Interview mit Joachim Trebbe "Das Programm ist im Moment nicht das, wo man Geld sparen kann"
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07. Juni 2023, 13:38 Uhr
Im Interview mit MEDIEN360G spricht Prof. Dr. Joachim Trebbe vom Institut für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft der Freien Universität Berlin, wie eine Reform der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten in seinen Augen funktionieren könnte. Als Kommunikationswissenschaftler und ausgemachter Experten in Sachen Medienanalyse blickt er dabei insbesondere aus analytischer Sicht auf Möglichkeiten einer Reformgestaltung und betrachtet die Dinge vom gegenwärtigen Stand aus.
MEDIEN360G: Lieber Prof. Trebbe, vielleicht fangen wir mal ganz vorne an. Sie haben schon Mitte der 2010er-Jahre die Programmstruktur der Dritten TV-Programme erforscht. Zentrale Erkenntnis damals: Der 24 Stunden Sendebetrieb kann eigentlich nur aufrechterhalten werden, indem jede Menge Wiederholung ausgestrahlt werden. Was war denn Ihr erster Gedanke, als Sie Ende 2022 die Aussagen von ARD-Chef Kai Gniffke gehört haben, dass es ein gemeinsames Mantelprogramm der Dritten geben sollte?
Prof. Dr. Joachim Trebbe: Ja, das war sehr interessant, weil ich habe, nachdem eine dieser Studien rausgekommen ist, in den 2010er Jahren, einen Auftritt im Südwestrundfunk gehabt. Weil eines der Programme, das wir uns angeschaut haben, der Südwestrundfunk war. Da habe ich genau über dieses Problem gesprochen: Dass man eigentlich über ein Mantelprogramm nachdenken müsste, wenn man sich anschaut, wie die Schienen der regionalen Berichterstattung eigentlich in den Dritten Programmen verteilt sind.
MEDIEN360G: Wir reden davon ungefähr 2017. Ist dann viel Zeit verloren gegangen?
Prof. Dr. Joachim Trebbe: Ich weiß nicht. Ich glaube, es braucht natürlich auch Zeit, um so eine Diskussion zu führen. Unsere erste Studie war schon 2013 dazu. Wir konnten immer nur zwei Programme analysieren. Ich war mir damals schon klar, dass es nicht so schnell gehen würde. Jetzt sieht man, dass der ökonomische Druck doch enorm wird.
MEDIEN360G: Wie interpretieren Sie denn das, was Kai Gniffke da sagt? Reden wir von dann einem notwendigen Dritten Programm, das ein einziges Drittes Mantelprogramm erstellt? Oder reden wir von mehreren Zusammenschlüssen mehrerer Rundfunkanstalten?
Prof. Dr. Joachim Trebbe: Ich glaube, da muss man die Zeitachse ein bisschen betrachten. Wenn man von heute auf morgen eine Landesrundfunkanstalt einrichten würde. Das wäre eine Revolution. Es wäre nicht möglich, auch mit dem ganzen Verwaltungsaufwand, der dahintersteht. Aber wenn man so einen Prozess sieht, vielleicht über die nächsten zehn oder 15 Jahre, dann ist, glaube ich, eine mögliche Zielgröße zu sagen: Okay, wir versuchen vielleicht mal, bei Landesrundfunkanstalten, die sich nahe sind - ob nun inhaltlich oder geografisch oder von der Struktur her - anzufangen, über Fusionen nachzudenken. Erst beim Programm, dann vielleicht bei der Institution. Das könnte schon eine Zielstellung sein. Allerdings nicht morgen und auch nicht in der nächsten Gebührenperiode.
MEDIEN360G: Es gab ja mal ARD 2. Es ist vermutlich den wenigsten Deutschen überhaupt noch bewusst, dass es mal so eine Art Unterkanal gab. Man hat das damals genutzt, um Dinge, die in der ARD nicht ausgestrahlt werden konnten, dort zu platzieren. Klingt das für Sie so ein bisschen nach einer Renaissance, nach einer Reformation, vielleicht nach einem nach einem Comeback von ARD 2?
Prof. Dr. Joachim Trebbe: Ich würde vielleicht in der Historie einen Schritt weitergehen. ARD 2: Man muss sehen, dass das natürlich alles terrestrisch ausgestrahlt wurde. Damals, die Kooperation zwischen NDR und WDR, NWDR, ist eigentlich etwas, was jetzt wieder aktueller wird. Weil man natürlich diese regionale Perspektive, jedenfalls das, was mich forscherisch beschäftigt hat, nicht aus dem Auge verlieren darf. Ich glaube, Zweitverwertungskanäle haben wir in der ARD und im ZDF im Moment genug, sondern es müsste schon darum gehen, diese regionale Perspektive auch aufrechtzuerhalten.
MEDIEN360G: Da sprechen wir natürlich im Detail gleich noch mal drüber. Vorher noch mal ganz kurz auf das abgezielt, was Sie da erforscht haben. Was waren denn die wesentlichen Erkenntnisse, als Sie sich die Programmstrukturen der Dritten angeschaut haben?
