Corona-Modelle vor dem Reichstag
Bei den Teilnehmenden von MDRfragt ist das Vertrauen in die Corona-Aufarbeitung der Politik eher gering. Bildrechte: IMAGO / Steinach

MDRfragt Kaum Vertrauen in Corona-Aufarbeitung der Politik

21. Oktober 2024, 03:00 Uhr

Mehr als ein Jahr ist es her, dass die Weltgesundheitsorganisation den Corona-Notstand für beendet erklärte. Die Rufe nach einer Aufklärung der Pandemiezeit halten in Deutschland an. Doch unter den MDRfragt-Teilnehmerinnen und -Teilnehmern glauben nur die wenigsten daran, dass das auch passiert: Mehr als 80 Prozent haben wenig bis kein Vertrauen in die Corona-Aufarbeitung der Politik. Das zeigt das aktuelle Stimmungsbild aus Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen mit mehr als 22.000 Befragten.

MDR-Redakteurin Claudia Reiser
MDR-Redakteurin Claudia Reiser Bildrechte: MDR / David Sievers

Vor Kurzem wurde klar: In dieser Legislatur wird es keine Aufarbeitung der Corona-Pandemie durch die Bundesregierung mehr geben. Obwohl die Ampel-Parteien diese geschlossen gefordert und angekündigt hatten, konnten sie sich nun auf keine Form der Auseinandersetzung einigen. Dazu passt, dass die MDRfragt-Teilnehmerinnen und -Teilnehmer grundsätzlich nur wenig Vertrauen in die Politik haben, dass diese die Corona-Zeit angemessen aufarbeiten wird: Insgesamt haben 83 Prozent so geantwortet – darunter ein Anteil von 40 Prozent, der sogar sagt, er habe gar kein Vertrauen.

Aufarbeitung Corona-Pandemie - Vertrauen in Politik
Bildrechte: Mitteldeutscher Rundfunk

Dabei ist die Aufarbeitung in den Augen Vieler wichtig – und zwar aus verschiedensten Gründen. Anja (51) aus Dessau-Roßlau meint etwa: "Wichtig ist, dass evtl. Korruptions- und Betrugsfälle aufgeklärt und entsprechend bestraft werden." Immer wieder wurden persönliche Bereicherungen im Zusammenhang mit Maskendeals genannt – für einige MDRfragt-Teilnehmer, wie Jürgen (77) aus Suhl, schlicht "amoralisch":

Schlimm empfand ich, dass es Politiker gab und gibt, die daraus ihren persönlichen finanziellen Vorteil zu nutzen verstanden (...) - und denen kein Unrecht nachzuweisen war.

Andere fordern auch eine konkrete Hinterfragung zumindest mancher damals beschlossener Maßnahmen. Der 54-jährige Heiko aus dem Landkreis Görlitz nennt etwa die "Eingriffe in die Geschäfte (Schließung von Friseuren und Textilläden), den Irrsinn mit dem eingeschränkten Bewegungsradius, Verweilverbote an der frischen Luft, geschlossene Grenzen, Impfpflicht für bestimmte Berufsgruppen". Das Thema Immunisierung bewegt auch die 70-jährige Franziska aus Chemnitz: "Ich bin genötigt worden, mich impfen zu lassen, obwohl jeder Mensch einen freien Willen hat. Das sollte bei der Aufarbeitung mit berücksichtigt werden."

Für Lars (51) aus dem Landkreis Zwickau ist es hingegen eher "der Umgang mit den Kindern", der "dringend aufgearbeitet werden" muss. Tatsächlich stehen die Schul- und Kindergartenschließungen für Viele im Mittelpunkt der Kritik. Bernd (74) aus dem Landkreis Meißen fasst es so zusammen:

Ausgefallene Familienfeiern sind verkraftbar, aber ausgefallener Schulunterricht nicht.

