Ein Auto wird abgeschleppt
Falschparken ist seit einem Jahr deutlich teurer (Symbolbild). Bildrechte: imago/Jürgen Ritter

Verstöße im Straßenverkehr Neuer Bußgeldkatalog füllt die Kassen der Kommunen

09. November 2022, 15:27 Uhr

Neue Delikte, höhere Strafen, mehr Sicherheit im Verkehr: So lautet die Formel des reformierten Bußgeldkatalogs. Die Zahl der erfassten Verkehrsdelikte geht in mehreren Städten nicht spürbar zurück. Die Kommunen freuen sich hingegen über mehr Geld in den Kassen.

Leonhard Eckwert
Bildrechte: Charlotte Anlauf

Am 9. November 2021 ist der neue Bußgeldkatalog für den Straßenverkehr in Kraft getreten. Höhere Strafen für Rasen und Falschparken sollen die Straßen sicherer machen. Eine Umfrage unter den acht größten Städten in Sachsen-Anhalt, Sachsen und Thüringen ein Jahr später ergibt: Die Kommunen nehmen durch die neuen Bußgelder deutlich mehr Geld ein. Die Anzahl der Delikte hat sich aber bisher nicht wesentlich verändert.

Wer ist befragt worden?

Befragt wurden acht der größten Kommunen in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen. Leipzig, Dresden, Chemnitz, Erfurt, Jena, Gera, Halle und Wittenberg legten Daten vor. Magdeburg konnte keine Zahl zu den Delikten im Jahr 2022 angeben. Dessau-Roßlau lieferte trotz mehrmaliger Anfrage keine Daten. Während für den Zeitraum 2019-2021 jeweils Auswertungen für das ganze Jahr vorliegen, können die Städte teils nur Daten für das erste Halbjahr, also bis zum 30. Juni 2022 bereitstellen. Die Gesamtanzahl an Delikten kann für dieses Jahr deshalb nur grob geschätzt werden.

Die Novelle hatte die Strafen stark angehoben. Zu schnelles Fahren kostet seitdem teils doppelt so viel. Wer beispielsweise im Ort 20 km/h zu schnell fährt, zahlt 70 Euro – anstatt 35 Euro wie noch ein Jahr zuvor. Das Halten auf dem Radstreifen oder das unberechtigte Durchfahren einer Rettungsgasse sind als neue Delikte dazugekommen.

Bußgeldkatalog bringt den Städten mehr Geld

Wie wirken die angepassten Regeln? Anfragen an die acht ausgewählte Kommunen in Mitteldeutschland zeigen: Der Effekt der Reform lässt sich vor allem in den Kassen der einzelnen Kommunen beobachten. Die Einnahmen pro Delikt im ruhenden Verkehr stiegen im Median aller Städte von 15 Euro auf 24 Euro. Im fließenden Verkehr stiegen die Einnahmen im Mittel von 19 Euro auf 27 Euro.

Die Städte Halle und Gera stellen besonders häufig hohe Strafzettel aus: Halle kassiert mit 55 Euro je Delikt im Schnitt am meisten im ruhenden Verkehr. Im thüringischen Gera fallen um die 60 Euro pro Delikt im fließenden Verkehr an. Beide Städte haben durch die Reform die durchschnittlichen Einnahmen fast verdoppelt. Magdeburg hat als einzige der befragten Kommunen keine Daten zu der Zahl der Verstöße im Jahr 2022 vorliegen. Diesen August hatte die Stadt schon in etwa so viel Bußgeld eingenommen wie in den Jahren zuvor.

Bußgeldkatalog: Keine eindeutige Abnahme von Verstößen

Die Zahl der erfassten Delikte wird 2022 voraussichtlich nicht deutlich im Vergleich zum Vorjahr sinken. Ein eindeutiger Trend im Vergleich zum Vorjahr ist nicht erkennbar. Mehrere der befragten Städte werden dieses Jahr sogar voraussichtlich mehr Verstöße feststellen. Die Kommunen erfassen am meisten Ordnungswidrigkeiten im fließenden Verkehr – beispielsweise mithilfe von festen Blitzern. Strafzettel an Falschparker auszustellen ist aufwendiger, deswegen ist die Anzahl der erfassten Delikte im ruhenden Verkehr dementsprechend geringer.

Die Anzahl hängt stark damit zusammen, wie kontrolliert wird. Besonders für das erste Corona-Jahr 2020 verzeichneten die Behörden deutlich weniger Verstöße. Denn Mitarbeiter der Ordnungsämter wären auch für die Kontrolle der Corona-Regeln eingesetzt worden, heißt es auf Anfrage. Zusätzlich sei die Verkehrssituation auch eine andere gewesen.

Neue Bußgelder ohne Einfluss auf die Unfallstatistik

Auch dass der neue Bußgeldkatalog mehr Sicherheit bringt, lässt sich auch aus den Daten zu Unfällen des Statistischen Bundesamts nicht herauslesen. Im Zeitraum November 2021 bis Ende Juli 2022 gab es in Mitteldeutschland etwa 154.000 Unfälle. In derselben Zeitspanne von 2020 bis 2021 lag diese Zahl bei circa 149.000. Die Corona-Pandemie erklärt zum Teil die niedrigere Anzahl. Der Verkehr auf den Straßen – und damit die Unfallgefahr – ist durch die Arbeit aus dem Homeoffice gesunken. Zeichen für einen echten Wandel durch die Novelle gibt es laut Unfallstatistik nicht.

Verkehrspsychologe Schlag: Verstöße werden zu selten geahndet

Warum haben die höheren Strafen keinen großen Effekt – abseits vom Geldsegen für Kommunen? "Verkehrsdelikte sind in Deutschland nach wie vor günstig im Vergleich zu anderen Ländern wie zum Beispiel die Niederlande, Frankreich oder England", sagt der Verkehrspsychologe Bernhard Schlag von der Technischen Universität Dresden. In England liegt die Strafe für zu schnelles Fahren mindestens bei umgerechnet 115 Euro.

Man hat zwar die Strafe erhöht, aber nicht die Wahrscheinlichkeit entdeckt zu werden.

Verkehrspsychologe Bernhard Schlag

Ein weiteres Problem laut Schlag: "Man hat zwar die Strafe erhöht, aber nicht die Wahrscheinlichkeit entdeckt zu werden." Viele Verstöße würden gar nicht erst erfasst. Daher würden manche Verkehrsteilnehmer die Wahrscheinlichkeit erwischt zu werden, als sehr gering einschätzen. "Wenn man sieht, dass andere sich nicht an die Regeln halten und davon auch noch Vorteile haben, überträgt sich das relativ schnell", sagt der Verkehrspsychologe. Die Menschen würden dann verinnerlichen, dass sie durch die Verstöße schneller vorankommen oder weniger Rücksicht nehmen müssen.

Den neuen Bußgeldkatalog hält er trotzdem für wichtig – zusätzlich zu anderen Maßnahmen wie etwa Aufklärung: "Wir müssen es schaffen, dass andere Verkehrsdelikte genauso abgelehnt werden wie Alkohol am Steuer. Wenn sich so eine Norm durchsetzt, ist das viel wirksamer, als das was der Gesetzgeber vorgibt."

MDR (Leonhard Eckwert)

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