Prof. Dr. Joachim Trebbe: Das ist natürlich immer eine schwierige Rolle für mich, das jetzt in kurzen Worten zusammenfassen. Wir haben uns immer ein halbes Jahr mit zwei Dritten Programmen beschäftigt. Uns interessierte eigentlich: Wie sieht der normale durchschnittliche 24-Stunden-Tag aus? Das ist eine Perspektive zwischen dem Nutzer – niemand guckt 24 Stunden – und deren Produzenten. Was wird eigentlich geleistet in 24 Stunden an einem normalen Tag? Bei dem Blick in die Programmzeitschriften hat man ja schon gesehen: Die Regionalberichterstattung ist der Kern des Programms. Der liegt in der Primetime, aber er ist quantitativ, also rein umfangmäßig, nicht besonders wichtig, nicht besonders groß. Das haben wir dann eigentlich auch festgestellt: Dass die Regionalmagazine, die regionalen Themen, die Regionalberichterstattung, eigentlich in einem vierstündigen, manchmal nur dreistündigen Korridor gesendet wird. Zwischen 18 und 22 Uhr, in heutigen Zeiten ist es ein bisschen früher. Und: Dass das im Verhältnis zu dem, was sonst im Programm ausgestrahlt wird, in den restlichen 24 Stunden, relativ gering ist. Das Zweite, was uns überrascht hat, war, dass es doch relativ große Wiederholungs-Quoten gibt. Außerhalb dieser Primetime für die Regionalberichterstattung sind viele der Inhalte, die gezeigt werden, eigentlich Wiederholung der Programme, die in den Dritten Programmen schon mal gezeigt wurden - entweder aus der ARD kamen oder auch fiktionale Programme sind. Ich rede dann immer so von dem Tatort der Kreisläufe durch die Dritten Programme.
MEDIEN360G: Was sagt das denn aus über diese Dritten Programme, die ja eigentlich als originären Auftrag haben, Regionalität abzubilden?
Prof. Dr. Joachim Trebbe: Das war so ein bisschen der Ausgangspunkt unserer Studie, zu gucken: Ihr habt den Auftrag, regionale Berichterstattung, regionale Themen zu featuren in unserem Programm. Inwieweit operationalisiert ihr das eigentlich? Wie kommt ihr diesem Auftrag nach? Unsere Frage war eher nicht das Ob, sondern das Wie. Das war sehr interessant, weil wir uns für die regionale Berichterstattung an der Stelle interessiert haben. Aber wir waren überrascht, dass so große Teile des Programms einfach durch fiktionale Programme, also mit Fiktion meine ich Krimis, Serien, erzählte Geschichten, gestaltet werden. Damit hat er eigentlich nicht gerechnet.
MEDIEN360G: Dieser 24-Stunden-Sendebetrieb ist in der vordigitalen Zeit entstanden. Warum war das damals vielleicht sinnvoll und notwendig?
Prof. Dr. Joachim Trebbe: Ich kann mich in meiner Jugend noch daran erinnern: Da gab es drei Programme ARD, ZDF und das Dritte. Ich bin im Senderaum des NDR groß geworden, und da war das Programm spätestens um 24 Uhr zu Ende, in den Dritten noch früher. Dann kamen andere Programme dazu, die natürlich versucht haben, in Lücken vorzustoßen, wo noch kein Angebot war. Das hat dann die Öffentlich-Rechtlichen irgendwann auch unter den Druck gesetzt, ebenfalls ein 24-stündiges Programm anzubieten, um konkurrenzfähig zu sein. Sendematerial war ja genug da, die Öffentlich-Rechtlichen produzieren ja jede Menge in der Zeit. Aber man hat dann eben auch gesehen, dass sich die Sehgewohnheiten ein bisschen verändert haben. Die Leute haben wirklich länger vor den Fernsehprogrammen gesessen. Als die Privaten dann Mitte der 80er-Jahre dazu kam, waren 24-Stunden-Programme eigentlich Usus, was den deutschen Fernsehmarkt betraf. Die Verbreitungswege haben sich verändert. Aufzeichnungsmöglichkeiten haben sich verändert, sodass man dann auch irgendwann gesagt hat: Okay, wir haben genug Ressourcen. Das ist für uns auch ein Stück Programmbindung – jederzeit den Fernseher anstellen zu können und zu sagen: Okay, da läuft was im Dritten Programm, im ersten Programm, im zweiten Programm.
MEDIEN360G: Also wenn ich das vielleicht mal noch mal hinterfragen darf, weil das ja interessant ist, was Sie auch davor gesagt haben: Wenn wir jetzt mal so ein Programm ausdünnen würden: Was bliebe denn übrig, wenn eine Landesrundfunkanstalt, wenn ein Drittes TV-Programm, nur noch regionale Produkte ausstrahlen würde?