Auffällig ist in den Kommentaren jedoch, dass es den meisten beim Thema Aufarbeitung nicht darum geht, zurück zu schauen, sondern für die Zukunft zu lernen – wie auch Andreas (66) aus dem Erzgebirgskreis schreibt: "Ich setze einige Hoffnung hinein, dass man aus den Erfahrungen lernt und neue Schlüsse bei zukünftigen Pandemien zieht." Ebenso hält Paul (21) aus dem Landkreis Weimarer Land eine Aufarbeitung für richtig, wenn "die zum Ziel hat, dass man für die nächste Pandemie besser vorbereitet ist und nicht immer Sinne einer 'Schuldsuche' gegen Entscheidungsträger."

Doch dass genau das nicht klappt – diese Sorge haben Viele mit Blick auf Untersuchungsausschüsse, von denen nun einer etwa für Thüringen von CDU und BSW beantragt wurde. So auch Jens (49) aus dem Vogtlandkreis:

Es geht sicher nur darum „Schuldige“ zu finden. Eine Aufarbeitung im Sinne von „was kann man besser machen“ wäre zu begrüßen. Da wäre aber eine wirkliche Expertenkommission hilfreicher.

Doch Experten sind in U-Ausschüssen nicht vertreten. Sie bestehen stattdessen ausschließlich aus Parlamentariern, was auch Wolfgang (72) aus Chemnitz ein Dorn im Auge ist:

Wir brauchen keine Untersuchungsausschüsse, in denen sich Politiker nur bekeifen. Die Wissenschaftler befassen sich mit Corona und werden die richtigen Schlussfolgerungen ziehen, so sie die Politiker lassen.

Zumal "viele Entscheidungsträger" der Coronazeit gar nicht mehr "in Amt und Würden" sind, wie Günter (82) aus dem Erzgebirgskreis anmerkt. Einen Untersuchungsausschuss empfinden daher zahlreiche MDRfragt-Teilnehmerinnen und -Teilnehmer als Zeit- und Steuergeld verschwendung. Insgesamt spricht sich jedoch eine Mehrheit für Untersuchungsausschüsse wie in Thüringen aus:

 Untersuchungsausschuss  Corona
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Die 59-jährige Henriette aus Dresden spricht offenbar Vielen (das war an den Kommentaren zu erkennen) aus der Seele, wenn sie schreibt:

Sicherlich wurden Fehler gemacht, aber nicht mit Absicht. Meines Erachtens muss eine Aufarbeitung darin bestehen, die Menschen erneut aufzuklären, dass niemand absichtlich Fehler gemacht hat, die Situation völlig neu, und die Bevölkerung zu schützen war.


Über diese Befragung Die Befragung vom 10. bis 14. Oktober 2024 lief unter der Überschrift: "Infrastruktur und Wirtschaft – steckt Deutschland in der Krise?"

Bei MDRfragt können sich alle anmelden und beteiligen, die mindestens 16 Jahre alt sind und in Sachsen, Sachsen-Anhalt oder Thüringen wohnen, denn: Wir wollen die Vielfalt der Argumente kennenlernen und abbilden. Die Kommentare der Befragten erlauben, die Gründe für die jeweiligen Positionen und das Meinungsspektrum sichtbar zu machen.

Da sich jede und jeder beteiligen kann, der möchte, sind die Ergebnisse von MDRfragt nicht repräsentativ. Bei dieser Befragung haben sich 22.458 Menschen aus Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen online mit ihrer Meinung eingebracht.

Die Ergebnisse von MDRfragt werden nach wissenschaftlichen Kriterien anhand verschiedener soziodemografischer Merkmale wie Alter, Geschlecht oder Bildungsgrad gewichtet, um sie an die tatsächliche Verteilung in der mitteldeutschen Bevölkerung anzupassen. Damit wird die Aussagekraft der Ergebnisse erhöht und es ergibt sich ein valides und einordnendes Stimmungsbild aus Mitteldeutschland.

MDRfragt wird zudem wissenschaftlich beraten und begleitet, beispielsweise durch regelmäßige Validitätstests. Mehr zur Methodik von MDRfragt finden Sie am Ende des Artikels.

Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | Fakt Ist! Aus Erfurt | 21. Oktober 2024 | 22:10 Uhr