MDRfragt 60-Milliarden-Haushaltsloch: Zuspruch für Aus klimaschädlicher Subventionen
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05. Dezember 2023, 12:02 Uhr
Wie lässt sich das 60 Milliarden Euro schwere Loch in den Haushaltsplänen des Bundes stopfen? Darüber wird in Berlin seit Wochen heftig diskutiert. Wir haben die MDRfragt-Gemeinschaft gefragt, wie sie die Lücke im Etat schließen würden. Mehr als 24.500 Menschen haben sich beteiligt. Dabei gibt es für zwei vorgeschlagene Ideen mehrheitliche Zustimmung: eine Reichensteuer – und die Abschaffung von klimaschädlichen Subventionen, etwa für Dienstwagen, Diesel-Fahrzeuge oder Flugzeug-Treibstoff.
- Unter den Befragten gibt es deutlich mehr Zuspruch zum Abbau klimaschädlicher Subventionen und zu Steuererhöhungen für Vermögende als zu Sozialkürzungen.
- Einige Fürsprecherinnen und Fürsprecher plädieren für eine Lockerung oder erneute Aussetzung der Schuldenbremse.
- Uneinigkeit herrscht bei der Frage, ob an den Milliarden-Hilfen für die Chip-Industrie festgehalten werden sollte.
Wenn es nach den Befragten im jüngsten MDRfragt-Stimmungsbild geht, dann stopft der Bund sein milliardenschweres Haushaltsloch sowohl mit neuen Einnahmen als auch mit der Verringerung der derzeitigen Ausgaben.
Aus einem Katalog mit verschiedenen Ideen, die derzeit in der Bundespolitik vorgeschlagen und diskutiert werden, treffen zwei auf mehrheitliche Sympathien unter den mehr als 24.500 Befragten aus Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen. Die Ergebnisse sind nicht repräsentativ, aber nach wissenschaftlichen Kriterien gewichtet, um die Aussagekraft zu erhöhen. Zahlreiche Kommentare der Befragten helfen dabei, die Positionen einzuordnen.
Mehrheit für höhere Steuern für Reiche und Abbau klimaschädlicher Subventionen
Eine neue Reichensteuer oder Steuererhöhungen für Superreiche, wie es derzeit unter anderem von der Kanzler-Partei SPD ins Spiel gebracht wird, befürworten knapp zwei Drittel der Befragten. Ähnlich viel Zustimmung gibt es nur noch für den Vorschlag, klimaschädliche Steuervorteile und Subventionen abzubauen – wie es derzeit vor allem die mitregierenden Grünen fordern. Konkret sind knapp drei Fünftel der Befragten dafür, die Vorteile, etwa für Flugzeug-Treibstoff, Dienstwagen oder Diesel-Fahrzeuge, abzuschaffen.
Weniger Zuspruch für Kürzung bei Klimaschutz und Sozialem
Weniger als jede und jeder Dritte ist im aktuellen Stimmungsbild dafür, geplante Maßnahmen zum Klimaschutz herunterzufahren. Den Vorschlag, Sozialleistungen zu kürzen, hält rund ein Viertel der Befragten für sinnvoll. Zuletzt hatten unter anderem die oppositionelle Unions-Fraktion im Bundestag, also Vertreterinnen und Vertreter von CDU und CSU, sowie Stimmen aus der mitregierenden FDP vorgeschlagen, die geplante Erhöhung des Bürgergeldes zurückzunehmen.
Diskussionsthema bei "Fakt ist!"
Über das Haushaltsloch und wie es gestopft werden könnte, wurde am Montagabend auch bei "Fakt ist" aus Dresden diskutiert. Mittendrin war unter anderem MDRfragt-Mitglied Ulrich Erler. Er empörte sich, dass die Politik es überhaupt dazu kommen ließ, dass jetzt ein 60-Milliarden-Euro-Loch klafft und fragte, wie es sein könne, dass jetzt scheinbar niemand Verantwortung übernehme.
