ein Arzt im Patientengespräch
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MDRfragt - Das Meinungsbarometer für Mitteldeutschland MDRfragt: Deutliche Mehrheit für Einführung der Bürgerversicherung

30. August 2021, 05:00 Uhr

Im Vorfeld der Bundestagswahl wollte MDRfragt wissen: "Wahlen für Deutschland: Worauf kommt es wirklich an?" Gesundheit ist das Thema, das die meisten der Befragungsteilnehmer als wahlentscheidend angegeben haben. Die deutliche Mehrheit findet das duale Krankenversicherungs-System ungerecht und wünscht sich die Bürgerversicherung, so ein weiteres Kernergebnis der Befragung. Knapp 24.000 Menschen aus Mitteldeutschland haben sich daran beteiligt.

Das Politikfeld, das die meisten MDRfragt-Mitglieder am wichtigsten für die Wahlentscheidung ansehen, ist das Thema Gesundheit (65 %). Eine besondere Rolle dürfte dabei die Corona-Krise einnehmen. Denn auf die Frage, welches Thema den Teilnehmern vor der Wahl am wichtigsten ist, ist "Corona" unter den am häufigsten genannten das herausstechende:

Neben dem Themenbereich Gesundheit sind auch die Themen Klima (59 %), Bildung (58 %), Renten (58 %), Innere Sicherheit (57 %) und Wirtschaft (52 %) für die Mehrheit wahlentscheidend.

Je nach Altersgruppe unterscheiden sich die wichtigsten Themenbereiche. Hier eine Übersicht über die drei wichtigsten für jede Altersgruppe:

Wichtigste Themenbereiche für die Wahlentscheidung
Altersgruppe      
16-29 Jahre Klima (71 %) Bildung (62%) Gesundheit (61%)
30-49 Jahre Gesundheit (60%) Bildung (59%) Klima (57%)
50-64 Jahre Renten (65%) Gesundheit (65%) Innere Sicherheit (62%)
65+ Jahre Innere Sicherheit (72%) Gesundheit 70% Renten (63%)

Drei Viertel finden duales Krankenversicherungs-System ungerecht

75 Prozent der MDRfragt-Mitglieder, die sich an der Befragung beteiligt haben, finden das derzeitige duale Krankenversicherungs-System, bestehend aus privater und gesetzlicher Versicherung, ungerecht. Lediglich 19 Prozent finden es gerecht.

Mehr Kassenpatienten finden System ungerecht

89 Prozent der Teilnehmerinnen und Teilnehmer unserer Befragung sind nach eigenen Angaben gesetzlich krankenversichert, 9 Prozent privat. Bei den Versicherten gibt es deutliche Unterschiede bei der Beantwortung der Frage. Der Anteil derjenigen, die das System ungerecht finden, ist mit 76 Prozent bei den Kassenpatienten deutlich höher als bei den Privatpatienten (58 %).

Bundestagswahl: Wünsche der MDRfragt-Mitglieder

Große Mehrheit für Bürgerversicherung

Als Alternative zum derzeitigen dualen Krankenversicherungs-System wird die Einführung einer "Bürgerversicherung" diskutiert, in die alle Bürgerinnen und Bürger einzahlen und die gleichen Leistungen erhalten würden. Die große Mehrheit (79 %) würde das befürworten. Dagegen sind 13 Prozent.

Auch hier gibt es Unterschiede zwischen den Versicherten: Der Anteil der Befürworter einer Bürgerversicherung ist bei den Kassenpatienten deutlich höher (81 %) als bei den Privatpatienten (65 %).

Einige MDRfragt-Mitglieder haben uns ihre Meinung dazu in Kommentaren näher erläutert:

Es wäre gut, wenn ALLE Bürger in EINE Versicherung einzahlen. Inklusive Beamte und Politiker, Rechtsanwälte und Ärzte usw.