Prof. Dr. Joachim Trebbe: Ja, da muss ich vielleicht einen kurzen Satz noch im Hinblick auf das regionale Programm vorausschicken. Was versteht man eigentlich genau darunter, wenn man so den engsten Kern nehmen würde? Also wenn man wirklich erwartet, dass, wenn man zum Beispiel den MDR oder den WDR schaut, dass man dort erwartet, dass es in irgendeiner Form um die Länder des MDR geht, also Sachsen, Sachsen-Anhalt, dann würde ich sagen: Okay, dann wird es eng. Dann hat man vielleicht jede zehnte Sendeminute, die sich wirklich auf diesen Kern bezieht. Aber es gibt natürlich so Grenzfelder. Zum Beispiel stellen Sie sich eine Arztserie vor, die in Leipzig spielt. Da wird natürlich so eine Art von Kolorit vermittelt. Das heißt, da gibt es auch Übergangsbereiche. Aber wir sind auf jeden Fall unterhalb der Hälfte des Gesamtprogramms, wenn es darum geht, wieviel Bezüge auf das Bundesland, das Sendegebiet es überhaupt gibt. Und in diesem harten Kern, wie gesagt, das ist vielleicht so wie jede zehnte Sendeminuten, da gibt es große Unterschiede zwischen den Programmen. Der WDR zum Beispiel ist sehr sublokal unterwegs. Die machen zum Teil Studio-Angebote für kleine Städte, kleinere Sendegebiete. Aber im Prinzip muss man schon sagen, dass man da deutlich unter der Hälfte des Programms liegt.
MEDIEN360G: Hat es denn in der vor-digitalen Zeit Sinn gemacht, dieses 24 Stundenformat anzubieten, einfach weil man Sachen senden konnte, die sonst vielleicht in irgendeinem Archivschrank verschwunden wären?
Prof. Dr. Joachim Trebbe: Also es hat Sinn gemacht bestimmte Programme auf bestimmten Ausspielkanälen nochmal zur Verfügung zu stellen. Als man noch keine Mediatheken hatte, konnte man zum Beispiel im WDR der Regionalberichterstattung folgen und dann hinten um elf Uhr, zwölf Uhr nochmal die Regionalmagazine der anderen Dritten Programme sehen oder auch die Wiederholung der Tagesthemen oder der Tagesschau. Es heißt, es war schon so ein an die Zeit gebundener Sendepuffer, den man da hatte. Abgesehen von den ganzen fiktionalen Angeboten, die dann auch mal abgespielt wurden. Das heißt, man hat schon so eine Quelle gehabt, um auch das Fenster für die anderen Angebote der ARD zu öffnen.
MEDIEN360G: Jetzt leben ja wir aber nicht mehr in einer vor-digitalen Zeit. Wir leben in einer digitalen Zeit mit vielen Möglichkeiten, mit Mediatheken, mit der Möglichkeit, Dinge On-Demand zu nutzen. Welcher Unterschied ergibt sich denn daraus – und auch vor dem Hintergrund dessen, über was wir eben gesprochen haben, mit Blick auf die Sinnhaftigkeit von 24 Stunden-Programmen?
Prof. Dr. Joachim Trebbe: Ja, also die Sinnhaftigkeit muss man vielleicht von der inhaltlichen Befüllung der Dritten Programme oder der 24-Stunden-Programme noch mal trennen. Also vielleicht ist es sinnvoll, 24 Stunden lineares Programm anzubieten, um Leuten, die keine individuelle Entscheidung über die Inhalte treffen wollen, einfach ein Angebot zu machen. Die andere Frage ist: Müssen das Inhalte sein, die in Mediatheken eigentlich zu jederzeit verfügbar sind? Und braucht man dafür mehr als fünf oder sechs unterschiedliche Kanäle? Da muss man vielleicht noch mal einen Schritt zurückgehen und sagen: Zur Zeit der terrestrischen Fernsehprogramme war es ja so, dass man den NDR auch wirklich nur im Sendegebiet des NDR empfangen konnte. Heute ist es so, dass alle Dritten Programme in jedem Bundesland empfangbar sind. Das heißt, wenn am Montag der hessische Tatort im MDR ausgestrahlt wird, macht es keinen Sinn, den hessischen Tatort am Dienstag im WDR auszustrahlen und ihn gleichzeitig in der ARD Mediathek vorzuhalten. Das ist eine Verschwendung von Sendezeit, von Lebenszeit, weil natürlich jeder dann jeden Tag immer wieder den gleichen Tatort angucken kann, obwohl er zentral auch auf einer Plattform verfügbar ist. Am Ende heißt es 24 Stunden – okay – aber nicht 24 Stunden mal fünf – die gleichen fiktionalen Inhalte.
MEDIEN360G: Machen die On-Demand-Möglichkeiten und die Mediatheken den linearen Betrieb ein Stück weit obsolet, zumindest was die fiktionale Inhaltsbestückung angeht?
Prof. Dr. Joachim Trebbe: Also zumindest, was die fiktionale Inhaltsbestückung durch Wiederholungen betrifft. Wiederholungen machen an der Stelle, an der ich das in Mediatheken habe, auf die auch eine erkleckliche Zahl des Publikums Zugriff hat – muss man vielleicht noch einmal berücksichtigen –, keinen Sinn mehr, weil eine Wiederholung eigentlich ein vorgespielter Mediatheken-Inhalt ist. Und da muss man sich schon fragen: Brauchen wir das an der Stelle? Wie gesagt, man muss noch mal betrachten, dass es natürlich immer Leute gibt, die noch nicht so firm sind mit den Mediatheken. Aber im Prinzip muss man sagen, etwas aus einer Konserve wieder live auszustrahlen macht vielleicht auf einem Kanal Sinn, aber nicht auf drei Kanälen oder vier.
