater nicht aus persönlichen, sondern wirtschaftlichen Gründen handelte. Das habe er nicht weiter hinterfragt, sagt er.
Alle hoffen
Auch die Mitspieler sind getroffen. Til Bersiner erinnert sich: "Thomas hat den Brief vorgelesen. Da war Totenstille und alle waren fassungslos. Keiner wusste, wie das passieren konnte – so aus dem Nichts – mehr oder weniger". Er stockt und bricht den Satz ab.
Über eine Auflösung des Vereins will er nicht nachdenken, er hofft sie finden ein neues "Domizil", wie er scherzhaft sagt. Es wäre bitter für ihn, wenn dies das Aus zu bedeuten hätte.
Erstes Ziel: Passende Lagerräume finden
Jetzt tickt die Uhr und der Verein muss dringend neue Lagerräume für Kostüme, Requisiten und Technik finden. Leicht wird das nicht, vermutet Vorsitzender Thomas Stieghahn. Immerhin braucht die Theaterkiste trockene, frostfreie und bezahlbare Räume – am besten 90 Quadratmeter groß. Er steht zwischen Hunderten bunten Kostümen, die dicht aufgereiht nebeneinanderhängen – mehrere Reihen zwei Etagen hoch. Trotzdem klingt der Vorsitzende hoffnungsvoll:
In meinem Leben hat sich immer gezeigt: Wenn sich eine Tür schließt, tut sich irgendwo eine andere Tür auf und mit dieser Zuversicht sollte man einfach weiter machen. Es findet sich immer eine Lösung.
MDR (Maximilian Fürstenberg)
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 23. Januar 2022 | 08:00 Uhr