Die Dresdner Filiale von Galeria Kaufhof (Foto) wurde vorerst gerettet. Viele aus der MDRfragt-Gemeinschaft würden die großen Kaufhäuser vermissen.
Die Dresdner Filiale von Galeria Kaufhof (Foto) wurde vorerst gerettet. Viele aus der MDRfragt-Gemeinschaft würden die großen Kaufhäuser vermissen. Bildrechte: IMAGO/PEMAX

MDRfragt Deutliche Mehrheit würde große Kaufhäuser in Innenstädten vermissen

18. Juni 2024, 03:00 Uhr

In einigen Städten bei uns haben die großen Kaufhäuser vor Jahren schon geschlossen. In Chemnitz ist Ende August Schluss für "Galeria Kaufhof", in Magdeburg oder Leipzig geht es zumindest in naher Zukunft noch weiter. Die großen Warenhäuser mit dem sehr breiten Angebot würden sieben von zehn Befragten in den Innenstädten vermissen. Das zeigt eine Befragung mit mehr als 22.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer der MDRfragt-Gemeinschaft.

"Ich genieße es, wenn ich mir, schon von der Rolltreppe aus, die Waren anschauen kann. Gerne gehe ich auch mit den Enkeln hin. Die freuen sich, da die Eltern nur online bestellen. Dort können sie die Waren leider nur digital anschauen. Im Kaufhaus hingegen können sie die Waren analog fühlen und anprobieren", schreibt Heike aus Mittelsachsen. Ähnliche Eindrücke wie die 60-Jährige aus Mittelsachsen schildern viele MDRfragt-Teilnehmerinnen und -Teilnehmer: Sie verbinden mit Kaufhäusern positive Erinnerungen und Erlebnisse.

Großer Mehrheit würde bei Innenstädten ohne große Kaufhäuser etwas fehlen

Sieben von zehn Befragten (72 Prozent) geben an: Ihnen würde etwas fehlen, wenn es in den Innenstädten keine Kaufhäuser mehr gäbe. Dabei sind es vor allem die älteren Befragten, denen die Kaufhäuser in den Innenstädten fehlen würden. Das geben acht von zehn Befragten (81 Prozent) über 65 Jahren an. Bei den Befragten bis fünfzig Jahren würden nur sechs von zehn Befragten (64 Prozent) Kaufhäuser vermissen.

Und einigen, denen fehlen die Kaufhäuser vor Ort heute schon. So schreibt Gabriele (67) aus dem Saalekreis: "Bei uns gibt es kein Kaufhaus mehr, seit der letzten Galeria-Schließung. Katastrophe. Haushalt, Bekleidung, Spielwaren, Bücher usw.: alles an einem Ort mit kurzen Wegen. Jetzt läuft man in der Innenstadt weit herum." Melanie (46) aus Dresden dagegen gehört zu den Befragten, die Kaufhäuser in den Innenstädten nicht vermissen würden: "Im Urlaub in anderen Städten gehe ich schon mal schauen, welche Unterschiede es im Angebot gibt. Ich empfinde das Angebot im Osten Deutschlands meist als langweilig und einheitlich. Im Westen sind da schon einmal ein paar andere Sachen zu sehen."

Würden Kaufhäuser vermissen in deutschen Innenstädten
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Nachdem die Warenkaufhaus-Kette Galeria Karstadt Kaufhof im Januar den dritten Insolvenzantrag gestellt hatte, sollen neun der 92 verbliebenen Filialen bis Ende August geschlossen werden.

Ich bin mit Leib und Seele Schuhverkäuferin. Ich verliere zum ersten Mal in meinem Berufsleben meine Arbeit. Die letzten Wochen bis zur Schließung werden sicher nicht einfach und sehr emotional, weil ein Kaufhaus etwas Besonderes ist.

