MDRfragt - Das Meinungsbarometer für Mitteldeutschland Wenig Verständnis für Corona-Proteste in Mitteldeutschland
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16. Juni 2020, 09:00 Uhr
Trotz Lockerungen protestieren regelmäßig bundesweit tausende Menschen gegen Coronamaßnahmen. Mit 71 Prozent zeigt der Großteil der MDRfragt-Gemeinschaft in der aktuellen Befragung wenig bis kein Verständnis für die Proteste. Zudem findet der Großteil der Befragten die Maßnahmen, die seit Aufkommen der ersten Pandemiefälle ergriffen wurden, rückblickend richtig.
Sie sind auf den Straßen nahezu jeder Stadt unterwegs und protestieren seit Wochen gegen die Coronaschutzmaßnahmen. Verständnis für die Demonstranten haben jedoch nur wenige Teilnehmer der aktuellen mdrFRAGT-Befragung, an der sich mehr als 17.200 Mitteldeutsche beteiligt haben. So zeigt mit 71 Prozent der Großteil der mdrFRAGT-Gemeinschaft kein oder wenig Verständnis für die Menschen zu haben, die gegen die Coronaeinschränkungen demonstrieren. Voll und ganz beziehungsweise eher verstehen insgesamt 28 Prozent der Befragten die Demonstranten.
In ihren Kommentaren haben einige Teilnehmer von mdrFRAGT auch Gründe mitgeteilt, warum sie durchaus auch Verständnis für einige der Demonstrationen hätten - aber eben nicht für alle und unter allen Umständen:
Proteste gegen die Maßnahmen sind legitim, dürfen aber auf keinen Fall gewalttätig sein und ausarten. Gegenteilige Meinungen sollten jederzeit akzeptiert werden, auch wenn man sie nicht teilt. Das trifft für alle Gruppen zu!
Ich habe für einzelne Gruppen durchaus Verständnis (Künstler, Freischaffende...), da diese Berufsgruppen bei den finanziellen Hilfsmaßnahmen nicht berücksichtigt wurden. Aber bei vielen anderen Teilnehmern habe ich eher den Eindruck, sie gehen auf die Straße, weil sie gegen jegliche Maßnahmen der deutschen Politik sind. Meist haben diese Menschen aber keine umsetzbaren Alternativen zu bieten. Ich kann zwar verstehen, dass jemand unzufrieden mit politischen Maßnahmen ist, er sollte sich aber auch Gedanken machen, welchen Weg es noch gibt, der allen Menschen des Landes dient und nicht nur einer kleinen Interessengruppe.
Nur knapp ein Drittel denkt, dass Politik und Medien bei Corona bewusst übertreiben
In der Befragung geben 31 Prozent der Teilnehmer an, dass sie denken, Politik und Medien hätten die Gefahr von Corona bewusst übertrieben. Die Mehrheit von 63 Prozent glaubt dies jedoch nicht.
Einige Teilnehmer, die der Meinung sind, es wurde bewusst übertrieben, haben in Kommentaren ihre Gründe dazu mitgeteilt:
Die maßlos übertriebene Berichterstattung in den Medien der letzten Wochen ist unverantwortlich und schürt Unsicherheit und Angst in der Bevölkerung.
Genau wie der Klimaschutz übertrieben wird, wird alles um Corona meiner Meinung nach übertrieben.
Ich verstehe die ganze Aufregung nicht, weil niemand sagt, es gibt so und so viele Erkrankte. Aus diesem Grund schätzt man auch die Gesundeten. Das kummulative Addieren der Infizierten soll eine Gefährlichkeit vorgaukeln, um die übertriebenen Maßnahmen zu rechtfertigen.
Wenn die Politik und die Medien vielleicht nicht so übertrieben hätten, wären die Menschen nicht so vorsichtig gewesen und Corona hätte uns mehr erwischt.
In der Befragung zeigt sich auch ein interessanter Zusammenhang zwischen einzelnen Antworten:
- Die Gruppe der Befragten, die angab, Verständnis für die Corona-Demonstranten zu haben ist auch besonders häufig der Meinung, dass Medien und Politik bei der Corona-Gefahr bewusst übertrieben haben (78 %).
- Umgekehrt ist die Gruppe der Befragten die angab, kein oder wenig Verständnis für die Proteste zu haben in der überwiegenden Mehrheit (81 %) nicht der Meinung, dass Medien und Politik die Gefahr von Corona bewusst übertrieben haben.
- Auch zeigt sich, dass eher Männer als Frauen der These zustimmen, Politik und Medien hätten die Gefahr von Corona bewusst übertrieben: So sind 35 Prozent der männlichen Befragten dieser Ansicht, jedoch nur 27 Prozent der Teilnehmerinnen.
