Der Redakteur | 08.10.2024 Wird das gedruckte Buch überleben - und wie helfen ihm gerade junge Menschen?
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08. Oktober 2024, 15:24 Uhr
Das Buch lebt. Und zwar mit Hilfe des Internets und dank der jungen Generation. Es werden Bücher gekauft und gelesen, die Bücheregale werden fotografiert und gepostet - und auch Lese-Erlebnisse geteilt. Das ist Werbung, wie sie im Buche steht.
Inhalt des Artikels:
Gerhard Lauer ist Professor für Buchwissenschaft an der Gutenberg-Uni Mainz. Er gerät geradezu ins Schwärmen darüber, was aktuell die junge Generation mit seinem guten alten Buch veranstaltet. Es sind nämlich nicht die Alten, die dem Buch im digitalen Zeitalter das Überleben sichern.
Die alten und neuen Schmöker sind angesagt, der Konsum wird förmlich zelebriert. Zu sehen ist das einerseits digital in den Posts, Videos und Blogs der Leser, aber auch physisch auf 8.000 Quadratmetern in Halle 1/2 im Eingangsbereich der Frankfurter Buchmesse.
Auch der Buchhandel selbst sieht den positiven Trend, der zumindest dafür gesorgt hat, dass die Absatzzahlen des gedruckten Buches stabil geblieben sind, trotz E-Book und Hörbuch.
Offenbar zieht eine große Anzahl der Menschen immer noch das Lesen auf Papier vor. Das ist wahrscheinlich auch eine Reaktion auf die große Digitalwelle.
Was hat das Buch, was der Zeitung fehlt?
Es steckt viel Psychologie dahinter. Allerdings ist der Unterschied mehr psychologisch als logisch. Professor Gerhard Lauer erklärt es damit, dass der Leser, der häufig eine Leserin ist, mit dem Buch über sich selbst reflektiert: Was da passiert, hat etwas mit mir zu tun, in den handelnden Personen findet man sich und andere wieder.
Davon profitiert am Ende "mein Projekt für ein schönes Leben", wie es Lauer nennt. Die Zeitung hingegen liefere Dinge, die ich selbst nicht kontrollieren und auch nicht in das eigene Leben einbauen kann.
Aber warum sind die angesagtesten Bücher, auch wenn sie "Shades of Grey" heißen, "dark"? Das ist der Fachbegriff für ziemlich dunkle Geschichten, die eigentlich so gar nicht zum Projekt mit dem schönen Leben passen.
Wir haben eine Affinität für abtrünnige Gestalten, für psychotisches Verhalten und Missbrauchsgeschichten.
Dass wir aus solchen Geschichten offenbar einen "ästhetischen Gewinn" ziehen, wie es Professor Lauer nennt, ist kein neues Phänomen. Auch schon bei den alten Griechen kamen schlimme Dinge vor und trotzdem seien die Leute in die Theater geströmt, um sich die Schauergeschichten und das Scheitern von Menschen anzuschauen.
Wir stellen dann Bezüge zu uns her, denken über uns nach und das verfängt offenbar. Deswegen sind auch Krimis so beliebt, auch im Fernsehen. "Nur noch Krimis" ist eine zwar häufig geäußerte Kritik am Fernsehen, trotzdem werden Krimis geschaut und gelesen. Sie kommen oft aus Ländern, die über viele Jahre hinweg fallende Kriminalitätsraten haben, sagt Lauer.
Die Kriminalität sinkt in der Wirklichkeit und steigt in der Literatur. Der Mensch ist schon ein komisches Wesen. Ganz vorn dabei: die Autoren skandinavischer Länder. Oft sind in den Büchern die Männer die Bösen, es geht um Hörigkeit, Gewaltdarstellung und Phantasiewelten.
Wie die Schönheit des Buches zelebriert wird
Den Stift in einem Buch anzusetzen, vielleicht gar den Kugelschreiber, bereitet manchen Menschen körperliche Schmerzen. In diesen wilden Zeiten der jungen Buchkultur werden die Bücher sogar verziert. Zunächst von den Verlagen und Druckereien selbst.
Die Schnittkante, also der "Seitenstapel", den man aufblättert, muss bei bestimmten Werken farbig sein, sonst kauft es niemand.
Das ist unglaublich kostenintensiv. Aber bei bestimmten Bestsellern wie Yarros' "Flammengeküsst" - wenn da nicht der angesagte Farbschnitt dran ist, können Sie das Buch nicht verkaufen.
Mitunter wird auch selbst nachgeholfen, die Schnittkante wird kunstvoll verziert und das Kunstwerk dann auch präsentiert. Im Internet. Aus banalen Selbstbausätzen werden viktorianische Bücheregale, indem mit der Stichsäge Verzierungen davorgesetzt werden, das Ganze ist dann im typischen Grün gehalten und der perfekte Hintergrund für ein Selfie.
Dann stellen sich die Leute vor das Bücheregal mit ihren wunderschönen Büchern und das wird dann im Internet gehypt.
Aber ein Hype hat ein Verfallsdatum, irgendwann ist jedes Buch ausreichend oft durchs Netz gegangen - und was kommt dann? Vielleicht ein neuer Trend mit dem Buch in der Hauptrolle. Professor Lauer wird auch diesen wissenschaftlich begleiten.
MDR (dvs)
Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Ramm am Nachmittag | 08. Oktober 2024 | 16:40 Uhr
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