MEDIEN360G: Es gibt ja immer ein Gegenargument: Mediatheken haben nur einen sehr kleinen sichtbaren Bereich, der Rest droht da auch im schieren Angebot einer großen Mediathek unterzugehen. Was entgegnen Sie dem?
Prof. Dr. Joachim Trebbe: Das stimmt. Das ist reformbedürftig. Die Benutzungsoberfläche, die Plattform-User-Führung der Mediatheken, wie wir sie im Moment haben, ist nicht besonders benutzerfreundlich. Das ist aber kein ARD-Problem, das ist bei Netflix auch so. Auf der anderen Seite muss man schon sagen, dass sich das Mediennutzungsverhalten auch einfach ändert. Die Leute lernen mit diesen Plattformen, mit den Konservenspeichern, umzugehen und ihre Inhalte zu finden, über Favoritenlisten. Außerdem spielen da natürlich künstliche Intelligenz und Vorschlagsalgorithmen eine Rolle. Das heißt, irgendwann lernen diese Algorithmen natürlich das, was ich suche. Aber da sind wir auch digital noch nicht auf dem neuesten Stand, glaube ich, da muss man investieren.
MEDIEN360G: Ich frage Sie das jetzt mal außer der Reihe, obwohl es nicht ganz ihr Beritt ist, aber Sie natürlich qua Profession da wahrscheinlich ein Einblick haben: Es wird ja immer über so eine öffentlich-rechtliche Drittplattformen gesprochen, die sich die Rundfunkkommission der Länder wünscht und die ja gemeinhin auch schon mehrfach Bestandteil einer Diskussion war. Gleichzeitig erleben wir starke Drittplattformen wie YouTube und Co. Für wie vielversprechend halten Sie denn die Umsetzung einer öffentlich-rechtlichen Drittplattform, die sich ja auch am Markt erstmal etablieren müsste und akzeptiert werden müsste?
Prof. Dr. Joachim Trebbe: Ja, also, das ist natürlich ein Konzentrations-Argument, weil man natürlich dann eine Redaktion hat oder diese Redaktion zumindest koordinieren muss und man natürlich auch ein Stück Vielfalt verliert, wenn man auf diese Mediatheken mit unterschiedlichen Urheberschaften verzichtet. Man kann natürlich dann am Ende sagen: Okay, jeder bekommt seinen Teilbereich in dieser Mediathek. – Und man sieht, dass an der ARD-Mediathek relativ gut auch, das trotzdem noch Profilbildung stattfindet. Also, dass man sieht, dass es einen Teil des WDR, des MDR in diesen Mediatheken gibt. So ähnlich wird das wahrscheinlich laufen müssen. Ich glaube, das ist auch eher so ein langfristiges Projekt, wie sich so Nutzerverhalten dann anlehnt an solche Mediatheken-Angebote. Ich glaube von heute auf morgen wäre das kein gutes Projekt mit ZDFneo und ARTE und den ganzen ARD-Programmen in eine Mediathek zu gehen, weil diese Diversität die Nutzer auch überfordern würde. Aber On-The-Long-Run wird es natürlich schon nützlich sein, zu sagen: Ja, es gibt so etwas wie ein YouTube für den öffentlich-rechtlichen Bereich. Wenn man eine intelligente Nutzeransprache und einen Zugriff hat, der den Zugriff auch profiliert erlaubt, auf diese Inhalte.
MEDIEN360G: Halten Sie das vor dem Hintergrund der Akzeleration dieser Informationsübermittlungen noch für etablierbar? Also, dass man jetzt auf einen Zug aufspringt, der ja eigentlich schon seit zehn Jahren fährt.
Prof. Dr. Joachim Trebbe: Also, ich glaube, dass es etablierbar ist, einfach durch die Masse der Inhalte, die bei den öffentlich-rechtlichen Programmen zur Verfügung steht. Also wir müssen sehen, wir haben schon eine Krise bei den aktuellen Produktionen, dann gibt es ökonomische Einschränkungen, oder so. Aber, es setzt sich jetzt ja gerade durch, dass auch Inhalte, die einen historischen Wert haben, wo ARD-Anstalten sehr viel Geld, Gebührengeld investiert haben, zugriffbar gemacht werden müssen, können, dürfen. Und das ist, glaube ich, ein großer Punkt, ein großes Pfund, was diese Anstalten haben. Die Geschichte von YouTube beginnt vor zehn Jahren vielleicht vor 15. Die Geschichte der ARD beginnt in den 50er-Jahren des letzten Jahrhunderts. Was ist da alles vorhanden, an zeithistorischem Material?