57-jährige MDRfragt-Teilnehmerin aus Chemnitz

Betroffen von den Schließungen ist auch das Kaufhaus in Chemnitz. 120 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verlieren dadurch ihren Job. Zu ihnen gehört auch eine 57-jährige MDRfragt-Teilnehmerin aus Chemnitz: "Ich bin seit 42 Jahren im Kaufhaus tätig und habe im Centrum-Warenhaus Karl-Marx-Stadt gelernt. Ich bin mit Leib und Seele Schuhverkäuferin. Ich verliere zum ersten Mal in meinem Berufsleben meine Arbeit. Die letzten Wochen bis zur Schließung werden sicher nicht einfach und sehr emotional, weil ein Kaufhaus etwas Besonderes ist."

Doch nicht nur diejenigen, die selbst beruflich von der Schließung betroffen sind, kritisieren die Entwicklung, wie beispielsweise die Chemnitzerin Cornelia (68): "Für eine attraktive Innenstadt sind Kaufhäuser unverzichtbar. Das Beispiel Chemnitz wird dies zeigen, wenn keine vernünftige Lösung gefunden wird."

In vielen weiteren Kommentaren zur Befragung werden bevorstehende und auch vergangene Schließungen wehmütig betrachtet. Auch heute noch sind Kaufhäuser für die meisten wichtig. Die Mehrheit der MDRfragt-Mitglieder (52 Prozent) findet sie weiterhin zeitgemäß. 40 Prozent finden das nicht.

„Kaufhäuser sind zeitgemäß“
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Viele Mitglieder benennen das sehr breite Sortiment der Kaufhäuser als wichtigen Grund für ihren Kummer über die Schließungen. Dazu gehört auch Angelika (67) aus dem Landkreis Leipzig: "Mir würde wirklich etwas fehlen, wenn Galeria Kaufhof geschlossen würde. Gerade die Vielfalt macht es für mich interessant. Bestimmte Kleidungsstücke probiere ich lieber vor Ort, genauso Schuhe, Schmuck, Parfüm. Ich bin bestimmt einmal in der Woche dort." Insgesamt schätzen 78 Prozent der MDRfragt-Gemeinschaft die Vielfalt des Angebots in Kaufhäusern.

Das vielfältige Angebot in Kaufhäusern
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"Das Kaufhaus ist für mich eine Möglichkeit, Dinge zu bekommen, für die es keine oder in der Stadt kaum noch Einzelhändler gibt. Von Kurzwaren, Stoffen, Batterien bis zum Fisch kann ich alles kaufen", schreibt Erika (85) aus Dresden. Neben der Vielfalt wird auch die Beständigkeit von Kaufhäusern geschätzt. Jörg (55) aus Dresden besucht Kaufhäuser zum Beispiel gerne zielgerichtet: "Ich nutze die Uhrenabteilung gerne für Service-Arbeiten. Da muss ich nicht suchen, die gibt es in jedem Karstadt."


Mehrheit findet: Kaufhäuser hängen Trends hinterher

Jede und jeder zweite Befragte (49 Prozent) ist der Meinung, dass die Angebote in Kaufhäusern den Trends oft hinterherhängen. Jasmin (24) aus Dresden meint dazu: "Kaufhäuser haben es in den letzten 20 Jahren verpasst, sich an Trends anzupassen. Dabei meine ich nicht unbedingt nur modische Trends, sondern viel mehr das Einkaufserlebnis an sich. Die Schließung von Kaufhäusern ist leider unvermeidbar. Statt der x-ten Rettungsversuche sollte man sich lieber Gedanken für ein nachhaltiges Nachnutzungskonzept machen." Andrea (51) kommt auch aus Sachsens Landeshauptstadt und hat von Kaufhäusern den Eindruck: "Zu teuer, zu elitär und abgehoben, nur für alte, gut betuchte Kunden. Die Schieflage ist somit nicht verwunderlich."

Kaufhäuser hängen Trends hinterher
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Kaufhäuser und auch Innenstädte müssten attraktiver werden, um Onlinehandel etwas entgegenzusetzen

Einige Mitglieder halten die Kaufhäuser im Vergleich zum Onlineshopping vor allem aus Klimagründen für die eigentlich bessere Wahl. "Kaufhäuser sind auf jeden Fall besser als der Online-Handel. Man kann dort seine Ware sehen, angreifen und viel besser beurteilen. Rückgaben und die damit verbundenen Belastungen der Umwelt werden vermieden", schreibt Peter (83) aus Dresden. Freya (64) aus Gera äußert ähnliche Bedenken: "Jetzt kaufe ich im Internet, habe aber ein schlechtes Gewissen wegen der Umweltschädigung."