Großteil der Menschen findet Maßnahmenkatalog rückblickend richtig
Noch gibt es keinen Impfstoff und keine Medikamente - entsprechend keine Entwarnung. Im Vergleich mit anderen Ländern wie den USA oder Spanien ist Deutschland bislang sehr glimpflich durch die Pandemie gekommen. Und trotz Lockerungen gibt es derzeit keine zweite Infektionswelle. In Anbetracht dessen steht trotzdem die Mehrheit der Befragten hinter den Maßnahmen der letzten Monate. So finden 41 Prozent, dass die Maßnahmen richtig waren und wir nur ihretwegen so glimpflich davon gekommen sind. Weitere 31 Prozent sagen: "Auch wenn sich das Coronavirus im Nachhinein als weniger gefährlich als gedacht herausstellen sollte, waren die Maßnahmen richtig: Vorsicht ist besser als Nachsicht."
Allerdings hält auch jeder Fünfte (21 %) die Maßnahmen für teilweise falsch und den Schaden für Wirtschaft und Gesellschaft für zu hoch. Sieben Prozent der Befragten finden, die Maßnahmen waren in ihrer Gesamtheit falsch.
Auch bei dieser Frage zeigen sich große Unterschiede zwischen der Gruppe der Befragten, die die Proteste gegen die Corona-Einschränkungen verstehen können, und denjenigen, die dies nicht tun.
- Die Gruppe der Befragten, die kein Verständnis für die Proteste hat, hält die getroffenen Corona-Schutzmaßnahmen mit 54 Prozent für richtig: "Nur ihretwegen sind wir so glimpflich davon gekommen". Nur 8 Prozent finden die Maßnahmen zumindest in Teilen falsch.
- Aus der Gruppe der Befragten, die die Corona-Proteste verstehen, halten nur 7 Prozent die Corona-Schutzmaßnahmen für richtig. Dagegen sind 75 Prozent von ihnen der Meinung, dass die Maßnahmen in Teilen oder gänzlich falsch gewesen seien.
Mehr als die Hälfte zuversichtlich, dass die Krise bald überstanden ist
Die mdrFRAGT-Gemeinschaft ist zuversichtlicher geworden, dass die Coronakrise bald überstanden ist. Erstmals seit Beginn unserer Befragungen ist nun mehr als die Hälfte (53 %) der Befragten eher bis sehr zuversichtlich. Zum Vergleich: Bei unserer letzten Befragung Mitte Mai waren nur 38 Prozent eher bis sehr zuversichtlich. Generell geht es den Menschen nach ihren Angaben in den Befragungen heute etwas besser als noch Mitte Mai: Während damals 58 Prozent der Teilnehmer angaben, dass es ihnen gut oder sehr gut geht, sind es heute bereits 65 Prozent.
Sorge vor Ansteckung konstant
Die Sorge vor der Ansteckung mit dem Virus ist jedoch annähernd unverändert. Genau wie bei der letzten Befragung hat ein Viertel der Teilnehmer (25 %) große oder sehr große Angst, sich anzustecken. Kleine bis weniger große Sorgen vor einer Infektion haben nach wie vor 75 Prozent der Befragten. Mehr als die Hälfte der Befragten (58 %) geht davon aus, dass wir noch eine zweite Infektionswelle vor uns haben, 42 Prozent bezweifeln das.
Alltag der Menschen normalisiert sich
Die Mehrheit der Menschen in Mitteldeutschland spürt im Alltag kaum noch Einschränkungen durch Corona (55 %). Fast jeder Zehnte (9 %) gibt sogar an, gar keine Einschränkungen mehr zu verspüren. Etwa ein Drittel der Befragten (30 %) findet jedoch, dass sich der Alltag noch stark von den Zeiten vor der Pandemie unterscheidet. Im Vergleich zur letzten Befragung zum Thema Corona Mitte Mai 2020 zeigt sich, dass sich der Alltag der Menschen mehr normalisiert hat: Damals gaben nur 43 Prozent der Befragten an, kaum Unterschiede im Alltag zu spüren. Fast genauso viele (39 %) verspürten in dieser Zeit noch starke Unterschiede im Alltag.