MEDIEN360G: Ich will nochmal zurückkommen auf ihre Analysen zu den Programmstrukturen, weil das ja eben auch ein spannendes Thema ist. Man muss da ja auch noch mal unterscheiden: Es gibt Ein-Länder-Anstalten, zum Beispiel den SR, WDR, HR, BR. Das sind also Anstalten, die im Grunde nur ein einziges Bundesland als Heimat haben. Es gibt diese berühmten Mehr-Länder-Anstalten. Der MDR gehört dazu, der NDR – auch in seiner Spezifikation noch mal interessant, weil er eben Ost und West vereint – und auf der anderen Seite auch der SWR, der für Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz sendet. Inwiefern unterscheiden sich denn in ihren Programmanalysen, mit Blick auf Wiederholung und Verteilung der Inhalte, Ein-Länder- und Mehr-Länder-Anstalten?
Prof. Dr. Joachim Trebbe: Ja, das ist ein großes Problem, weil die Struktur wirklich kompliziert ist. Die hängt nämlich auch mit der Größe der Sendegebiete zusammen. Und mit der Höhe der Sendegebiete steigen natürlich auch die Gebühren, über die die Programme verfügen. Wenn man sich zum Beispiel mal den Bayerischen Rundfunk oder den Hessischen Rundfunk anguckt, da wohnen eine Menge Leute. Das sind Ein-Länder-Anstalten, die haben ein hohes Gebühreneinkommen, die können viel produzieren mit ihren Inhalten. Man sieht eigentlich ganz gut: Dadurch, dass keine Mehr-Länder-Struktur da ist, steigen dort die regionalen Bezüge, wenn man den regionalen Bezug als Bezug auf das Bundesland versteht. Wenn man jetzt zum Beispiel eine Anstalt wie den Südwestrundfunk anguckt oder auch den MDR oder den NDR, dann sieht man, dass dort ein Fokussierungs-Problem ist. Das heißt, wenn man das aus der Perspektive, zum Beispiel der Niedersachsen betrachtet, oder der Menschen, die in Sachsen-Anhalt wohnen, dann sieht man, dass die durch die Bearbeitung der Mehr-Länder etwas zu kurz kommen im Hinblick auf ihr Bundesland. Da muss man dann sagen: Okay, der MDR bearbeitet eine große Region, und wenn man großzügig ist und sagt, Regionalbezug heißt irgendeinen Bezug in diesem Bereich – auch wenn es vielleicht für den Ostsachsen nicht so interessant ist, was in West-Sachsen-Anhalt passiert –, dann hat man ungefähr einen vergleichbaren Aufwand. Wenn man aber sagt: Mich interessiert: Kann der Mensch in Bayern genauso viel regionale Inhalte sehen, wie der Mensch in Sachsen? – Muss man sagen: Nein. Der MDR zahlt was dafür, dass er Sachsen-Anhalt auch noch mitbearbeitet. Das ist komplizierter, als ich das jetzt in der Kürze darstellen kann, aber es hat einen Impact, dass der NDR, der MDR drei, vier Bundesländer, Stadtstaaten mitbearbeiten müssen und wollen. Und muss man sich eben die Frage stellen, wenn wir den RBB zum Beispiel angucken: Ist es für die Leute in Brandenburg interessant, nach Berlin zu gucken? Und ist es für die Berliner interessant, in die Uckermark zu gucken? Kann man sagen: Ja. Aber das ist sicher was anderes, als wenn man in Hessen sitzt und über Hessen informiert wird.
MEDIEN360G: Aber das, was Sie jetzt sagen, wenn ich das übersetze, bedeutet ja: Je fusionierter man in Zukunft arbeitet, desto weniger individuelle Regionalität entsteht. – Ist das eine Gefahr, die Sie sehen?
Prof. Dr. Joachim Trebbe: Also jedenfalls nicht ohne Auseinander-Schaltungen. Wir haben ja Programme bei den Dritten Programmen, wo wirklich das gemeinsame Programm – der RBB zum Beispiel macht im Prinzip ein 24-Stunden-Programm für beide Bundesländer –, wo dann tatsächlich die Programme für die abendliche Nachrichtensendung auseinandergeschaltet werden. Und das ist natürlich die Lösung. – Technisch überhaupt kein Problem, das man sagt: Okay, sobald es regional wird, muss man auch unter die Ebene des gemeinsamen Sendegebiets gehen. Das heißt, die Abendschau muss in Berlin für Berlin was machen oder auch nach Brandenburg gucken, wenn es für die Berliner interessant ist. Und Brandenburg aktuell muss nach Berlin gucken, wenn es für die Brandenburger interessant ist. Aber man schmeißt nicht alles einfach direkt in einen Topf. Und da sind natürlich Möglichkeiten, Ressourcen einzusparen.
MEDIEN360G: Das ist natürlich hochspannend, was Sie da jetzt sagen. Weil, wenn ich das jetzt auf den MDR projiziere, da gibt es die Ländermagazine, da gibt es aber auch MDR Aktuell beispielsweise. Das heißt also, man müsste ja mehrfach splitten. Ist das etwas, was Sie dann auch unter die Kategorie "kann weg" packen würden? Dass man, wenn es schon Ländermagazine gibt, dann nicht auch noch eine Schiene dazwischenschaltet – auf irgendwas wird man verzichten müssen.