47-jähriger Teilnehmer aus Chemnitz

Eine Krankenversicherung für alle fände ich sehr gut. Wer über diese Versorgung hinaus seine Leistungen aufstocken möchte, könnte dies über eine private Zusatzversicherung machen.

49-jährige Teilnehmerin aus dem Landkreis Anhalt-Bitterfeld

Eine Bürgerversicherung würde ein staatliches Monopol einer Krankenkasse bedeuten. Die Kosten könnten beliebig angesetzt werden und es gäbe keine Alternative. Außerdem würden Ärzte für den Staat arbeiten, womit auch medizinischer Fortschritt eingeschränkt werden würde.

18-jährige Teilnehmerin aus Jena

Für die Solidarität ja. Aber Privatpatienten bezahlen das zwei- bis dreifache für die gleiche Leistung. Erst darüber kann ein Spezialist seine moderne Technik finanzieren, nicht mit den Geldern der GKV. Das kommt dann wieder allen zugute.

18-jährige Teilnehmerin aus Jena

Nachteile für Kassenpatienten: Erfahrungen sind geteilt

Wir haben die Kassenpatienten danach gefragt, ob sie sich aufgrund ihres Versicherungsstatus‘ schon einmal benachteiligt gefühlt haben. Die Anteile derer, die sich schon benachteiligt gefühlt haben und die, die dem nicht zustimmen, sind nahezu gleich (50 % und 48 %).

Hier einige Erfahrungsberichte von Kassenpatienten:

Keinen Termin beim Facharzt bekommen. In der Notfallaufnahme einer Klinik stundenlang mit Verletzung und Schmerzen gewartet, während Privatpatienten mit kleinen Wehwehchen sofort drankamen.

43-jährige Teilnehmerin aus Leipzig

Ich war als Student privat versichert und bekam alle Untersuchungen kostenlos und sofort Termine. Gleicher Arzt, drei Monate später, ich bin gesetzlich versichert. Alles selber bezahlen, Spezial- Untersuchung nicht mehr im Programm.

43-jährige Teilnehmerin aus Weimar

Kann hier genau den Vergleich ziehen, weil mein Ehemann privat versichert ist. Bei einer ernsthaften Erkrankung wird er besser versorgt als ich und kommt auch beim Facharzt eher zu einem Termin. Die Unterscheidung in privat und gesetzlich versichert halte ich grundsätzlich nicht für zeitgemäß!

63-jährige Teilnehmerin aus Greiz

Mein Mann war viele Jahre privat versichert, ich konnte keinen wesentlichen Unterschied feststellen. Nur, dass aus meiner Sicht viele kostenintensive Behandlungen durchgeführt wurden, die nicht zwingend notwendig waren!

65-jährige Teilnehmerin aus Leipzig

Mehrheit der Privatpatienten kann keine Bevorteilung feststellen

Außerdem wollten wir von den Privatpatienten wissen, ob sie schon einmal das Gefühl hatten, Vorteile zu erhalten, beispielsweise bei der Terminvereinbarung oder bei medizinischen Leistungen. Der Anteil der Privatpatienten, die nach eigenen Angaben bislang keine Bevorteilung erlebt haben, überwiegt (55 %). 40 Prozent geben an, dass sie bereits vom Privatpatienten-Status profitiert haben.

Auch hier haben uns einige Erfahrungsberichte erreicht:

Ich warte beim Hausarzt ebenso lange wie jeder andere Patient. Lediglich beim Facharzttermin geht es etwas schneller.

69-jähriger Teilnehmer aus dem Kreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge

Sobald man als Privatpatient erkannt wird, beginnt der Versuch, einem alle möglichen fragwürdigen Leistungen aufzuschwatzen. Bei einem Krankenhausaufenthalt wurde meine ebenfalls privatversicherte Frau überredet, das Wochenende über im Krankenhaus zu bleiben, obwohl keinerlei Betreuung erfolgte.