Vertrauen in Politik nimmt wieder leicht zu
In den letzten Befragungen zum Thema Corona konnten wir beobachten, wie das Vertrauen in die Politik seit Mitte April kontinuierlich sank – auf allen politischen Ebenen. In der aktuellen Befragung nun nimmt das Vertrauen in die Politik, in der Krise die richtigen Entscheidungen zu treffen, wieder leicht zu. So haben 58 Prozent der Befragen großes oder sehr großes Vertrauen in die Bundespolitik. Mitte Mai hatten dies nur 51 Prozent. Auf Landesebene sprechen 56 Prozent der Politik großes bis sehr großes Vertrauen aus (+ 8 Prozentpunkte), auf kommunaler Ebene 45 Prozent (+ 5 Prozentpunkte). Besonders hoch ist das Vertrauen in die Politik bei denjenigen, die kein bis wenig Verständnis für die Corona-Demonstranten aufbringen. 74 Prozent von ihnen haben großes oder sehr großes Vertrauen in die Bundespolitik. Dagegen geben dies nur 18 Prozent derjenigen an, die die Anti-Corona-Demonstranten voll und ganz oder zumindest teilweise verstehen können.
Zustimmung zu Maßnahmen nimmt weiter ab
Die Zustimmung der Teilnehmer zu den noch bestehenden Coronaschutzmaßnahmen nimmt hingegen weiter ab. Das zeigt der Vergleich zu den letzten mdrFRAGT-Ergebnissen. So sind in der aktuellen Befragung nur noch 36 Prozent der Teilnehmer dafür, die Abschottung von Ländern durch Ein- und Ausreiseverbote beizubehalten. Mitte Mai waren noch 45 Prozent dafür. Auch bei den anderen Maßnahmen hat die Zustimmung abgenommen:
Vor allem die Maskenpflicht beschäftigt viele der Befragten, wie auch aus den Kommentaren deutlich wird:
Die Mundschutzpflicht sollte wegfallen. Meine Beobachtungen zeigen, dass die Hygienevorschriften im Umgang mit den Masken (Absetzen, Einmalverwendung, tägliches Waschen usw.) nicht eingehalten werden, womit die Wirksamkeit nur einen Bruchteil ausmacht.
Ich würde unseren Politikern besonders in Sachsen raten bei Ihrem Lockerungswahnsinn bitte ja nicht auch noch die Maskenpflicht zu lockern. Ich arbeite im Pflegedienst mit alten und kranken Menschen und habe zu Hause einen Mann, der hochgradig vorbelastet ist. Wie soll ich da Verständnis für immer neue Lockerungen haben, wo ja laufend wieder neue Ansteckungsherde entstehen?
Über die Befragung
In einer Befragung vom 05. bis zum 08. Juni 2020 wollten wir von den mdrFRAGT-Teilnehmerinnen und Teilnehmern wissen: "Corona - übertrieben oder unterschätzt?"
An der Befragung haben 17.243 Menschen teilgenommen. Insgesamt sind mittlerweile 28.036 registrierte Mitglieder aus Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen Teil der mdrFRAGT-Gemeinschaft.
52 Prozent der Befragten kommen aus Sachsen, 24 Prozent aus Sachsen-Anhalt und 24 Prozent aus Thüringen. Das entspricht in etwa der Verteilung der Einwohner in den drei Bundesländern.
55 Prozent der Befragten sind männlich und 45 Prozent weiblich.
Die Teilnehmer dieser Befragung verteilen sich auf folgende Altersgruppen:
417 Menschen sind zwischen 16 und 30 Jahre alt,
3.427 zwischen 31 und 50 Jahren,
7.004 zwischen 51 und 64 Jahren und
6.395 Teilnehmer sind 65 Jahre und älter.
Die Befragungen sind nicht repräsentativ, aber sie werden nach statistischen Merkmalen wie Geschlecht, Bildung und Beruf gewichtet. Die Gewichtung ist eine Methode aus der Wissenschaft bei der es darum geht, die Befragungsergebnisse an die real existierenden Bedingungen anzupassen. Konkret heißt das, dass wir die Daten der Befragungsteilnehmer mit den statistischen Daten der mitteldeutschen Bevölkerung abgleichen.
Wenn also beispielsweise mehr Männer als Frauen abstimmen, werden die Antworten der Männer weniger stark, die Antworten der Frauen stärker gewichtet. Die Antworten verteilen sich dann am Ende so, wie es der tatsächlichen Verteilung von Männern und Frauen in der Bevölkerung Mitteldeutschlands entspricht.
Dabei unterstützt ein wissenschaftlicher Beirat das Team von "mdrFRAGT". Mit dem MDR Meinungsbarometer soll ein möglichst breites Stimmungsbild der Menschen in Mitteldeutschland eingefangen werden – mit möglichst vielen Teilnehmenden.
Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR um elf | 09. Juni 2020 | 11:00 Uhr