Prof. Dr. Joachim Trebbe: Ja, das stimmt. Es kommt ein bisschen auf den Selbstanspruch an. Also ich kenne Radioprogramme beim MDR, die sprechen in ihrem Programm als ID, als Identität über das MDR-Land. Wenn es dieses MDR-Land gibt, dann muss es auch eine gemeinsame Perspektive sein. Weil dann wäre es Gegenstand des Rundfunkstaatsvertrags, des Leistungs-Auftrages, also, dieses Land zu bilden, zu integrieren, den Sachsen zu sagen: Ihr gehört irgendwie auch zu Sachsen-Anhalt dazu. Ihr seid dieses Mitteldeutsche Volk, diese Gruppe sozusagen. Wenn man das will, braucht man natürlich auch diese Perspektive im Programm. Wenn wir auf der anderen Seite den WDR angucken, der zoomt in seiner Regionalberichterstattung zum Teil bis auf Städte wie Essen runter oder Dortmund. Das heißt, die haben eine globale Perspektive: NRW, Nordrhein und Westfalen, auf der anderen Seite auch eine sublokale Perspektive – obwohl es so Urteile aus den Siebzigerjahren des letzten Jahrhunderts gibt, wo es Regionalisierungs-Verbote gab für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, weil sie den Pressemarkt nicht zerstören sollten, hat sich alles ziemlich erledigt, weil Presse natürlich heute auch anders funktioniert. Aber das ist ein spezifisches komplexes Problem. Aber das bedeutet nicht, dass man sozusagen die Mehr-Länder-Perspektive unter "kann weg" laufen lässt und dann nur noch auf die kleine Community in West-Sachsen guckt, sondern es muss beides möglich sein. Und das ist eigentlich technisch und journalistisch-institutionell auch machbar, glaube ich.
MEDIEN360G: Jetzt haben Sie ja vorhin schon mal ganz gut illustriert, an welchen Stellen Regionalität überhaupt stattfindet. Sie hatten das beschrieben: zwischen 18 und 22 Uhr, tendenziell 16 bis 22 Uhr, je nachdem, wie man dann auch gewichtet, was regional ist und was nicht. Das ist interessant, wenn ich mich jetzt nochmal darauf fokussiere, was da geplant ist, also ein gemeinsames Drittes Mantelprogramm und ich Sie jetzt mal Frage: Wie kann denn das ganz praktisch aussehen – wenn man möglichst, ich sag mal, ressourcenschonend und auch natürlich ökonomisch sinnvoll agierenden möchte, gleichzeitig aber seinem Anspruch gerecht werden will und soll –, regionale Berichterstattung abzubilden? Dass wir jetzt hier an der Stelle wahrscheinlich keine Programmstruktur an die Tafel zeichnen können, ist mir auch klar. Aber wie ließe sich denn aus Ihrer Sicht Regionalität angemessen in einem gemeinsamen Mantelprogramm abbilden?
Prof. Dr. Joachim Trebbe: Ich bin ja zum Glück Wissenschaftler und kein Programmplaner. Insofern kann ich da relativ leicht sprechen. Und wenn ich mir die Dritten Programme heute angucke, sind die alle sehr stark synchronisiert. Das heißt: Die fiktionalen Retro-Serien laufen nach 22 Uhr. Vorher läuft meistens noch entweder eine Reportage oder ein Naturfilm oder auch ein Magazin – "Gesundheit", "Verbraucher" und so weiter. Die regionale Informationsschiene ist im Kern 18 bis 20 Uhr, manchmal etwas früher, am Vormittag lauefn Talksendungen oder Wiederholungen von anderen Serien und so weiter. Wenn man die alle mal als synchronisiertes Programm, als ein Programm denkt, dann würde es im Prinzip als radikale Vision genügen, in einem ersten Schritt zu sagen: Wir definieren einen Korridor von 16 bis 20 Uhr für die regionalen Auseinander-Schaltungen, das heißt außerhalb dieses Korridors – vor 16 Uhr und nach 20 Uhr – zeigen alle Dritten Programme ein Programm, das überall das Gleiche ist. Und das Programm wird in alle Bundesländer oder Mehr-Länder-Anstalten, in diesem vierstündigen Korridor auseinandergeschaltet. Das ist eigentlich das Modell, was auf der Hand liegt. Und dann muss man halt sagen: Okay, wie radikal will man das machen? Will man wirklich dann in jedes Bundesland auseinanderschalten? Oder will man im Fall des MDR drei Bundesländer gemeinsam auseinander schalten? Und was passiert nach diesem Korridor? Gibt es nach dem Korridor noch einen weiteren, meinetwegen zweistündigen Korridor, wo das, was jetzt in Magazinen und Reportagen läuft, noch mal auseinandergeschaltet wird? Das heißt: Gibt es spezifische Naturreportagen, die noch mal das Bayerische oder das Hessische oder das Sächsische besonders betonen? Aber das radikale wäre natürlich, dass man sagt: Es gibt das Dritte Programm. Und es gibt ein Fenster, das dann in zwölf verschiedene Versionen auseinandergeschaltet wird. Aber wie ich sagte, das wäre eine Vision für – nicht für morgen, sondern für eine Zeit, die nach einer ganzen Reihe von Programmreformen kommt.