Hintergrund: Ist Onlineshopping klimaschädlicher als das Einkaufen vor Ort?

Laut Studien des Umweltbundesamtes ist die Annahme der beiden MDRfragt-Teilnehmer nicht ganz vollständig. Bei der Klimabilanz von Onlineshopping denken viele zunächst an viele einzelne Lieferungen von verschiedenen Produkten. Kaufhäuser oder Geschäfte in Innenstädten werden dagegen mehrfach groß beliefert. Die Lieferung ist aber nicht der ausschlaggebende Faktor für die Berechnung einer Klimabilanz. Dafür muss auch die Anfahrt der Kunden zum stationären Handel, dessen Beleuchtung oder auch das Heizen eines Kaufhauses mit betrachtet werden. All das macht eine Berechnung und kompliziert und eine eindeutige Aussage zur Klimabilanz schwierig. Mehr dazu hier.

Aus den Kommentaren zur aktuellen Befragung geht auch hervor, dass nicht nur Kaufhäuser, sondern auch attraktive Innenstädte allgemein mehrheitlich geschätzt werden. Die könnten aber durch die Konkurrenz des Onlinehandels zunehmend weniger Anziehungspunkt sein: "Die Innenstädte müssten dem so beliebten Online-Handel etwas entgegenzusetzen haben. Das haben sie aber leider nicht", findet Uwe (64) aus Gera. Gert (71) aus Dresden schildert seinen Eindruck, auch Gewerbegebiete am Stadtrand könnten Innenstädten den Rang ablaufen: "Das Problem in den Innenstädten ist die geringe und teure Verfügbarkeit von Parkplätzen. Am Stadtrand kann man meist problemlos parken und im zugehörigen Einkaufspark einkaufen."

Für möglichst attraktive Innenstädte sollten die Planer aus Sicht der MDRfragt-Mitglieder gleich in mehreren Bereichen nachbessern: Sehr viele wünschen sich mehr Sitzmöglichkeiten und Grünanlagen, dazu mehr kleine und individuelle Geschäfte und Einkaufsangebote mit regionalem Bezug. Zudem sollten Kunden und Bewohner der Städte mehr über die Gestaltung der Innenstädte mit entscheiden dürfen.

Über diese Befragung Die Befragung vom 24. bis 31. Mai 2024 stand unter der Überschrift: "Kein Kaufhaus, kein Konsum? Wie shoppen wir heute?"

Bei MDRfragt können sich alle anmelden und beteiligen, die mindestens 16 Jahre alt sind und in Sachsen, Sachsen-Anhalt oder Thüringen wohnen, denn: Wir wollen die Vielfalt der Argumente kennenlernen und abbilden. Die Kommentare der Befragten erlauben, die Gründe für die jeweiligen Positionen und das Meinungsspektrum sichtbar zu machen.

Da sich jede und jeder beteiligen kann, der möchte, sind die Ergebnisse von MDRfragt nicht repräsentativ. Bei dieser Befragung haben sich 22.357 Menschen aus Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen online mit ihrer Meinung eingebracht.

Die Ergebnisse von MDRfragt werden nach wissenschaftlichen Kriterien anhand verschiedener soziodemografischer Merkmale wie Alter, Geschlecht oder Bildungsgrad gewichtet, um sie an die tatsächliche Verteilung in der mitteldeutschen Bevölkerung anzupassen. Damit wird die Aussagekraft der Ergebnisse erhöht und es ergibt sich ein valides und einordnendes Stimmungsbild aus Mitteldeutschland.

MDRfragt wird zudem wissenschaftlich beraten und begleitet, beispielsweise durch regelmäßige Validitätstests. Mehr zur Methodik von MDRfragt finden Sie am Ende des Artikels.

Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR Umschau | 18. Juni 2024 | 20:15 Uhr