Sachsen-Anhalts Wirtschaftsminister Sven Schulze reagierte darauf, indem er sagte, die CDU habe als Opposition etwas unternommen und habe den Haushalt vom Bundesverfassungsgericht prüfen lassen. "Und wer hat es verbockt? Am Ende ist es die Ampel, die alle Wünsche versucht hat, mit Geld zu lösen." Die Grünen-Bundestagsabgeordnete Paula Piechotta aus Leipzig entgegnete: Die Bundesverfassungsgerichts-Entscheidung treffe nicht nur den Bund, auch Bundesländer unter Führung der CDU müssten jetzt umplanen und neue Lösungen finden.
Stimmen aus der MDRfragt-Gemeinschaft
Doch wie begründen die MDRfragt-Mitglieder im aktuellen Meinungsbarometer ihre Wahl? Ronald (72) aus Leipzig gehört zu jenen, die höhere Abgaben für Vermögende für eine sinnvolle Möglichkeit halten, um den Bundeshaushalt trotz des 60-Milliarden-Euro-Lochs wieder auszugleichen. "Sonderabgabe für Reiche, die am klimaschädlichsten handeln", begründet Ronald seine Sicht.
"Es gibt viele Subventionen, die man aufgeben könnte", meint MDRfragt-Mitglied Ilka (72) aus Erfurt. Dagegen gehört Markus (61) aus Leipzig zu jenen, die auch bei den Sozialausgaben sparen würden: "Endlich bei den völlig ausufernden Sozialleistungen Kürzungen beziehungsweise Streichungen vornehmen."
Weitere Option: Schuldenbremse ändern
Als Mitte November das Bundesverfassungsgericht mit Mehrheitsvotum entschied, dass ein Plan der Bundesregierung verfassungswidrig ist, ging es zunächst nur darum, wie sich das entstandene Haushaltsloch schließen lässt. Der beanstandete Plan der Bundesregierung sah vor, nicht benötigte Kredit-Ermächtigungen aus der Zeit der Corona-Krise in Fonds für Klimaschutz und den Umbau der Wirtschaftsstruktur zu stecken.
Schuldenbremse lockern. Nützt nichts!
In den Kommentarspalten des aktuellen MDRfragt-Stimmungsbildes schlagen jedoch zahlreiche Teilnehmerinnen und Teilnehmer etwas vor, das auch die Berliner Politik derzeit hitzig diskutiert: "Schuldenbremse aussetzen und mit Notsituation begründen", formuliert Joachim (82) aus dem Landkreis Stendal, wie er das Haushaltsloch stopfen würde.
Ähnlich knapp meint Andreas (64) aus dem Vogtlandkreis: "Schuldenbremse lockern. Nützt nichts!" MDRfragt-Mitglied Falk (45) aus dem Landkreis Meißen begründet seine Haltung ausführlicher: "Aussetzen der Schuldenbremse, um dringend notwendige Investitionen zu tätigen, zum Beispiel im Schienennetz. Was nutzt es den nachfolgenden Generationen, wenn alles verrottet und heruntergekommen ist? Dann muss ebenfalls enorm viel Geld in die Hand genommen werden."
Doch die Schuldenbremse einhalten?
Doch es gibt auch strikte Gegnerinnen und Gegner der Idee, die Schuldenbremse zu lockern, ihre Regeln mit Blick auf Investitionen zu ändern oder sie ganz abzuschaffen: "Jeder Haushalt kann nur so viel Geld ausgeben, wie er einnimmt. Sonst geht er pleite. Ich würde den Bundestagsabgeordneten Förderunterricht in Mathematik verordnen", schreibt etwa Silke (57) aus dem Landkreis Zwickau.
Darüber hinaus haben die Befragten zahlreiche weitere Vorschläge gemacht, wie der Staat seine Ausgaben herunterschrauben kann. Häufig genannt: "Bundestag verkleinern, Pensionen einfrieren und alle in die Rentenversicherung einzahlen lassen", wie Andreas (69) aus dem Landkreis Leipzig gleich mehrere Maßnahmen nennt, die auf die Ausgaben für Verwaltung und Abgeordnete abzielen. Auch Carmen (58) aus dem Vogtlandkreis findet: "Diäten einfrieren, Wasserkopf in der Verwaltung abbauen." Und ebenfalls wiederholt kommt der Vorschlag auf, den auch Michael (70) aus Leipzig macht: "Kürzungen bei Ausgaben für Krieg und Aufrüstung."