MEDIEN360G: Und wenn ich Sie jetzt aus Nutzersicht frage: Auf was muss ich da verzichten? Muss ich auf irgendetwas verzichten? Oder kriege ich im Grunde das Gleiche nur komprimierter?
Prof. Dr. Joachim Trebbe: Sie müssen auf gar nichts verzichten, weil natürlich alle diese Inhalte auch On-Demand später abrufbar sind, insbesondere die fernsehpublizistischen, also die im weitesten Sinne journalistischen. Wenn Sie neben Ihrem Gesundheitsmagazin vom RBB auch noch das vom NDR und vom WDR gucken wollen, können Sie das ja heute schon machen. Und Sie können ja in die Mediathek gehen und sich das angucken, wenn nicht sogar der RBB sich irgendwann entscheidet, "die Ernährungs-Docs" noch in das RBB Programm reinzunehmen. Das heißt, es ist jetzt schon so, dass man überhaupt nichts verpasst. Man hat eben keine Synchronisierung mehr, keine zeitnahe, gleichzeitige, lineare Angebotsstruktur, sondern man muss dann eben sagen: Die regionale Auseinanderschaltung, die dein Bundesland betrifft, die siehst du auf diesem Kanal. Wenn du die deines Heimatbundeslandes sehen willst, musst du halt in die Mediathek umschalten. Das ist sicher nicht sofort akzeptabel. Aber das wäre eine Vision.
MEDIEN360G: Woran scheitert das aus Ihrer Sicht – jetzt einmal bis 2030, also dem Jahr, in dem die Nutzung kippen wird und möglicherweise dann mehr digital als linear genutzt wird?
Prof. Dr. Joachim Trebbe: Ja, also institutionelle Bürokratie. Ganz klar. Wir haben für jedes Dritte Programm Landesfunkhäuser. Wir haben für jedes Dritte Programm Intendanten. Wir haben für jedes Dritte Programm Pensionslasten. Leute, die man nicht einfach freisetzen kann. Wir haben journalistische Strukturen, die da etabliert sind. Die kann man und will man nicht von einer Gebührenperiode auf die nächste ausradieren. Das wird nicht funktionieren. Und so wird sich natürlich auch das Nutzerverhalten nicht ändern. Aber man braucht natürlich für einen Zeitraum von, ich sage jetzt mal 15 Jahren vielleicht, eine Vision: Wo will man denn ankommen? Und will man vielleicht, um diesen Weg zugehen, vorher Cluster bilden und sagen: Okay, wir bereiten uns in einer Gruppe der westdeutschen, ostdeutschen, süddeutschen meinetwegen südostdeutschen Programme auf diese neue Vision des Dritten Programms vor und bilden schon mal Strukturen, in denen wir sagen: Okay, wir versuchen, wenn die Kohorte der jetzt arbeitenden Menschen in diesen Landesrundfunkhäusern, wenn die weg sind, eine gemeinsame Struktur aufzubauen. Aber das wird man natürlich nicht aus der Lameng, wie wir in Berlin sagen, erledigen können.
MEDIEN360G: Das Schöne ist ja, dass Sie sowas wirklich aus einer neutralen Position heraus bewerten können. Was ich mich selbst als Mitarbeiter einer öffentlich-rechtlichen Anstalt immer wieder frage, ist: An wem scheitert es denn jetzt eigentlich? Jetzt haben Sie gerade schon so ein bisschen die Bürokratie und die Verwaltung ja auch genannt. Gleichzeitig wissen viele Nutzerinnen und Nutzer nicht, wie eigentlich öffentlich-rechtliches Programm entsteht. Wir haben natürlich auf der einen Seite die Anstalten, in ihrer Clusterung bis auf die Landesfunkhäuser runter. Und auf der anderen Seite haben wir eben die Rundfunkkommission, die jetzt in aller Munde ist. Die Rundfunkkommission ist im Prinzip ein Zusammenschluss – also die politische Vertretung. Wenn ich Sie jetzt auf der Straße treffe und sage: Professor Trebbe, wer muss denn jetzt eigentlich erst einmal die Weichen stellen, dass da wirklich was Sinnvolles und Nachhaltiges passiert? Bei wem sehen Sie den Ball da?
Prof. Dr. Joachim Trebbe: Ja, also das ist wirklich eine schwierige Frage, weil man wird für solche Entscheidungen wahrscheinlich Strukturen ändern müssen. Und das sind letztendlich natürlich politische Fragen. Da kann ich als Wissenschaftler auch nur sagen: Okay, wo kann ich Effektivität erzeugen oder Effizienz erhöhen oder Synergien finden? Aber wenn – Rundfunk ist Ländersache, steht bei uns im Grundgesetz – wir an der Struktur des bestehenden Rundfunks was ändern wollen, dann muss das über die Länder gehen, über die Staatskanzleien. Da ist es in den meisten Bundesländern angesiedelt und da muss sich im Prinzip eine politische Mehrheit finden, die in Absprache mit dem, was da ist – also eine vorhandene Bürokratie ist immer eine konservative Struktur, die lässt sich nicht so leicht verändern. Aber das sind politische Entscheidungen, die nicht im Bund entschieden werden, sondern eben in der Summe dieser Bundesländer. Und die Rundfunkkommission ist im Prinzip ja auch ein Gremium, was sich konstituiert durch den politischen Willen, der in den Bundesländern vorherrscht.
