Besuch im Sternerestaurant "Zeitwerk" Wie bei guten Freunden zu Hause
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10. September 2018, 13:35 Uhr
Ein Abend, ein Restaurant, ein Sternemenü: Im "Zeitwerk" von Sternekoch Robin Pietsch in Wernigerode werden edle Gerichte serviert. Genauer gesagt 13, zumindest aktuell, denn das Menü wechselt saisonal. Aber was genau isst man, wenn 13 Gänge serviert werden und wie passt das mit dem urigen Harz zusammen? Ein Besuch.
"Die Gäste sollen sich wie zu Hause fühlen", sagt Besitzer Robin Pietsch. Deshalb nennt er sein Restaurant "Zeitwerk" in Wernigerode auch Wohnzimmer-Restaurant. Warum das so ist, wird bereits an der Tür klar. Um hier reinzukommen, muss man klingeln, ganz so als würde man Freunde besuchen. Als ich klingele, öffnet ein freundlicher junger Mann die Tür. Er heißt mich und meine Begleitung willkommen und nimmt uns unsere Jacken ab.
Zum Tisch geht es die Treppe hinauf. Was uns dort erwartet, ist ziemlich ungewöhnlich: eine offene Küche. Die gibt es zwar mittlerweile in vielen Restaurants, doch die im "Zeitwerk" ist anders. Hier sind die Köche nicht nur zu sehen, man geht direkt an ihnen vorbei. Auch hier wird man fröhlich begrüßt von bereits wuselnden Köchen. Unter ihnen ist auch der Besitzer selbst. Seit er mit seinem Restaurant 2017 einen Michelin-Stern bekommen hat, "ist das Restaurant fast jeden Tag voll", sagt Pietsch und fügt hinzu:
Wir freuen uns über wirklich, wirklich jeden Gast, der herkommt, weil er uns in dem, was wir tun, bestätigt.
Die Tische befinden sich einen Raum weiter. Dieser ist zwar größer als ein übliches Wohnzimmer, er ist jedoch ganz wohnlich und gemütlich eingerichtet. Erdige Töne treffen hier auf natürliches Grün und auf Holz. Als wir Platz nehmen, stellt der freundliche junge Mann sich vor. Er heißt Florian und er bedient uns heute gemeinsam mit dem restlichen "Zeitwerk"-Team. Als erstes bringt er uns Wasser, es ist inklusive. Im "Zeitwerk" heißt es: "Wasser ist ein Grundrecht, darum gibt es das zum Menü dazu."
Das Menü finden wir in einem kleinen Briefumschlag auf dem Tisch. Darauf stehen reichlich Gänge – 13, um genau zu sein. Das Menü wechselt regelmäßig, weil es saisonal angepasst ist. Daher gibt es auch nur eines. Pietsch und sein Team versuchen, so regional wie möglich zu kochen. Das ist auch die Grundphilosophie, wie Pietsch wiedergibt:
Die Regionalität ist mir das Wichtigste überhaupt. Wir haben so tolle Bauern hier in der Region und versuchen größtenteils darauf zu verzichten, in Großmärkten einzukaufen.
Auf der Vorderseite des Menüs findet sich ein Zitat aus dem Michelin-Guide, wie dieser das Restaurant beschriebt – ein Aushängeschild und gute Einstimmung auf den Abend. Unter dem Zitat ist das gesamte Team aufgelistet, mit Namen und Zuständigkeit. Und das erzeugt Nähe, man fühlt sich irgendwie angekommen. Ungewohnt für ein Gourmetrestaurant. Robin Pietsch sieht das so: "Gehobene Küche ist heute anders als früher. Es ist nicht mehr so steif. Heute geht es darum, eine Philosophie zu haben und authentisch zu sein. Und wir sind ja bodenständig, wir verarbeiten ganz simple Produkte, die jeder zu Hause nachkochen könnte. Wir servieren das mit unserer lockeren und legeren Art. Und das ist für mich gehobene Küche."
Die Bodenständigkeit erkenne ich auch im Raum. Unterschiedliche Altersgruppen sitzen hier in zwangloser Atmosphäre. Zwanglos ist auch die Getränkeauswahl, eine klassische Einordnung, was zu welchem Gericht passt, gibt es hier nicht. Man kann zwischen alkoholischen Getränken wie Bier und Wein wählen oder sich für eine der alkoholfreien Alternativen entscheiden. Hierfür kreiert Florian täglich frisch gepresste Säfte wie Tomate-Basilikum, Rote Beete, Holunder oder Sellerie-Dill. Wir entscheiden uns dafür, mit einem Saft zu beginnen und schon bald kommt der erste Gang. Auf die Frage, warum es so viele Gänge sein müssen, antwortet Pietsch:
Es ist wie ein Theaterstück. Man bekommt in kurzer Zeit ein ganz breites Spektrum gezeigt. Es ist alles von uns gemeinsam als Team durchdacht. Es ist wie ein Feuerwerk, das nicht enden soll für den Gaumen. Deswegen so viele Gänge.
Die Namen der Gerichte sind genauso puristisch wie das Restaurant selbst. Und so folgen auf ein Tatar ein Brotlaib oder "Karotte von oben bis unten" oder "Herz und Pilz". Einfach sind die Gerichte keinesfalls. Nacheinander werden uns kleine Kunstwerke optisch wie geschmacklich serviert. Alles fließt ineinander, der Ablauf der Gerichte, die geschmacklich aufeinander abgestimmt sind, aber auch der Service. Denn bedient wird man von allen, auch von Köchen und von Pietsch persönlich. So hat man am Ende des Abends das Gefühl, jeden einzelnen im "Zeitwerk" kennengelernt zu haben. Auch das ist Teil der Philosophie: "Es muss einfach alles passen: vom Essen über Service, über die Klamotten und Getränke."
Nach vier Stunden ist das komplette Dinner serviert und aufgegessen. Das "Theaterstück", wie Pietsch es nennt, ist zu Ende und wir sind bereit, zu gehen. Robin Pietsch wünscht sich eins: "Wenn Leute gehen, dann sollen sie satt sein und glücklich. Und einfach sagen: 'Boah, das war ein Erlebnis, vielen lieben Dank dafür.' Dann sind wir glücklich, die Gäste sind glücklich und das ist das worüber ich mich sehr freue, wenn es so ist." Uns hat er diesen Wunsch erfüllt und somit auch seinen eigenen: Denn wir gehen satt, zufrieden und glücklich.
Über die Autorin Olga Patlan ist seit 2015 freie Redakteurin und Reporterin bei MDR SACHSEN-ANHALT. Hier schreibt sie Online-Artikel, betreut die Social Media-Kanäle und moderiert Interviews und Videos auf dem Facebook- und Instagram-Kanal von MDR SACHSEN-ANHALT. Sie lebt seit zehn Jahren in Magdeburg. Hier studierte sie an der Otto-von-Guericke Universität Germanistik und Psychologie, spezialisierte sich aber bereits früh im Studium auf Medien. Erste journalistische Erfahrungen sammelte sie bei Radio SAW. In ihrer Freizeit bereist sie gern die Welt und entdeckt Neues. Daher rührt auch ihre Leidenschaft für den Beruf als Journalistin, sich immer wieder in neue Inhalte zu denken, Menschen und Inhalte darzustellen.
Quelle: MDR/pat