Uneinigkeit beim Umgang mit Chip-Subventionen
Zu den Haushaltsplänen, die nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts erst einmal ohne Finanzierung dastehen, gehören auch die angedachten Milliarden-Subventionen für die Chip-Industrie. Unter den MDRfragt-Befragten herrscht Uneinigkeit darüber, ob die Bundesregierung alles daransetzen sollte, die zugesagten Steuergelder für die Chip-Hersteller bereitzustellen.
Etwas mehr als zwei Fünftel (47 Prozent) sind dafür oder eher dafür, an der Förderung der Chip-Fabriken festzuhalten. Mit genau zwei Fünftel sind fast ebenso viele Befragte dagegen oder eher dagegen, an den Subventionen trotz weggebrochener Finanzierungspläne festzuhalten.
Gerade Chips gelten als zentrale Bauteile und Zukunftstechnologie. Die Europäische Union will eigene Kapazitäten in diesem Feld auf- und ausbauen, um Abhängigkeiten von anderen Ländern zu verringern. Die Bundesmittel sollen die Investitionen der Chip-Unternehmen in Deutschland flankieren.
"Die Schulden müssen gemacht werden, weil Europa ansonsten in der Welt völlig abgehängt wird", argumentiert etwa Lars (50) aus dem Landkreis Zwickau für die Subventionierung der Chip-Ansiedlung. Und Erika (85) aus Dresden findet: "Eigentlich ist alles gesagt, aber die versprochenen Subventionen für Wirtschaftsstandorte (Dresden, Magdeburg, Bautzen) sollten gezahlt werden, das bringt doch wieder Geld rein."
Die Schulden müssen gemacht werden, weil Europa ansonsten in der Welt völlig abgehängt wird.
Etwas differenzierter sieht das Johannes (28) aus Jena. Er meint, die Unternehmen seien nicht auf die staatliche Unterstützung angewiesen und sollten daher auch eine geringere Subvention in Kauf nehmen. Deswegen "sollten die staatlichen Hilfen ein ganzes Stück verringert werden. Vielleicht kann man den Unternehmen anderweitig entgegenkommen als durch Geld."
Noch kritischer sieht es Bernd (72) im Vogtlandkreis, der die Milliarden-Unterstützung mit Blick auf die dem gegenüber stehenden Arbeitsplätzen infrage stellt: "Die generelle Frage ist für mich, ob sich diese Fördermittel überhaupt 'rechnen'."
Über diese Befragung
Die Befragung vom 23.11. bis 27.11.2023 stand unter der Überschrift:
Klimaschutz: unbezahlbar wichtig oder unbezahlbar teuer?
Insgesamt sind bei MDRfragt 66.190 Menschen aus Mitteldeutschland angemeldet (Stand 27.11.2023, 12:00).
24.556 Menschen aus Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen haben online an dieser Befragung teilgenommen.
Verteilung nach Altersgruppen:
16 bis 29 Jahre: 247 Teilnehmende
30 bis 49 Jahre: 3.306 Teilnehmende
50 bis 64 Jahre: 10.176 Teilnehmende
65+: 10.827 Teilnehmende
Verteilung nach Bundesländern:
Sachsen: 12.650 (51,5 Prozent)
Sachsen-Anhalt: 5.954 (24,25 Prozent)
Thüringen: 5.952 (24,24 Prozent)
Verteilung nach Geschlecht:
Weiblich: 9.852 (39,31 Prozent)
Männlich: 14.633 (59,59 Prozent)
Divers: 71 (0,29 Prozent)
Die Ergebnisse der Befragung sind nicht repräsentativ. Wir haben sie allerdings in Zusammenarbeit mit dem wissenschaftlichen Beirat nach den statistischen Merkmalen Bildung, Geschlecht und Alter gewichtet. Das heißt, dass wir die Daten der an der Befragung beteiligten MDRfragt-Mitglieder mit den Daten der mitteldeutschen Bevölkerung abgeglichen haben.
Aufgrund von Rundungen kann es vorkommen, dass die Prozentwerte bei einzelnen Fragen zusammengerechnet nicht exakt 100 ergeben.
Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | Fakt ist! Aus Dresden | 04. Dezember 2023 | 22:10 Uhr