MEDIEN360G: Heißt aber auch: ohne konkreten, politischen, formulierten und auch legitimierten Willen, keine ARD-Reform.
Prof. Dr. Joachim Trebbe: Ja, das ist eine schwierige Frage. Also, da wird man die ARD sicher auch noch einmal konsultieren müssen. Ich habe Kai Gniffke gehört, der Reformvorschläge vorlegt, und die legt er ja von innen vor. Und es passiert viel in den Landesrundfunkanstalten der ARD und auch das ZDF, was nicht top-down funktioniert, sondern was aus den Landesrundfunkanstalten kommt und ein Gestaltungsvorschlag ist, und das ist natürlich auch ein Weg. Man kann solche Sachen auch organisieren, indem man sagt wir machen einen organisatorischen Vorschlag für unsere eigene Reform. Und die Politik sagt: Ist das ein Weg, den wir mittragen, den wir haben wollen? Da spielt dann auch das Verfassungsgericht eine Rolle, ob das sozusagen auch machbar ist. ARD 2, ZDF war ein großes Thema im letzten Jahrhundert. Das musste erst mal geklärt werden, ob es überhaupt ein zweites Fernsehprogramm geben darf und wie staatsfern das dann noch ist.
MEDIEN360G: Gleichzeitig ist es natürlich so, dass wenn man sich das jetzt mal anschaut, die Genese einer solchen Entscheidung natürlich irgendwie auf den Weg gebracht werden muss. Was wir erleben ist, dass Landespolitiker meistens zwei Sender gut finden: das ZDF und ihr Regionales. Glauben Sie, dass es möglich ist, dass man sich gegen solche "Elfenbeinturm-denkende" Politiker durchsetzen kann?
Prof. Dr. Joachim Trebbe: Da gibt es natürlich mehrere Aspekte. Ein Aspekt ist ökonomischer Druck. Der ökonomische Druck auf die Landesrundfunkanstalten wird steigen. Die Gebühren werden auf absehbare Zeit keine Entwicklungsperspektive mehr leisten, obwohl die verfassungsgerichtlich festgelegt ist. Also, die Landesrundfunkanstalten der ARD und auch das ZDF haben das Recht, sich auch weiterzuentwickeln, auch den Sprung in das Digitale zu machen. Das wird aber mit dem ökonomischen Budget, das dafür zur Verfügung steht, in absehbarer Zeit nicht mehr möglich sein. Und vielleicht haben Sie Recht, dass die Politiker vor Ort immer eine bestimmte Präferenz haben. Die kann ja aber auch bleiben bei bestimmten Reformprojekten, sodass, glaube ich, schon auch die jetzt nicht auf der Länder- oder Bundesebene tätigen Politiker diese Notwendigkeit einsehen werden, dass da eine Strukturreform kommen muss, weil einfach die Akzeptanz der Gebühren und das, was mit den Gebühren gemacht wird, was also wirklich im Programm landet, immer kleiner sein wird.
MEDIEN360G: Um das vielleicht nochmal abzubinden: Habe ich Sie richtig verstanden? Ihre Position ist, dass also Sachen wie zum Beispiel fiktionale Produktionen, Tatorte, Serien, also Dinge, die sehr gut und zeitunabhängig sind, durchaus gern digital in der Mediathek landen können, weil sie noch von jedem immer gefunden werden können, aber der Kern des öffentlich-rechtlichen Programmes sollte Information, politische Bildung und, ich sage mal, Aktuelles sein?
Prof. Dr. Joachim Trebbe: Also meine Perspektive ist da keine politische oder normative, sondern eine analytische. Ich kann eigentlich mit dem, was ich wissenschaftlich damit mache, nur sagen, was ist. Und für mich ist der Ausgangspunkt dieser Analysen, die ich mache, die Staatsverträge und die eigenen Leistungsanforderungen der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten. Und da muss ich einfach feststellen, dass bei dem, was ist, der Auftrag in einer sehr spezifischen Weise operationalisiert wird und dass darum eine Menge dranhängt, was nicht unbedingt mit dem konkreten Auftrag zusammenhängt. Und man kann, glaube ich, an unseren Daten sehen – auch wenn sie jetzt schon ein bisschen älter sind –, dass es bei der Programmstruktur, die wir im Moment haben, eine Menge Ecken gibt, an denen man Effizienz, Regionalität, Erfüllung des Leistungsauftrags erhöhen kann, ohne dass man weitere Kosten erzeugt, sondern im Gegenteil Kosten einsparen kann. Aber wie man das politisch umsetzt, ob nun in den Landesrundfunkanstalten oder außerhalb von der Politik auf die Landesrundfunkanstalten übertragen, das kann ich als Wissenschaftler nicht entscheiden.
MEDIEN360G: Ich danke Ihnen für das Gespräch!