70-jähriger Teilnehmer aus Halle

Diese Vorteile werden durch höhere Beitragszahlungen erkauft. Zudem helfen die privat Versicherten mit den höheren Rechnungen für erbrachte Leistungen unser Gesundheitssystem für alle weiterhin zu garantieren. Alternativ müssten die Beiträge für gesetzlich Versicherte erhöht oder Leistungen eingeschränkt werden.

58-jähriger Teilnehmer aus Dresden

Ich bin oft mit negativen Blicken konfrontiert, indirekt bekomme ich zu verstehen "Du bist auch nichts Besseres". Bei den Ärzten selber habe ich keine Unterschiede festmachen können.

39-jährige Teilnehmerin aus Halle

Fast jeder für Pharmaproduktion in Deutschland oder Europa

Als eine Lehre der Corona-Pandemie fordern einige Politiker, dass Deutschland und Europa wieder die"Apotheke der Welt" werden sollten. Fast alle, die sich an der Befragung beteiligt haben, befürworten, dass wieder mehr Arzneimittel und Medizinprodukte in Deutschland oder Europa hergestellt werden (96 %). So würden 52 Prozent eine Produktion direkt in Deutschland bevorzugen, 44 Prozent generell in der EU.

Zwei Drittel würden mehr Geld ausgeben für Arzneimittel von hier

Die Produktion hierher zu verlagern könnte auch bedeuten, dass Mehrkosten entstehen und beispielsweise Zuzahlungen für Arzneimittel erfolgen oder Krankenkassenbeiträge erhöht werden müssten. Mehr als zwei Drittel (67 %) sind bereit, mehr zu zahlen für Arzneimittel oder Medizinprodukte aus Deutschland oder Europa. Für 30 % kommt das jedoch nicht in Frage.

Über diese Befragung Die Befragung vom 28.07.- 04.08.2021 stand unter der Überschrift:
Wahlen für Deutschland: Worauf kommt es wirklich an?

Insgesamt waren zum Befragungszeitpunkt 46.943 Menschen aus Mitteldeutschland bei MDRfragt angemeldet (Stand 04.08.2021, 15.00 Uhr).

23.916 Menschen aus Mitteldeutschland haben online an dieser Befragung teilgenommen.

Verteilung nach Altersgruppen:
16 bis 29 Jahre: 466 Teilnehmende
30 bis 49 Jahre: 4.096 Teilnehmende
50 bis 64 Jahre: 9.913 Teilnehmende
65+: 9.441 Teilnehmende

Verteilung nach Bundesländern:
Sachsen: 12.344 (51 Prozent)
Sachsen-Anhalt: 5.845 (25 Prozent)
Thüringen: 5.727 (24 Prozent)

Verteilung nach Geschlecht:
Männlich: 56 Prozent
Weiblich: 44 Prozent

Die Befragungen sind nicht repräsentativ, aber sie werden nach statistischen Merkmalen wie Geschlecht, Bildung und Alter gewichtet. Die Gewichtung ist eine Methode aus der Wissenschaft bei der es darum geht, die Befragungsergebnisse an die real existierenden Bedingungen anzupassen. Konkret heißt das, dass wir die Daten der Befragungsteilnehmer mit den statistischen Daten der mitteldeutschen Bevölkerung abgleichen.

Wenn also beispielsweise mehr Männer als Frauen abstimmen, werden die Antworten der Männer weniger stark, die Antworten der Frauen stärker gewichtet. Die Antworten verteilen sich dann am Ende so, wie es der tatsächlichen Verteilung von Männern und Frauen in der Bevölkerung Mitteldeutschlands entspricht.

Dabei unterstützt ein wissenschaftlicher Beirat das Team von "MDRfragt". Mit dem MDR Meinungsbarometer soll ein möglichst breites Stimmungsbild der Menschen in Mitteldeutschland eingefangen werden – mit möglichst vielen Teilnehmenden.

Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR Aktuell | 30. August 2021 | 21:45 Uhr